Es ist eine dieser seltenen Perlen, die man nur zu Gesicht bekommt, weil sich jemand mit feiner Spürnase und einem gewissen Starrsinn auf die Suche gemacht, um genau sie zu finden: Der 17-minütige Film „My Majorca" zeigt die Insel in Farbaufnahmen wie sie war, bevor sie zur Projektionsfläche von Reiseveranstaltern und Immobilienmaklern wurde. Regie führte der renommierte US-Modefotograf George Hoyningen-Huene.

Mindestens ebenso bemerkenswert sind die Drehbuch-Autoren: Einer der drei ist der legendäre deutsch-britische Schriftsteller Robert Graves („Ich, Claudius"). Das Filmarchiv des Inselrats zeigte den Film am Montag (29.4.), im Publikum saßen vor allem ältere Mallorquiner.

Aufgestöbert hat „My Majorca" die mallorquinische Kunsthistorikerin Magda Rubí. Sie war im Rahmen ihrer Dissertation über Film und Tourismusgeschichte auf den Streifen gestoßen. George Hoyningen-Huene drehte „My Majorca" 1953 auf der Insel, Premiere hatte der Film zwei Jahre später in den USA. Nach langer Suche fand Magda Rubí im Archiv der Spanischen Filmothek in Madrid eine Kopie.

Im Taxi über die Insel

Die Geschichte, auf Englisch aus dem Off von der Schauspielerin Susan Kohner erzählt, ist in vielerlei Hinsicht reichlich bekloppt. Eine junge Frau namens Catalina holt eines Morgens die von ihren 15 Brüdern gefangenen Fische am Hafen ab. Die Ware in einen Korb verstaut, lässt sie sich von ihrem Cousin in dessen Taxi einen Tag lang um die Insel fahren, um ihre zahlreichen Verwandten mit diesem Fisch zu versorgen.

Die Route führt sie von Palma de Mallorca nach Pollença, von da zurück zum Castell de Bellver, dann über Petra und Banyalbufar zur Halbinsel Formentor. Zuletzt besucht sie ihren Cousin Felipe im Torrent de Pareis. Der lebt dort hinter großen Felsen versteckt und ist beruflich Steinschleuderer. „Ich möchte gar nicht wissen, wie der Fisch am Ende dieses Tages gerochen hat", sagte eine Besucherin nach der Vorführung lachend.

Hintergrundinfos zu Kultur und Geschichte

Von der bizarren Route und der doch eher konstruierten Geschichte einmal abgesehen: der Film gibt einen Einblick in das Leben auf der Insel in jenen Jahren. Jede Station wird mit Hintergrundinformationen zu Kultur und Geschichte ergänzt. Nicht nur an der Sprache, auch an der Art der Informationen ist zu erkennen, dass sich „My Majorca"

eindeutig an Ausländer richtet. Allerdings ist die Erzählweise eine ganz andere, als man sie heute von einem Werbefilm für eine Urlaubsdestination erwarten würde. Stattdessen wirkt „My Majorca" eher wie eine Art fiktive Dokumentation über ein fernes und etwas sonderbares Land.

Zwar gibt es hier und da dezente Hinweise auf den Tourismus - so wird ein touristisches Tanzlokal gezeigt, und auf ihrem Weg über die Insel wird die recht keusch in traditioneller Tracht gekleidete Catalina von mehreren Männern in Badehose begafft -, aber vor allem wird die Insel als beinahe menschenleeres, von atemberaubender Natur geprägtes Paradies dargestellt.

Entstehung ungeklärt

Über die Entstehungsgeschichte des Films ist nur wenig bekannt. Beim Inselrat, der die Vorführung organisierte, geht man davon aus, dass der Film sowohl als Werbefilm für Mallorca als auch für den pädagogischen Einsatz in Schulen gedacht war. Es gebe noch eine weitere Kopie des Films in den USA, erzählt Magda Rubí bei der Präsentation. Sie habe aber keine Hinweise darauf gefunden, dass „My Majorca" damals in Spanien gezeigt wurde. Auch der Versuch, über die Produktionsfirma Pacific Pictures Näheres zu erfahren, sei erfolglos gewesen. Die Firma existiert nicht mehr, man wisse nicht, was aus ihr geworden ist.

Auch die Familie von Robert Graves ist nicht in der Lage, die Rolle des Schriftsteller bei „My Majorca" näher zu definieren. „Ich weiß erst seit rund einem Jahr von der Existenz dieses Films", erklärte der Sohn und Nachlassverwalter William Graves. „Ich habe seither jedes Papier der mir bekannten Graves-Archive durchforstet, aber weder Korrespondenzen mit den Produzenten noch Notizen oder andere schriftliche Dokumente zu dem Film finden können." William Graves vermutet, dass sein Vater über das mallorquinische Fremdenverkehrsamt mit den Filmemachern in Kontakt gekommen sei.

Eine Kopie von „My Majorca" ist nun im Besitz des mallorquinischen Inselrats. Wegen der ungeklärten Rechtslage - Nachfahren der Produktionsfirma konnten nicht ausfindig gemacht werden - kann der Film nicht kommerziell genutzt werden. Allerdings werde man ihn in den kommenden Monaten auf der Insel im Rahmen von öffentlichen und kostenlosen Vorführungen zeigen, sagte der Leiter des Ton- und Bildarchivs des Inselrats, Xisco Bonnín, der MZ am Rande der Veranstaltung. Der große Andrang bei der ersten Präsentation zeige, dass ein großes Interesse an „My Majorca" bestehe, so der hocherfreute Xisco Bonnín.