Tomeu Simonet blickt überrascht auf, als er zum Laden­lokal kommt. „Ich hätte gedacht, dass sie den Namen der Galerie schon abmontiert hätten." 15 Jahre lang hat Simonet im Carrer d'Alexandre Rosselló, 10, im Zentrum von Alaró seine Galerie Addaya Centre d'Art Contemporani betrieben. Jetzt hat er dichtgemacht. Die Besitzerin des Ladenlokals in dem Dorf auf Mallorca hatte Eigenbedarf angemeldet. Drinnen ist schon alles ausgeräumt, Bauarbeiter haben sich schon an den Umbau gemacht.

Damit ist auch erst einmal Schluss mit den Künstlerresidenzen, die die Galerie seit dem zweiten Jahr ihres Bestehens anbot und an denen im Laufe der Jahre über hundert internationale Künstler und Kuratoren teilgenommen haben. Der Deal lautete: Die Künstler wohnen über einen vereinbarten Zeitraum im ersten Stock der Galerie, meistens ein oder zwei Monate.

Als ­Gegenleistung ließen sie Simonet ein Kunstwerk da, das während der Residenz oder infolge der Residenz entstanden war, oder stellten bei ihm aus. Unter anderem waren Sergio Belinchón, Santiago Ydáñez, Fermín Jiménez Landa, Tamara Van San, Ting Ting Cheng und Irene de Andrés da. Die letzten Künstler, die vor wenigen Tagen ihren Aufenthalt beendeten, waren der Katalane Marc Vives und die Madrilenin Sofía Montenegro.

Pause zum Durchatmen

„Ich betrachte das Ende der Residenzen mit einem lachenden und einem weinenden Auge", sagt Simonet. „Zum einen haben wir hier großartige Erlebnisse gehabt. Zum anderen gibt es mir die Möglichkeit, mal durchzuschnaufen und zu überlegen, wie es weitergehen soll. Das Residenzprogramm war so ein zentraler Bestandteil der DNA der Galerie, dass ich mir irgendwann nicht mehr die Frage gestellt habe, warum ich das mache."

So ganz verschwindet Addaya, deren Namen sich auf eine alte maurische possessió auf der Insel bezieht, aber nicht. Im März vergangenen Jahres, pünktlich zum ArtPalma-Brunch, eröffnete Simonet eine Dependance der Galerie in Palma. Die wird er beibehalten, wenn auch unter veränderten Öffnungszeiten: Donnerstags hat die Galerie tagsüber auf, ­ansonsten kann sie auch kurzfristig mit Termin besucht werden.

„Alle Galerien leiden ­unter Besucherschwund, nicht nur auf ­Mallorca. Es macht keinen Sinn mehr, die ganze Zeit offen zu haben, da die meisten Kunden ohnehin ­vorher anrufen, wenn sie sich die ­Arbeiten anschauen wollen." Käme etwa ein Urlauber zufällig vorbei und wolle die ausgestellten Kunstwerke sehen, sei er über das Handy erreichbar.

Selfmade-Galerist

Simonet ist einen weiten Weg mit der Galerie gegangen, seit er sie mit Anfang 30 gründete. Der Galerist hat keine richtige Ausbildung ­absolviert, unter anderem als Autoschlosser und -lackierer gejobbt und sich vor allem einem ausschweifenden Partyleben gewidmet. „Als ich damit aufgehört habe, wusste ich, dass ich etwas Kreatives machen wollte."

Er fing an, Skulpturen aus von ihm gesammelten Metallstücken zu bauen und sie auf Flohmärkten zu verkaufen. „Irgendwann gab es die Chance, ein Projekt in dem Ladenlokal im Zentrum von Alaró zu machen." Simonet und seine damalige Frau Nadege You schlugen zu und bauten langsam die Galerie auf, die sie bis zur Trennung vor drei Jahren gemeinsam betrieben.

Die ersten fünf Jahre seien zum Lernen dagewesen. „Die Welt der Galeristen ist ja hermetisch abgeriegelt, wenn man keine berufliche Erfahrung oder Praktika absolviert hat. Weder die Kollegen noch die Künstler erklären einem irgend etwas, zumindest am Anfang. Da reinzukommen und zu verstehen, wie alles funktioniert, ist unglaublich schwierig." Simonet biss sich durch.

Neue Freunde

Seine Galerie gehörte neben dem CCA Andratx zu den ersten, die auf der Insel künstlerische Residenzen anboten. Simonet dienten sie zum einen dazu, eine eigene Kunstsammlung anzulegen, zum anderen, um Kontakte zu knüpfen. „Es war für uns sensationell. Da die Künstler oben in der Galerie wohnten, sahen wir uns jeden Tag. Da sind enge Verbindungen entstanden, vor allem mit den Künstlern, die am Anfang da waren, wo wir auch mehr Zeit hatten. Wir haben sie mit zu unseren Freunden genommen, gemeinsame Abendessen veranstaltet. Es war einfach toll, weil wir viel Zeit mit interessanten Menschen verbringen konnten."

Um Nachschub an Künstlern habe er sich keine Sorgen machen müssen. „Pro Künstler, der da war, wollten drei weitere zu uns." Fast täglich seien Bewerbungen reingekommen. Simonet hat aber auch viele Künstler etwa auf Messen selbst eingeladen. „Mein Auswahl­kriterium war, dass ich die Arbeit spannend fand", sagt er.

Alles selbst finanziert

Dabei konnte Simonet keine finanzielle Unterstützung anbieten, nur die Wohn- und Arbeitsräume. Addaya hat sich immer selbst finanziert, auch das Residenzprogramm. „Nur in den vergangenen Jahren kooperierten wir mit dem Kulturinstitut IEB bei den Residenzen der Kuratoren. Aber 99,9 Prozent der Ausgaben hat die Galerie gestemmt."

So ganz ausgeschlossen ist es nicht, dass Simonet das Residenzprogramm wieder aufnimmt. Er habe ein Angebot für ein anderes Haus, das für das Projekt infrage käme - auch in Alaró. Noch ist allerdings nichts in trockenen Tüchern, Simonet will nicht ins Detail ­gehen. Irgendwie, das merkt man ihm an, will er weitermachen.