Es gebe einen magischen Moment für einen Komponisten, sagt Joan Valent. „Wenn ich ein neues Stück präsentiere, ist es die eine Sekunde der Stille, nachdem der letzte Ton erklungen ist und bevor der Applaus beginnt. In dem Moment gehört das Werk mir. Sobald das Publikum zu klatschen beginnt, gehört es ihnen. Für mich ist es dann Geschichte. Ich denke schon über das nächste nach. Aber in diesem einen Moment denke ich: Bis hierhin bin ich gekommen", so der Musiker, der das Leben eines Künstlers als „Erfolg und Misserfolg, Aufstehen, Weitermachen und hoffentlich nicht Hotelier werden" beschreibt.

Der Mallorquiner lebte bis vor einem Jahr in Mexiko und ist vor allem im Bereich der Filmmusik tätig. So verpasste er zuletzt unter anderem Álex de la Iglesias Kammerspiel „El bar" und Agustí Villarongas Armuts-Drama „El rey de la Habana" den Soundtrack. Nun hat er ein neues Album bei der Plattenfirma Deutsche Grammophon veröffentlicht. In „Poetic Logbook" vertont er Gedichte von Autoren wie Dylan Thomas oder Pedro Salinas. Eingespielt haben die CD die Sopranistin Maia Planas und Musiker der Balearen-Sinfoniker.

Herr Valent, was ist schwieriger: Bilder ­musikalisch untermalen oder Worte?

Es sind zwei sehr unterschiedliche Prozesse. Filme sind Auftragsarbeiten. Man arbeitet der Fantasie des Regisseurs zu, setzt das um, was er sich vorstellt. Und man darf sich nichts vormachen: Kino ist vor allem eine Industrie. Es geht immer zack, zack. In zwei Monaten muss alles fertig komponiert, aufgenommen und in den Film eingebaut werden. Da bleibt wenig Zeit, um auf den Kuss der Muse zu warten. Zum Vergleich: Für „Poetic Logbook" habe ich zwei Jahre gebraucht. Es gibt auf der CD keine Note, die ich nicht so gewollt habe.

Dennoch sind sie doch auch an das Gedicht gebunden, an seinen Rhythmus, seine Sprache. Schränkt Sie das nicht beim Komponieren ein?

Nein, heutzutage sind die Gedichte nicht mehr so an die Metrik gebunden wie etwa im Barock. Man kann relativ frei damit spielen. Das Problem bei den Gedichten ist für mich, dass sie mich überwältigen, erniedrigen.

Inwiefern?

In dem Sinne, dass ich mich nicht als würdig empfinde, dass ausgerechnet ich die Worte ­eines Dylan Thomas vertonen soll. Oder eines Robert Graves. Wenn ich mich trotzdem ­daransetze, dann geht es mir darum, dem ­Hörer zu vermitteln, welche Gefühle diese ­Gedichte in mir auslösen, wie diese Worte mich emotional und intellektuell zu dem Mann gemacht haben, der ich heute bin. Das Gedicht eröffnet mir eine Welt an Emotionen, in der es leichtfällt, etwas zu erschaffen. Die Herausforderung ist, der Größe des Werkes ­gerecht zu werden.

Der 55-Jährige ist ein großer, wuchtiger Mann mit einer krächzenden Stimme. Die Jahre in Mexiko hört man ihm an, wenn er Spanisch spricht. Er ­benutzt den etwas rohen Slang des Landes. Und wählt gern etwas dramatische Formulierungen. Die Unzufriedenheit sei eine Konstante im Leben ­eines Künstlers, beschreibt Valent, dessen Name „der ­Mutige" bedeutet, sein Selbstverständnis. „Die ­einzige Möglichkeit, diese Unzufriedenheit zu ­besiegen, ist, die eigene Mittelmäßigkeit zu akzeptieren. Und versuchen, dieses Level zu halten."

Müssen Sie dann nicht irgendwann den Respekt vor dieser Größe verlieren, um nicht am eigenen Schaffensprozess zu verzweifeln?

Deshalb habe ich ja zwei Jahre gebraucht. Es ist ein großer Kampf. Man nimmt ja nicht ein Gedicht von Dylan Thomas und macht ein da-da-di-da-da darunter. Es ist kompliziert, ­dahin zu kommen, wohin man will.

Können Sie diesen Prozess beschreiben?

Da müssen Sie, glaube ich, lieber meinen Psychiater fragen (lacht).

Aber worum geht es? Müssen Sie mit dem Gedicht vertraut werden?

Nein, die Vertrautheit ist schon da, seit ich es vor 30 Jahren entdeckt habe und es mich verführt hat. Nein, wenn ich ein Gedicht vertonen will, habe ich es immer im Kopf. Ich sitze am Klavier, probiere Melodien aus. Ich versuche, dass der Rhythmus des Gedichts mit dem der Musik zusammengeht. Welche Botschaft hat der Dichter? Es ist sehr komplex. Wenn ich nur ein Rezept dafür hätte!

Wie suchen Sie die Gedichte aus?

Ich sehe das Album, wie der Titel schon sagt, als poetisches Logbuch. Es sind die Gedichte, die mich mein ganzes Leben begleitet haben. Die Worte, die für mich etwa in Momenten des Verliebtseins oder der Trauer diesen Gefühlen einen Sinn gegeben haben. Die Poesie ist für mich die höchste Kunstform.

Mehr als die Musik?

In meinen Augen, ja. Die Poesie ist die Sprache der Emotionen. Musik ist abstrakt.

Aber sie ist auch international. Jeder kann sie verstehen, ohne auf eine bestimmte Sprache angewiesen zu sein.

Ach, kommen Sie, was für ein Quatsch. Heute gibt es doch keine Grenzen mehr. Es gibt sogar großartige Übersetzungen von irgendwelchen chinesischen Dichtern. So einen Einwand könnten Sie im 18. Jahrhundert ­bringen, aber doch nicht jetzt. Aber - das möchte ich sagen - ich nehme für meine Musik immer die Originalversion der Gedichte. Für das nächste Album arbeite ich mit russischen Werken. Das ist ganz schön kompliziert.

Welche Rolle spielt die Erwartung des Publikum beim Komponieren? Wollen Sie gefallen?

Jede Präsentation eines neuen Stücks ist ein Nervenkitzel. Ich habe vor allem Angst. Natürlich komponiert man, um gehört zu werden. Und man hofft, dass es beim Publikum gut ankommt. Aber vor allem muss es sich verkaufen. Ich lebe von diesem Job.

Insofern ist es bei ihrem Album auch nicht anders als beim Kino: Die Verkaufszahlen müssen stimmen. Mischt sich ihre Plattenfirma in ihre künstlerische Arbeit ein?

Nein, die wissen ja, was sie an mir haben und was ich kann. Ich mache das ja schließlich schon ein paar Jahre.