Dass so viel dabei herauskommen würde, hätten auch wir von der MZ nicht gedacht, als wir im November 2016 zusammen mit dem Emons Verlag und der Literaturagentin Lianne Kolf einen Mallorca-Krimi-Wettbewerb ausriefen. „Mallorca bis in alle Ewigkeit" von Klaus Späne ist mittlerweile schon der dritte Band, der sich daraus ergeben hat. Der Journalist und ehemalige Redakteur auf Mallorca und Ibiza hat das politischste Buch eingereicht. Es geht darum, wie geflohene Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg auf Mallorca sesshaft wurden - und wie dieses dunkle Erbe bis in die Gegenwart reicht. Im Mittelpunkt stehen zwei Morde - an einem Journalisten und an einen Leiter eines Altersheims. Chefinspektor Pau Ribera, der aus Katalonien stammt und erst seit wenigen Monaten auf der Insel ist, und sein Team müssen mit viel Fingerspitzen­gefühl arbeiten.

Späne stellt das Buch am 17.6. um 19 Uhr in der Buchhandlung Akzent (C/. Carme, 14) in Palma vor.

Herr Späne, Altnazis auf Mallorca als Krimi­thema. Wie sind Sie darauf gekommen?

Den Ermittler Pau Ribera hatte ich schon lange im Kopf. Ursprünglich wollte ich eine Geschichte schreiben, die sich um die Droge Crystal Meth drehte. Eines Tages kam ich aber am Friedhof Palma an der Erinnerungsmauer für die Opfer der Franco-Diktatur vorbei. Da steht ein wackeliger Stuhl davor. Das war eine so eindrückliche Szene, dass ich dachte: Hierum muss ich eine Geschichte stricken. Gleichzeitig wollte ich eine Brücke zu Deutschland schlagen. Deshalb habe ich die Rattenlinie eingebaut - so nannten die US-Amerikaner die Fluchtrouten, mit denen sich Nazis nach dem Krieg der Justiz entzogen.

„Rattenlinie" hieß Ihr Krimi auch, als Sie ihn beim Wettbewerb eingereicht haben.

Ja, ich war auch etwas überrascht, als der Verlag den aktuellen Titel vorgeschlagen hat. Zumal der Begriff Rattenlinie für mich genau das ausdrückt, worum es in dem Roman geht. Aber die Branche hat ihre eigenen Regeln, und ich habe mich damit nach einiger Diskussion letztlich arrangiert. Das Motiv der Ewigkeit findet sich ja doch in einigen Aspekten der Geschichte und wird auch durch das Buchcover transportiert.

Wie gut kannten Sie sich vor dem Schreiben des Krimis mit der Thematik aus?

Ich wusste grundsätzlich von den Fluchtrouten der Nazis, die ja über Italien und Spanien liefen. Dann erfuhr ich, dass der ehemalige SS-Offizier Otto Skorzeny eine Zeit lang auf der Insel lebte und dass es Spekulationen gab, dass noch andere Altnazis hier gelebt hatten. Skorzeny, eine, wie ich finde, schillernde Figur, kommt im Krimi auch vor. Mich hat aber überrascht, wie präsent er in Alcúdia war, wo er ein Haus hatte.

Sie thematisieren in dem Buch auch heutige Nazis, die sich nach Mallorca absetzen. Unter anderem gibt es einen Thorsten Himmel, einen Wirt an der Playa.

Der ist ein wenig an den früheren NPD-Chef Holger Apfel angelehnt, der ja auch eine Zeit lang eine Kneipe an der Playa hatte, wenn auch dessen Geschichte anders gelagert ist. Aber grundsätzlich hört man ja immer wieder von deutschen Rechtsradikalen, die in den deutschen Ballungszentren auf der Insel wie der Playa de Palma auf sich aufmerksam machen. Sei es, weil sie entsprechende Lieder grölen oder die Reichskriegsflagge schwenken.

Auch in Cala Ratjada lebt ein bekannter deutscher Rechtspopulist. Was macht die Insel für diese Menschen attraktiv?

Nun, im Grunde sind Nazis ja abgesehen von ihren politischen Ideen ganz normale Leute, die auch mal Urlaub machen wollen. Insofern wundert mich das nicht. Was vielleicht überrascht, ist die Intensität, mit der sie hier gelegentlich auftreten. Aber vielleicht bekommen sie in diesen Deutschen-Hochburgen einfach mehr Aufmerksamkeit oder fallen auf einer übersichtlichen Insel stärker auf.

In dem Buch wird suggeriert, dass Altnazis auf Mallorca maßgeblich am Aufbau des Massentourismus beteiligt waren. Wie viel ist da in der Realität dran?

Das ist spekulativ, aber nicht ausgeschlossen. Das Franco-Regime, das viele Altnazis aufgenommen hat, war am Aufbau des Tourismus sehr interessiert. Es gab immer wieder Gerüchte, wo das Gold hin ist, das die Nazis erbeutet hatten. Und auch um Otto Skorzeny gab es Gerüchte, er sei an solchen Investitionen in Spanien beteiligt

gewesen. Von daher ist es durchaus möglich, dass er in dieser Hinsicht auch auf Mallorca aktiv war. Ob aber wirklich Nazi-Gelder in den Aufbau der Tourismusindustrie geflossen sind, ist nicht bewiesen. Und ich möchte betonen: Bei aller politischen Färbung des Krimi-Plots habe ich versucht, die Geschichte nicht völlig bierernst zu gestalten.

In einem Mallorca-Krimi auf Deutsch muss man immer wieder Aspekte des Insellebens erklären, was den Erzählfluss unterbricht. Wie sind Sie damit umgegangen?

Es ist eine Gratwanderung, da der Leser verstehen muss, wovon ich schreibe. Gleichzeitig wollte ich aber nicht ins Belehrende abgleiten. Meine Frau und später auch meine Lektorin haben mir einige Sachen rausgestrichen - zu Recht. Manches habe ich aber auch absichtlich dringelassen, wie etwa das Thema der ­Brötchen llonguets - ich finde den Kult ­faszinierend, der in Palma um diese Schrippen gemacht wird. Das wollte ich den Lesern ­näherbringen, die das noch nicht kennen.