Als das „Diario de Mallorca

Nun hat der Fotograf ein Buch mit den besten Bildern seiner Karriere herausgebracht. Es heißt: „Palma, un altre temps. 60 anys mirant Ciutat" (Palma, eine andere Zeit. 60 Jahre die Stadt im Blick) . Die meisten dieser Fotos sind entstanden, als er im Auftrag der Zeitung durch die Straßen der Stadt spazierte.

Herr Torrelló, Sie blicken in ihrem Buch auf 60 Jahre Palma de Mallorca

Nein, das hat damit nichts zu tun. Es ist ein Einblick in meine Arbeit als Pressefotograf. Es ist ein Buch, das ich schon immer machen wollte. Es sind Fotos, die keiner großen Erklärung bedürfen. Sie sprechen für sich selbst, zumindest hoffe ich das.

Sie haben 40 Jahre lang bei der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca

Es ist schrecklich groß, auch weil ich nie ein Negativ weggeworfen habe.

Konnten Sie sich an die Bilder erinnern, die Sie für Ihr Buch wollten?

Ich habe schon immer Kopien auf Papier von Bildern gemacht, die mir besonders gefielen. Die hatte ich aufbewahrt. Das Problem war eher, die passenden Negative dazu zu finden. Ich hatte rund 3.100 Fotos ausgesucht, die habe ich auf rund 320 reduziert. In der Endauswahl für das Buch musste ich auf die rund 120 runtergehen, die erschienen sind. Der letzte Schritt war besonders schwer.

Welche Kriterien legten Sie bei der Auswahl der Bilder an?

Ich hatte im Laufe meiner Karriere immer eine Maxime: Wenn ich das Bild in einer Stunde oder am kommenden Tag wiederholen könnte, ist es kein gutes journalistisches Bild. Ein Foto muss einen konkreten Moment erzählen. Und es muss überraschen. Sonst ist es einfach nur beliebig.

Die Arbeit eines Fotojournalisten war in den 60er-Jahren ganz anders als heute, nehme ich an.

Es ist kein Vergleich. Spanien war damals noch eine Diktatur. Es gab wenige offizielle Termine. Entweder der Gouverneur hatte einen öffentlichen Auftritt oder der Bischof. Das waren die beiden Autoritäten. Daneben gab es Informationen der Guardia Civil, etwa über Unfälle. Und eben Sportveranstaltungen. Ich war in den ersten Jahren der einzige Fotograf des „Diario de Mallorca". Ich war quasi rund um die Uhr im Einsatz.

Wurde das nicht zu viel?

Ach, Quatsch. Es war sehr entspannt. Wenn ich keine Termine hatte, sagte der Chefredakteur: „Geh raus auf die Straße." Also bin ich durch Palma spaziert. Stundenlang. Und habe nach Fotomotiven gesucht. Es waren sehr schöne Jahre.

Sind diese Bilder auch erschienen?

Ja, die Zeitung hatte damals eine eigene Sparte, in der meine besten Bilder mit einer etwas längeren Unterzeile veröffentlicht wurden.

Welche Rolle spielte die Zensur bei dem, was Sie zeigen konnten?

Ein Eingriff der Zensur war eigentlich kaum nötig. Es war klar, was man zeigen konnte und was nicht. Die Selbstzensur hat das geregelt. Aber ich habe alle Bilder natürlich behalten.

Wie haben die Leute auf der Straße damals reagiert, wenn sie fotografiert wurden?

Sie haben nicht reagiert. Ich habe ja auch nie 25 Bilder von einer Szene gemacht, sondern nur eines. Viele haben es nicht mal bemerkt. Man konnte viel machen, was heute nicht möglich wäre. Nehmen Sie etwa das Coverfoto meines Buches. Heute müsste man das Gesicht des Kindes verpixeln und würde Probleme bekommen, weil man die Beine der Frau fotografiert hat. Ich habe es nur einmal erlebt, dass sich jemand beschwert hat, weil ich ihn fotografiert habe.

Weswegen?

Im Sommer mussten wir Fotografen immer an den Flughafen, um zu sehen, ob wir irgendeinen Prominenten vor die Linse kriegen. Das war todlangweilig. Einmal schlug einer der Fotografen vor: „Wollen wir dem Mann da vorne die Promi-Nummer geben?" Also sind wir auf den Armen losgestürmt und haben ihn wie wild geknipst. Er hat sich ziemlich aufgeregt.

Wann hat sich dieses entspannte Leben als Pressefotograf geändert?

Der größte Wandel war sicherlich die Einführung der Digitalfotografie. Die geschah bei der Zeitung wortwörtlich von einem Tag auf den anderen. Bis dahin war die „Última Hora" die Zeitung mit den vielen Bildern und eher wenig Text. Das „Diario" ist dann nachgezogen. Das war irgendwann in den 90er-Jahren. Anstatt einem guten Foto, das ich pro Tag machen musste, hatte ich plötzlich um 12 Uhr mittags schon mehrere Termine absolviert. Es war, als wäre ich plötzlich Hochzeitsfotograf, kein Journalist mehr.

Sie sind 2003 in Rente

Nein. Ich fotografiere nie, auch wenn das die Leute überrascht. Ein Feuerwehrmann braucht nach der Pensionierung keinen Schlauch mehr, weil keiner ihn zum Feuer­löschen ruft. Und ich habe die Kamera nicht mehr in die Hand genommen.

Und das Smartphone?

Um Gottes willen. Die Handyfotografie hat meiner Meinung nach die Hobbyfotografie ausgerottet. Beim Fotografieren geht es darum, etwas zu erschaffen. Wenn man 700 Mal abdrücken kann, um eine Szene einzufangen, dann hat das nichts mehr mit Fotografie zu tun. Man studiert nicht mehr die Einstellung, bevor man abdrückt. Ich erzähle Ihnen eine Anekdote.

Gerne.

Neulich war ich mit Freunden in einem Restaurant. Am Nachbartisch war eine Frau, die mit ihrem Handy bestimmt 40 Fotos gemacht hat. Vom Teller, vom Tischtuch, vom Weinglas. Sogar eine Rückenansicht vom Kellner. Und ich dachte: Was macht diese Frau mit diesen Bildern? Das macht keinen Sinn.

Nur mal so zum Vergleich: Wie viele Bilder haben Sie pro Tag gemacht, als Sie durch die Straße von Palma spazierten?

Drei. Oder zwei. Oder gar keins.

Palma, un altre temps. 60 anys mirant Ciutat, von Joan „Torrelló" Llompart, erschienen im Verlag Dolmen, 120 S., 21,90 Euro.