So richtig begeistert ist Marcel Pich nicht von dem Begriff, der im Zentrum seines Buches „Les neofestes a Mallorca" steht (Die Neofiestas auf Mallorca, Verlag Lleonard Muntaner, 112 S., 13 Euro). „Neofiestas sagt man eigentlich nur, weil wir Menschen den Bedarf haben, den Dingen ein Etikett zu verpassen", betont er mehrfach im Interview. In der kürzlich erschienenen Artikelsammlung beschreibt er 17 Fiestas, die in den vergangenen Jahren auf den Dörfern hinzugekommen sind und große Popularität genießen. Sie sind ein bunter Mix aus Tradition, Satire und Popkultur. Feiern wie der Much in Sineu, die Clovelles in Petra oder der Carneval d'estiu in MallorcaSineuPetraCampanet

Herr Pich, wenn ich als deutscher Urlauber in ein Dorf komme, in der eine Fiesta stattfindet, wie erkenne ich, ob es sich um eine Neofiesta handelt?

Oha, das ist nicht so leicht zu beantworten. Ich glaube, man erkennt es am ehesten an der

Ästhetik. Die Neofiestas sind subversiver, und sie bauen aktuellere Elemente ein.

Sind bei solchen Fiestas nicht meist eher junge Leute anzutreffen?

Ja, aber das trifft auch auf traditionelle Fiestas wie etwa Sant Antoni zu. In den Gemeinden, in denen gefeiert wird, ist zwar Feiertag, aber viele Menschen arbeiten woanders und haben deshalb keine Zeit. Also bleiben nur die

jungen Leute.

In Ihrem Buch schreiben Sie, dass die Neofiestas häufig politische Elemente haben. Inwiefern?

Nun, ich glaube die Satire ist immer schon ein Teil der Fiesta-Kultur gewesen. Die Feste werden von Menschen gestaltet, und die drücken nun einmal aus, was sie bewegt.

Sind es politisch hauptsächlich linke Positionen, die da vertreten werden?

Eher solche, die man als mallorquinischen Nationalismus bezeichnen könnte. Da stehen Themen wie Ökologie, die Inselsprache und die Kultur Mallorcas im Mittelpunkt. Aber es handelt sich nicht um politische Feste oder gar

Kundgebungen.

Schließt man damit nicht Leute aus, die sich nicht mit diesen Positionen identifizieren?

Nein. Die nehmen trotzdem teil. Letztlich machen die politischen Aspekte nur einen kleinen Teil des Festes aus. Grundsätzlich würde ich diese Art Fiestas als sehr inklusiv bezeichnen. Jeder hat da seinen Platz.

Welche Rolle spielen ausländische Residenten bei den Neofiestas?

Beim Much in Sineu weiß ich von einem Deutschen, der sehr aktiv dabei ist. Er ist sicherlich nicht der Einzige. Es kommt halt drauf an, wie sehr sich die Leute am Dorfleben beteiligen. Das Interessante ist für mich eher, dass diese Fiestas touristisch kaum erschlossen sind, sie sind sehr mallorquinisch geprägt.

Bei den Mallorquinern sind diese Fiestas hingegen sehr populär.

Diese Feiern stellen ein Mallorca dar, das gefällt: selbstironisch, offen und einladend. Deshalb kommen auch Leute, die sonst mit der Dorfkultur nichts am Hut haben.

Gleichzeitig heißt es, dass manche Neo­fiestas wie der Much schon überlaufen sind.

Ja, es gibt schon Maßnahmen gegen diese Massifizierung - der Much findet jetzt etwa immer montags statt. Und natürlich gibt es auch auf Neofiestas Probleme mit Müll, mit sexuellen Übergriffen, mit Alkoholleichen, da muss man sich nichts vormachen. Aber dass die Bewohner eines Dorfes nicht wollen, dass andere zu ihrer Fiesta kommen, entspricht nicht der Realität.

Werden die Neofiestas irgendwann den Platz der traditionellen Feste einnehmen?

Das glaube ich nicht. Zumal viele Veranstalter da eine eindeutige Position haben: Sie machen es nur so lange, wie es Spaß macht. Und wenn das Fest einmal sterben soll, dann ist das halt so. Dann macht man eben etwas anderes.

Info

Neofiestas nehmen traditionelle Fiestas aufs Korn. Wo im Original Pferde sind, fahren nun Mopeds auf. Teufel gibt es auch, aber sie tragen Blumen im Haar und Piercings. Auch Schlachten werden ausgetragen - etwa wie in Sencelles mit Strohballen.

Die nächsten Termine:

4.8. Embala't, Sencelles

12.8. Much, Sineu

28.8. El Cosso, Felanitx

1.9. Schlacht Canamunt-Canavall, Palma de Mallorca