Die Bremer Gambistin Johanna Rose hat mit neun Jahren mit dem Cellospielen angefangen. Mit 17 hat sie dann zur Gambe gewechselt, die sie sowohl in Lugano als auch Mailand studierte. Ihr Studium schloss sie mit Ventura Rico am Conservatorio Superior de Música in Sevilla ab. Dort lebt sie jetzt seit über zehn Jahren und ist sowohl als Solistin als auch mit vielen verschiedenen Ensembles in der ganzen Welt unterwegs. Am 21. August tritt sie mit der Gruppierung Accademia del Piacere, das von Fahmi Alquai aus Sevilla gegründet wurde, beim Festival de Pollença auf Mallorca auf.

Wie würden Sie einem Laien erklären, was eine Gambe ist?

Sie ist ein sechs- oder siebensaitiges Instrument der Renaissance und des Barocks.

Woher stammt das Instrument?

Die Ursprünge lassen sich nach Valencia zurückverfolgen. Sie wurde aber auch in Frankreich, Italien, England und Deutschland gespielt. Johann Sebastian Bach hat drei Sonaten und Solostücke für die Gambe geschrieben. Die Gambe heißt Viola de Gamba, der Name ist Italienisch, auf Deutsch „Kniegeige", weil sie anders als das Cello keinen Stachel hat und man sie auf die Beine aufstützt. Da sie Bünde hat, ist sie auch als akkordisches Instrument zu benutzen und man kann Begleitungen damit realisieren. Es gibt eine ganze Gambenfamilie. Ich spiele die Bassgambe. Die Sololiteratur wurde hauptsächlich für die Bassgambe geschrieben. Aber es ist ein Instrument, das nicht standardisiert wurde. In Italien wurden ganz andere Modelle gebaut als in Frankreich und in Deutschland. Daher ist auch der Klang der Instrumente sehr individuell.

Was gefällt Ihnen an der Gambe besser als am Cello?

Es ist so relaxed zu spielen. Man nimmt sie ganz nah an den Körper. Es ist ein ganz anderes Gefühl. Außerdem gefällt mir der warme und sehr direkte Klang. Auch wenn es oft mit dem Cello verglichen wird, ist es ein ganz anderes Instrument.

Warum ist die Gambe ein unbekanntes Instrument?

Sie ist sozusagen einfach von den modernen Streichinstrumenten verdrängt worden. Mit dem Orchester kam eine andere Mode auf und es wurde ein ganz anderer Klang verlangt. Man brauchte viel stärkere Töne. Die Gambe hat einen sehr Oberton reichen Klang. Das passt nicht so gut ins Orchester. Zu der Zeit traten die virtuosen Geiger aus Italien in den Vordergrund. Ihre Kompositionen sind auf der Gambe nicht so leicht realisierbar. Die Sonaten von Carl Philipp Emanuel Bach aus dem Jahr 1759, die ich für mein erstes Soloalbum aufgenommen habe, waren zunächst die letzten Kompositionen für die Gambe.

Aber ganz ausgestorben ist sie offensichtlich noch nicht?

Nein. Auch jetzt werden wieder Stücke geschrieben. Seit 70 Jahren erlebt die Gambe eine Renaissance. Mit der Komponistin Hilda Paredes habe ich an einem ihrer Stücke mitgeschrieben. Sie hatte bestimmte Fragen, da es immer noch ein Instrument ist, dessen Einsatzmöglichkeiten viele Komponisten von heute nicht kennen.

Welchen Musikstil spielen Sie mit dem Ensemble Accademia del Piacere?

Die Gruppe interpretiert alle möglichen Stile der spanischen Barockmusik, also auch Fusionen mit Flamenco. Da bei dem Programm recht viele Gamben dabei sind, natürlich auch spezielle Gambenkompositionen.

Was erwartet die Besucher speziell auf dem Festival de Pollença?

Wir spielen Stücke von José de Nebra und Sebastián Durón. Das ist einfach ganz tolle Musik, die man gar nicht so gut kennt. Man bekommt nicht häufig die Möglichkeit, dieses Repertoire zu hören. Wir treten mit der Sängerin Núria Rial auf, mit der wir jetzt schon seit mehreren Jahren zusammenarbeiten. Sie interpretiert die Musik wahnsinnig gut und hat eine tolle Stimme. Da sie selbst Spanierin ist, ist es wirklich sehr authentisch. Das Programm mit ihr haben wir auch für die CD „Deutsche Harmonia Mundi", die im März rausgekommen ist, aufgenommen.

Wie bringen Sie diese alte Musik für das heutige Publikum auf die Bühne?

Für mich ist zum Beispiel die Musik des französischen Komponisten und Gambisten Marín Marais, die ich für meine letzte CD aufgenommen habe, sehr aktuell. Auch wenn sie vor mehreren Jahrhunderten in einer Welt der Aristokratie und voller Masken geschrieben wurde, thematisiert sie aktuelle Emotionen. So klar und so schön gespielt kann sich jeder damit identifizieren. Fahmi Alquai, der Gründer der Accademia del Piacere, schreibt auch ganz viele eigene Arrangements. Es fließt viel Eigeninterpretation mit ein, die natürlich auch immer sehr modern ist. Partituren des Barocks waren teilweisen nicht bis ins Detail niedergeschrieben. Sie sind viel freier als moderne oder romantische Stücke. Den Künstlern steht es teilweise offen, was sie spielen. Man kann viel hinzufügen. Das ist meiner Meinung nach eins der Dinge, die die Gruppe Academia del Piacere so speziell macht.