Es ist der 19. August 1907, als der Kleriker und Schriftsteller Antoni Maria Alcover in Berlin an eine Tür klopft. Es öffnet Miquel Capllonch. „Ein Mallorquiner, der hier seit über 20 Jahren als privater Musiklehrer arbeitet und sehr gut lebt", notiert Alcover - als Sprachforscher und Märchensammler das mallorquinische Äquivalent zu den Gebrüdern Grimm - später in ­seinem Reisebericht „Viatges a Alemanya i a ­altres nacions". „Das heißt, er muss ein hervorragender Lehrer sein. Seine vielen Stücke beweisen, dass er zudem ein inspirierter und ausgezeichneter Komponist ist."

Ein wenig hat ihn die Geschichte dennoch vergessen, diesen Miquel Capllonch, der 1861 als Sohn einer Familie der oberen Mittelschicht in Pollença zur Welt kam und der fast 30 Jahre in der deutschen Hauptstadt verbrachte. Zum Abschluss des Klassikfestivals von Pollença spielen der Pianist Miquel Estelrich und die Mezzosopranistin María José Montiel am Samstag kommender Woche (31.8., 22 Uhr) einige seiner und seiner Weggefährten Lieder.

Mit Stipendium nach Berlin

Capllonch zog 1884 mit einem Stipendium nach Berlin. Zuvor hatte er am Konservatorium in Madrid Klavier studiert.

Aus den geplanten zwei Jahren in Deutschland wurden knapp drei Jahrzehnte. Capllonch studierte unter anderem bei Karl Heinrich Barth und Heinrich von Herzogenberg an der Akademischen Hochschule für Musik, einem Vorläufer der heutigen Universität der Künste. Er freundete sich mit Künstlern und Intellektuellen an, etwa dem Architekten Franz Schwechten, der Pianistin Clara Schumann oder der Dichterin Carmen Sylva.

Der Mallorquiner machte sich schnell einen Namen als ausgezeichneter Klavierlehrer und unterrichtete unter anderem am Hof von Kaiser Wilhelm II. Einer seiner Schüler war ­Artur Rubinstein. Der spätere Weltstar erinnerte sich einmal wie folgt an seinen Lehrer: „Musik war ein absoluter Genuss für ihn, und er wusste mir das zu vermitteln."

Ein Vertreter der Romantik

Capllonch sei ein sehr extrovertierter Mensch gewesen, sagt der Pianist Miquel ­Estelrich, der vor einigen Jahren einen Band mit Partituren von Capllonchs Liedern veröffentlicht hat. „Diese mediterrane Leidenschaft hat er in ­seine eigentlich sehr deutsch geprägten Kompositionen gebracht. In seinem Werk war Capllonch durch und durch ein Vertreter der Romantik."

Viele der Lieder Capllonchs sind auf Deutsch, basieren auf Gedichten etwa von Elisabeth von Waldersee, August Ammann oder seiner Freundin Carmen Sylva. Allerdings komponierte der vielsprachig begabte Musiker auch zu Gedichten auf Katalanisch, Spanisch und Französisch.

Schönheit und Feingefühl

Capllonch war nie ein Visionär oder Avantgardist. „Er war nicht daran interessiert, neue musikalische Wege zu entdecken", schreibt etwa der mallorquinische Pianist Joan Moll. Stattdessen habe er sich wohlgefühlt damit, eine Musik zu schaffen, die allmählich der ­Vergangenheit angehörte, aber für ihn Schönheit und Feingefühl darstellte. Capllonch sei so zum „besten spanischen Komponisten der ­Romantik" geworden.

Die Mezzosopranistin María José Montiel lernte die Musik Capllonchs kennen, als sie 2010 zusammen mit Estelrich eine CD mit Werken mallorquinischer Komponisten aufnahm. „Capllonch hat außergewöhnlich gut für den Gesang geschrieben", sagt die Sängerin. „Seine Kompositionen vereinen sich mit den Gedichten, für die er die Musik schreibt. Text und Musik werden eine absolute Einheit."

Capllonch sei zu Unrecht in Vergessenheit geraten, sagt Montiel, die seit April Dozentin für Gesang an der Universität der Künste in Berlin (UdK) ist. „Ich war total schockiert, als ich dort in die Bibliothek ging und sah, dass nichts von Capllonch zu finden ist. Dabei war er doch Student an einer der Vorgängerinstitutionen der UdK." Bald sollen zumindest die von Estelrich zusammengetragenen Partituren verfügbar sein. Auch Montiels Schüler ­sollen mit seinen Stücken ihren Gesang verfeinern.

Beziehung zu Pollença

Capllonch verließ Berlin im Jahr 1912 und zog zunächst nach Madrid und Barcelona, bevor er sich 1920 wieder auf Mallorca niederließ. „Den Kontakt zur Insel hatte er allerdings nie abgebrochen", sagt Pere Salas, der Gemeindehistoriker von Pollença. „Auch in seiner Zeit in Berlin kam er häufig im Sommer auf die Insel, veranstaltete Gesprächsabende im Haus seiner Schwester und gab das ein oder andere Konzert." Eine besondere Beziehung hatte

Miquel Capllonch zum für seine Reformen bekannten Bischof von Palma Pere Joan Campins. Dieser setzte sich unter

anderem für den Einsatz des Katalanischen im Gottesdienst ein und beauftragte Capllonch mit der Komposition von neuen Kirchenliedern.

Capllonch starb 1935 in Pollença. Im Jahr 1961 ernannte ihn das Rathaus zum Ehrenbürger der Gemeinde. Die Gruppe von jungen Leuten, die sich für diese Auszeichnung eingesetzt hatte, gründete ein Jahr später das

Festival de Pollença.

Infos und Karten: festivaldepollenca.com