Joakim Eneroth hält rund fünf Meter vor der großen Fotografie eines Schwimmrings im Wasser an. „Siehst du, dass der Ring drei­dimensional wirkt?", fragt er. Tatsächlich scheint der Ring zu schweben. „Ich habe lange gebraucht, um diesen Hologrammeffekt bei einer Fotografie zu schaffen", sagt der 50-Jährige. Dann führt er seinen Zaubertrick vor. Er geht nach vorne und stellt sich hinter den Ring, der nun vor seinem Gesicht in der Luft hängt.

Der schwebende Ring ist ein cleverer Gag, der aber nicht von dem Umstand ablenken sollte, dass in Eneroths Ausstellung „Whispering Void" (Flüsternde Leere) sehr viel inhaltliche Recherche und Tiefe steckt. Um es grob zusammenzufassen: Eneroth präsentiert eine Art Best-of einer Trilogie, in der er sich damit beschäftigt, wie sich verschiedene Kulturen mit der Realität auseinandersetzen. Was ist die tatsächliche Wirklichkeit, was ist die erlebte Realität? Das sind die Grundfragen des Schweden, dessen Arbeiten unter anderem in der Tate Modern in London und den Deichtorhallen in Hamburg hängen.

Teil eins, den er im Jahr 2006 begonnen hat, handelt von den asiatischen Kulturen, Teil zwei von den westlichen Kulturen, und in Teil drei stellt er einen Vergleich über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede an. Eneroth kann lange über die verschiedenen Konzepte reden. Über Jahrhunderte alte Lehren, in denen es um das Ich und das Kollektiv geht, darüber, wie viele Bereiche des Unterbewusstseins es gibt und wo man sie findet. „Meine Mutter ist Psychotherapeutin. Ich habe diese Fragen mein ganzes Leben mit mir getragen", sagt er zur Erklärung.

Eine tiefe Stille

In der Ausstellung sieht man diese Erläuterungen nicht. Stattdessen präsentiert Eneroth die künstlerische Interpretation von all dem, was er gelernt hat. Es sind hauptsächlich Fotografien, die eine tiefe Stille transportieren. Viele Naturaufnahmen sind dabei oder Bilder von Orten, bei denen der Mensch in die Natur eingegriffen hat. Personen sind nur wenige auf den Bildern zu sehen. Das stete Surren der

Deckenlampen im Ausstellungsraum unterstützt unfreiwillig, aber effektiv den meditativen Charakter der Fotografien.

Dass er sich als Medium hauptsächlich für die Fotografie entschieden hat, ist eine weitere Ebene auf seiner Suche nach der Realität. „Fotos simulieren eine Realität, zumindest nehmen wir sie so wahr. Es ist eine Ebene, die etwa die Malerei nicht bietet."

Um die Verbindung zu seinen Recherchen herzustellen und den Betrachter zum Nachdenken anzuregen, gibt Eneroth jedem seiner Werke einen Titel . Zwei Bilder etwa zeigen traumhafte Ansichten von dem Meer vor den Malediven. Eneroth hat sie „Blinded by the Known" (Geblendet vom Bekannten) genannt. Er erklärt: „Natürlich sieht man das und denkt, es sei das Paradies. Aber wenn man einige Zeit da ist, dann gewöhnt man sich daran. Es ist nicht mehr aufregend." Ein anderes Foto zeigt einen Türspion. Der Titel lautet übersetzt: „Selbstbeurteilung".

Kondensierte Information

In anderen Arbeiten versucht Eneroth Information zu kondensieren. So zeigt er einen Teil eines Sofas und beschreibt im Titel, was dieses Möbelstück während einer mehrjährigen Beziehung alles mitgemacht hat. „507 Stunden Fernsehen schauen, 83 Brauner-Zucker-Kekse, 3 Mal Liebe drauf gemacht, eine Entscheidung, sich zu trennen."

Neben den Fotografien zeigt Eneroth in „Whispering Void" auch einige Skulpturen. Etwa eine, bei der eine Kugel durch elektromagnetische Schwingungen in der Luft gehalten wird. Oder eine andere, bei der eine Hand einen Luftballon loslässt. In gewisser Weise sind diese Werke einfacher in die Grundthematik der Ausstellung einzuordnen. Aber es fehlt ihnen auch die Poesie, die in den Fotografien liegt. Diese Unsicherheit, die einen zum Nachdenken bringt, über das, was man da eigentlich sieht und warum zum Teufel das irgendwas mit der Suche nach der Realität zu tun haben soll.

Information

Joakim Eneroth „Whispering Void"

CCA Andratx, S'Estanyera, 2, Andratx

Di.-Fr. 10.30-19 Uhr, Sa.-So. 10.30-16 Uhr

Eintritt 8 Euro

www.ccandratx.com, bis 1.3.2020