Der 26. Juli 1899 war ein Mittwoch. Für 9 Uhr morgens waren 28,6 Grad im Schatten angekündigt, der Wind wehte aus Südwest. Auf den Titelseiten der mallorquinischen Presse prangten Berichte über Massen­demonstrationen für die katalanische Unabhängigkeit in Barcelona - ein Konflikt, der Politiker und Journalisten schon seit Wochen beschäftigte. Für neun junge Männer aus Santanyí aber war das Wetter an diesem Tag deutlich interessanter als die Nachrichten vom Festland. Einen Monat zuvor hatten sie mit den Vorbereitungen für ihr Abenteuer begonnen, jetzt musste alles klappen.

Unterstützt von angeheuerten Seeleuten brachen sie von Cala Santanyí aus auf. Auf ihrem großen llaüt, einem Holzboot mit Lateinersegel, umfuhren sie ihre Insel gegen den Uhrzeigersinn. Zwölf Tage. Der Bericht dieses Törns, aufgezeichnet von Miquel Clar, einem der Männer an Bord, ist nun erstmals als Buch bei Gall Editor erschienen. Es sei der erste bekannte Bericht einer touristischen Erkundung Mallorcas durch Mallorquiner, so der Verlag.

Eine Lustreise

Es war ein Spaß, den man sich erst einmal leisten können musste. 55 Peseten streckte jeder der Teilnehmer vor - und das in einer Zeit, in der ein Feldarbeiter etwa 1,50 Peseten am Tag verdiente. Der Schatzmeister der Gruppe,

Llorenç Bonet, führte exakt über alle Einnahmen und Ausgaben der Expedition Buch, ebenso wie der Verwalter der Lebensmittel-vorräte, Marc Vidal.

Die Fahrt war eine absolute Lustreise. Es gab keinen wissenschaftlichen oder geografischen Hintergrund. Das mag auch der Grund sein, warum der Bericht in seiner häufig blumigen Sprache zwar eine hochinteressante Beschreibung der damaligen Insel darstellt, sich der Autor aber wenig Mühe gibt, alles haargenau zu dokumentieren. Miquel Clar schreibt über Ausflüge beim Landgang, über die Menschen, denen sie begegnen, über Streiche, die sie sich gegenseitig spielen, über Essen, Trinken und wo sie die Gottesdienste feiern.

Unbesiedelte Küste

Natürlich zeigt das Buch auf, wie unterschiedlich Mallorca zu der damaligen Zeit im Vergleich zu heute war. Bestes Beispiel ist etwa die Beschreibung der noch fast unbesiedelten Tramuntana-Küste. Allein Port de Sóller existierte als Hafen. Während der Reise machen sich die Männer Sorgen, ob sie es überhaupt bis dahin schaffen würden. Wäre ein Sturm aufgekommen, hätten sie kaum irgendwo sicher vor Anker gehen können.

Gleichzeitig beschreibt der Reisebericht auch ein Mallorca, das längst nicht so hinterwäldlerisch war, wie es manchmal über die Insel vor Aufkommen des Tourismus heißt. So nimmt der Anführer der Expedition, Nicolau Clar, während der Reise von Alcúdia aus den Zug nach Palma, weil er ein paar Erledigungen machen muss - ein Vorgang, über den mit absoluter Normalität berichtet wird. Die anderen in der Gruppe bleiben in Port d'Alcúdia, vergnügen sich derweil, lernen Frauen kennen und erkunden die Umgebung.

Das Buch zum Manuskript

Herausgegeben hat das Werk Sebastià A. Adrover, der die 88 Seiten Manuskript in einem Haus der Familie seiner Frau in Es Llombards, in der Gemeinde Santanyí, gefunden hat. Adrover hat daraus einen Prachtband gemacht. Neben den beiden etwas überkandidelten, teilweise esoterisch angehauchten und nur in Teilen informativen Einleitungstexten, bietet das Buch dem Leser noch andere Möglichkeiten, in die Materie einzusteigen. So hat Adrover nicht nur den Eintrag aufgetan, den die Männer bei ihrem Besuch in den Höhlen von Artà ins Gästebuch schrieben, sondern bei dem Pädagogen Sebastià Vidal auch einen langen, wissenschaftlichen Text über die historischen Zusammenhänge jener Zeit in Auftrag gegeben. Darin geht es auch um die damalige Mallorca-Literatur. Werke wie etwa George Sands „Ein Winter auf Mallorca" und „Die Balearen" von Erzherzog Ludwig Salvator waren schon erschienen, als die neun Männer ihre Reise unternahmen.

In einem weiteren ausführlichen Kapitel erläutert der Marineexperte Jaume Ferrando die Schifffahrt jener Zeit auf den Balearen. Und schließlich denkt sich der mallorquinische Bäckermeister und Konditor Tomeu Arbona auf Grundlage der Aufzeichnungen des Verwalters der Lebensmittelvorräte Rezepte aus, die die Männer an Bord zubereitet haben könnten. In dem Reisebericht selbst erwähnt Miquel Clar, dass man gemeinsam aß, sagt aber nicht, was auf den Teller kam. Arbonas Vorstellungskraft bleibt auf der sicheren Seite, was die typische mallorquinische Küche angeht: panades, trempó, ensaïmada, coca.

Unvollendet

Der Reisebericht ist nicht komplett erhalten. Bei Port d'Andratx hört das Manuskript auf. Das Buch des Schatzmeisters notiert noch Einkäufe in Palma. Aber es gibt keine Hinweise darauf, dass die Männer ihre Expedition hätten abbrechen müssen oder dass sie in Palma den Zug genommen hätten.

Der Band ist zunächst auf Katalanisch und Englisch erschienen. Eine deutsche Fassung sei in Arbeit, heißt es vom Verlag. Es ist ein Werk, das mit viel Leidenschaft gemacht worden ist. Und das beweist, dass auch aus einem manchmal ziemlich anstrengenden Text ein interessantes Buch entstehen kann.