Seit vergangener Woche zeigt die Galeria Roy in Felanitx (Plaça Pax, 6, bis 6.1.) Arbeiten von Hartmut Böhm, einem der wichtigsten Vertreter der konkreten Kunst. Der Journalist und Kunstkritiker Hans-Peter Riese hielt bei der Eröffnung einen Vortrag. Der gebürtige Siegener beschäftigt sich seit den 60er-Jahren mit dieser Kunstgattung.

Herr Riese, wie gehe ich als Betrachter ohne Vorbildung an konkrete Kunst heran?

Ganz einfach, man geht wie an jedes andere Bild heran: Gefällt mir das oder gefällt mir das nicht? Wenn ich das Kunstwerk besser verstehen möchte, kann ich analysieren, warum die Elemente auf dem Bild so verteilt sind, wie sie verteilt sind. Etwa bei Hartmut Böhms Bild mit den zwei Strichen (siehe Foto). Auf den ersten Blick ist das ganz einfach. Wenn Sie aber versuchen, die Striche anders zu platzieren, dann merken Sie schnell, dass das nicht geht. Das Bild ist dann unharmonisch. Das ist eines der Geheimnisse der konkreten Kunst: Die Elemente sind so verteilt, dass sie einer inneren Logik folgen.

Ist diese Kunst also eher ein intellektuelles als ein ästhetisches Erlebnis?

Nein, es ist beides. Zunächst ist es ein ästhetisches Erlebnis. Erst im zweiten Schritt wird es ein stark intellektuell kontaminiertes System. Dann muss man sich fragen, warum ist es so, wie es ist. Gleichzeitig spielt das bei der Kunst immer eine große Rolle. Wenn Sie ein Bild von Cézanne anschauen, sehen Sie vielleicht zunächst einen Berg in Südfrankreich. Aber darum geht es eigentlich nicht. Es geht um eine Anordnung von Farbflecken. Auch hier gibt es eine innere Logik.

Wenn Sie die beiden Striche auf Böhms Bild sehen - was erkennen Sie darin?

Es ist das Bemühen des Künstlers mit den einfachsten Mitteln, eben nur zwei Strichen, ein Gesamtkonzept in einem Bild herzustellen. Wenn Sie das Bild in der Ausstellung sehen, werden Sie sofort erkennen, es beherbergt eine große Harmonie. Es strahlt die Nachricht aus, dass etwas ganz in Ordnung ist.

Gilt das auch für Böhms Arbeiten mit Objekten?

Ja. In der Ausstellung gibt es eine Assemblage, bei der er Elemente aus seinem Büro und seiner Wohnung auf einer Fläche zusammengestellt hat. Auf den ersten Blick macht das wenig Sinn. Wenn Sie aber hinschauen, sehen Sie, dass diese Elemente genauso zueinander funktionieren wie die beiden Striche.

Hartmut Böhm hat sich nie an die Regeln der konkreten Kunst gehalten. Inwiefern?

Er hat immer etwas gefunden, was auf den ersten Blick nicht intellektuell nachvollziehbar ist. Beispielsweise eine Serie, in der er sich mit der Unendlichkeit auseinandergesetzt hat. Ich zweifelte, dass das ästhetisch umsetzbar sei. Er hat dann ein System gefunden, bei dem er gesagt hat: Das Unendliche kann man nicht darstellen, aber den Weg dahin schon. Indem man etwa ein Winkelelement vorgibt und zwei oder drei weitere Elemente so platziert, dass der Weg letztlich ins Unendliche führt.

Galeria Roy, Plaça Pax, 6, Felanitx, Do. 10-14 Uhr, Fr. 16-19 Uhr, Sa. und So. 10-14 Uhr, galeria-roy.com