Es muss im Jahr 2010 gewesen sein, als Tomeu Coll in der Nähe seines Hauses das tote Pferd fand. „Am Anfang hatte ich Symbole aus Mafia-Filmen im Kopf, das hat sich dann aber schnell gelegt", sagt der Fotograf lachend. Der Kadaver interessierte ihn trotzdem. Also beschloss er, den Verwesungsprozess fotografisch zu begleiten. Sechs Jahre habe es gedauert, bis nur noch die Knochen übrig waren.

Zum Zeitpunkt seines makabren Funds hatte Tomeu Coll schon vier Jahre lang in loser Folge Bilder gemacht, in denen er sich mit seiner Sicht auf Mallorca auseinandersetzte. „Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, was ich damit machen möchte", sagt er. 13 Jahre, um genau zu sein: Erst jetzt stellt Tomeu Coll seine Impressionen unter dem Titel „Badlands" aus. Der Titel ist ein Verweis auf das gleichnamige Roadmovie von Terrence Malick aus dem Jahr 1973.

Tomeu Coll zeigt sein „Badlands" quasi zeitgleich an drei Orten. Am Samstag (23.11.) wurde die Ausstellung in der Post Tyler Gallery in Köln eröffnet, am Dienstag (26.11.) im Kulturzentrum Casa Planas in Palma und am Freitag darauf (29.11.) in der CSF Adams/Krom Art Gallery in Rom. Die Ausstellungen sind ähnlich, aber nicht identisch. In Palma stellt Coll neben zahlreichen Fotografien auch Teile des Pferdeskeletts aus. „Für Köln und Rom fällt dieses Element natürlich aus. Aber ich habe andere Objekte gefunden, die ich in die Ausstellung integrieren werde."

Bekannt aus dem „Stern"

Dass Coll seine Arbeiten in Deutschland zeigt, ist kein Zufall. Der 38-Jährige hat dort bereits mehrere Reportagen veröffentlicht. Die bekannteste ist sicherlich eine Titelgeschichte im „Stern" über Mallorca im Jahr 2013: „Die dunklen Seiten der Ferieninsel". Die Reportage, die damals für Aufsehen sorgte, steht im direkten Bezug zur jetzigen Ausstellung. „Ich hatte dem ,Stern' einige Fotos aus der ,Badlands'-Serie geschickt. Daraufhin haben sie mich für die Mallorca-Story engagiert."

In der Illustrierten war damals ein kaputtes, drogenverseuchtes Mallorca zu sehen, mit Bildern aus Stadtvierteln wie Corea oder Son Banya. Auch die Schwarz-Weiß- Bilder in „Badlands" sind düster. Aber hier sind die Fotos weniger drastisch und wirken gemeinsam gar poetisch. Coll spielt mit Unschärfe, mit Licht und Schatten. Manche der Fotos sind eher still und nachdenklich, andere wirken wie einem Actionfilm entnommen.

Der Fotograf bestreitet, dass die Bilder düster seien. „Ich zeige meine Insel, so wie ich sie wahrnehme. Es geht mir nicht darum, ein ,anderes' Mallorca zu zeigen." Er stellt Menschen und Tiere, Natur und Stadt dar. Was er nicht zeigt, sind die typischen Mallorca-Orte. Es gibt hier keine Tramuntana, keine schöne Altstadt von Palma, keinen Ballermann und keine unberührten Buchten. „Ich zeige das Mallorca, das die größte Fläche der Insel einnimmt, wenngleich es wirtschaftlich keine besondere Bedeutung hat. Die Inselmitte, mit ihren Ruinen, mit ihrer Leere", erklärt Tomeu Coll. „Auf dieser Insel wird der Fokus sonst immer auf ganz bestimmte Orte gelegt. Ein Großteil wird vergessen."

Musikalische Inspiration

Die autobiografischen Elemente finden sich auch in den Protagonisten auf den Bildern. Colls Großvater ist ebenso zu sehen wie Morgan, ein Außenseiter in Colls Heimatdorf Sant Jordi. Er sei es gewesen, der den jugendlichen Fotografen und seine Freunde damals animiert habe, Musik zu machen. Neben seiner Fotografenkarriere ist Tomeu Coll auch für seine Band Misery Strings auf der Insel bekannt. „Eigentlich ist die Musik meiner Band der Soundtrack zu diesen Fotos." Die Gruppe spielt Folk-Musik mit Punk-Attitüde. 2011 veröffentlichte Misery Strings ein Album unter dem Titel „Adventures in Badlands".

Coll glaubt nicht, dass die Fotos in Köln und Rom anders auf die Betrachter wirken als auf Mallorca, wo es einen möglicherweise emotionalen Bezug zu den Abbildungen der Insel geben könnte. „Ich hoffe zumindest, dass es keinen großen Unterschied macht", sagt er. Die Bilder sollten für sich selbst stehen. „Die Ausstellungstexte wurden auch nicht von Mallorquinern geschrieben, sondern von einer Freundin aus Galicien und einer aus New York. Und beide haben verstanden, worum es mir bei dem Projekt geht."