„Salut, oh camp, oh nom de S'Allapassa,/dolç, arrecer on té pairal redós,/cinc voltes centenària, nostra raça. / Mon cant avui vol beneir el terròs/de tos gorets, que ha remogut l'arada/de l'avior que Déu tenga en repòs?€"

„Sei gegrüßt, oh Land, oh Name von S'Allapassa, / lieblicher Ort, wo unser Volk Zuflucht findet / seit fünf Jahrhundertwenden. / Mein Lied will heute die Erde deines Ackerlandes segnen, / das der Pflug der Nachkommen gepflügt hat,/denen Gott die Ruhe bewahren möge?..."

(Übersetzung: Cornelia Eisner für Walking on Words, walkingonwords.com)

Allapassa (auch Sa Llapassa geschrieben) ist ein flacher Landstrich in der Bucht von Llucmajor, hinter der heutigen Siedlung Tolleric. Bis Ende des 20. Jahrhunderts gehörte er der Familie der Dichterin Maria Antònia Salvà (1869-1958). Das Gedicht „Espigues en flor" (Blühende Ähren) entstand 1926, eben dort, im flachen, ländlichen Süden der Insel. Im weiteren Verlauf werden Salvàs Natur- und Heimatverbundenheit deutlich, und ihr Glaube. Ihre Naturgedichte waren einmal Allgemeingut auf Mallorca, denn sie trafen noch bis zu ihrem Tod 1958 den Nerv der Zeit: Es waren die letzten Jahres der agrarisch geprägten Insel. Dann kamen der wirtschaftliche Boom, die Internationalisierung Mallorcas, und die Gedichte galten als kitschig und langweilig. Die Fotos der Dame mit hochgeschlossenem Kleid, goldenem Kreuz auf der Brust und üppiger Hochsteckfrisur taten ihr Übriges: Salvà geriet in Vergessenheit.

Das soll sich jetzt ändern. Für das Jubiläum zum 150. Geburtstag - das sich bis 2020 erstreckt, denn Salvà wurde am 4. November geboren - hat sich die Kulturabteilung des Inselrats unter Bel Busquets eine Kampagne vorgenommen. Sie heißt „Pues i flors té el roserar" (Dornen und Blüten hat der Rosenstrauch) und besteht aus Lesungen, Workshops, Vorträgen und einer Ausstellung im Kloster Sant Bonaventura in Llucmajor, und sie hat viele Mitwirkende. Der Kunsthistoriker Jaume Bernat Adrover verweist zum Beispiel auf Salvàs Entdecker- und Reisefreude: „Sie machte Wanderungen auf den Galatzó, pilgerte nach Lluc, besuchte Pollença, ganz so wie der Erzherzog Ludwig Salvator, George Sand oder Gaston Vuillier." Die gewonnenen Eindrücke flossen dann in ihr Werk, ebenso wie die Erlebnisse, die sie 1907 während einer ausgedehnten Pilgerreise im Mittelmeerraum sammelte.

Auch die Literaturwissenschaftlerin Margalida Tomàs ist Salvà-Fan: „Sie hatte ein großes Sprachgefühl, ihre Gedichte erinnern an Goldschmiedearbeiten." Dazu kommen ihre Beobachtungsgabe, Arbeitsmoral und ein Schaffensdrang, der alles andere in den Hintergrund drängte. Den Zugang zu Mallorcas rein männlichen literarischen Dichterzirkeln musste sie sich zäh erarbeiten, fand letztlich Anerkennung und Förderer wie den Dichter Miquel Costa i Llobera oder den Verleger Francesc de Borja Moll, der 1948 ihr Gesamtwerk druckte. Lluis Segura, Leiter der Sprachabteilung im Inselrat, verkürzt die Situation der Dichterin folgendermaßen: „Sie musste zeitlebens gegen Klischees kämpfen."

Und Carme Castells, Leiterin der Dichterhausstiftung des Inselrats, bezeichnet sie als „wegweisend, denn sie war die erste katalanischsprachige Dichterin der Moderne." Die Stiftung organisiert für 2020 mit dem Rathaus von Llucmajor den musikalischen Dichterabend „Som tantíssimes. Maria Antònia Salvà amb les donzelles del nou segle" (Wir sind sehr viele. Maria Antònia Salvà und die Mädchen des neuen Jahrhunderts). Der Titel bezieht sich auf ein Gedicht von Salvà, in dem sie sich an die „Mädchen des Jahres 2000" wendet.

Auf ihre Weise war die Dame radikal. Einer Autorin, die Ende des 19. Jahrhunderts auf dem Land in der spanischen Provinz lebte und Gedichte auf Katalanisch schrieb, kann man nur reine Absichten unterstellen. Hätte sie nach Berühmtheit gestrebt, wäre sie wohl von ihrer possessiò im Grünen nach Barcelona gezogen. Doch sie blieb dem Flecken Erde und dem Lebensstil treu, die sie erfüllten und inspirierten. In ihren Memoiren schreibt sie: „Meine Leidenschaft für Verse und Lieder könnte man als angeboren bezeichnen. Meine Amme, die mit Spitznamen Flöte hieß, sagte immer, dass ich, als sie mich abstillte, schon einen großen Reigen an Liedern kannte."

Maria Antònia Salvà strebte nach Selbstverwirklichung. Erlauben konnte sie sich das, weil sie zu einer Familie gehörte, in der sich Bildung und Grundbesitz vereinten. Ihre Privilegien hat sie genutzt, um der Insel ein umfangreiches literarisches Werk zu hinterlassen, das vor allem eins ist: eine Hymne an Mallorcas Natur. Mittlerweile treffen ihre Zeilen wieder den Nerv der Zeit. Umweltschützer zitieren sie gerne, wenn sie zum Beispiel gegen den Ausbau von Straßen protestieren: Zuletzt im März auf der Baustelle zur neuen Schnellstraße Campos-Llucmajor.

Ledig und selbstbestimmt

Maria Antònia Salvà i Ripoll wurde 1869 als drittes von drei Kindern in Palma de Mallorca geboren und wuchs als Halbwaise bei Tanten auf dem Landgut Sa Llapassa in Llucmajor auf. Ihr Vater arbeitete als Anwalt in Palma de Mallorca. Die Schulzeit verbrachte sie in Palma de Mallorca, wo sie eine Klosterschule besuchte und Sprachen lernte. Schon als Jugendliche schrieb sie Gedichte, später arbeitete sie auch als Übersetzerin aus dem Provenzalischen, Französischen und Italienischen. Mit 16 Jahren kehrte sie zurück aufs Land nach Llucmajor, wo sie den Rest ihres Lebens verbringen sollte. Sie blieb unverheiratet und kinderlos. Ihren ersten Gedichtband „Poesies" publizierte sie erst im Alter von 40 Jahren. Es folgten „Espigues en flor" (Blühende Ähren, 1926) oder „El retorn" (Die Rückkehr, 1934), zuletzt 1952 „Lluna de pagès" (Bauernmond). Salvà schrieb auch Prosa: Die Memoiren „Entre el record i l'enyorança" (Zwischen Erinnerung und Sehnsucht, 1955) und den Reisebericht „Viatge a Orient" (Reise in den Orient, posthum 1998 publiziert). Als sie 1958 mit 88 Jahren starb, hinterließ sie ein großes dichterisches Werk, das großteils unveröffentlicht war. Bislang liegen ihre Werke nur auf Katalanisch vor.