Mitten im Stadtviertel Pere Garau von Palma de Mallorca befindet sich seit mehr als 25 Jahren einer der wichtigsten Verlage der Balearen - Lleonard Muntaner Editorial. Seit der Gründung 1994 hat der frühere Universitätsdozent und Inhaber eines Secondhand-Buchladens Lleonard Muntaner damit Hunderte von Büchern veröffentlicht. Heute ist der 67-jährige palmesano meist nur noch im Hintergrund tätig, und die wichtigen Entscheidungen trifft seine Tochter Maria Muntaner. Im Interview erklärt die 39-jährige Philologin, wie sich ein kleiner Verlag heutzutage im Haifischbecken der Großverlage durchschlägt.

Sie arbeiten nun seit 13 Jahren in Ihrem Familienbetrieb. Inwieweit unterscheidet sich Ihre Arbeitsweise von der Ihres Vaters?

Jeder Verleger setzt seine eigenen Schwerpunkte. Meinen Vater zeichnet eine ausgeprägte Vorliebe für Geschichte und Sozialwissenschaften aus, seine Doktorarbeit war über die xuetes, die Nachfahren der zum Christentum übergetretenen mallorquinischen Juden. Dieses Interesse spiegelte sich auch in unserem Verlagsprogramm wider. Meine Berufung liegt eher im Bereich der Literatur - daher setzte ich verstärkt auf Erzählungen, Poesie und Theater. Außerdem habe ich Übersetzungen internationaler Autoren ins Katalanische miteingebracht. Mir ist wichtig, dass der Verlag auch außerhalb der Balearen - überall dort, wo Katalanisch gesprochen wird - eine Rolle spielt. Seither liefern wir auch nach Katalonien und Valencia.

Ihr Vater veröffentlichte sehr viel. Sie gehen etwas strukturierter an die Sache heran.

Ja, mein Vater ist ein wahrer Büchernarr und veröffentlichte damals alles, was ihn begeisterte. Das konnte ein Buch über den spanischen Bürgerkrieg sein, direkt gefolgt von einem über xuetes. Wenn man damit beginnt, Bücher zu verlegen, sammelt man zunächst Erfahrungen, wie etwas läuft und probiert vieles aus. Oft sieht man erst nach Jahren, was richtig und was falsch war.

Wie hat sich der Buchmarkt in den vergangenen 25 Jahren auf Mallorca

Wir leben auf einer Insel, und deswegen ist der Vertrieb nach wie vor unser größtes Problem. Aber in den vergangenen Jahren haben wir uns sehr darum bemüht, dass unsere Bücher besser das Festland erreichen. Auch versuchen wir derzeit, direkt in Katalonien und Valencia Lesungen zu organisieren und mit dortigen Verlagen, Autoren und Übersetzern zusammenzuarbeiten.

Und in Hinsicht auf das Interesse der mallorquinischen Leser?

Mallorquiner lesen nach wie vor gerne über das, was uns als Mallorquiner ausmacht, über das, was uns verbindet, unsere Heimat. Was sich wirklich verändert hat, ist, dass wir im Allgemeinen alle weniger Zeit haben. Früher sind zum Beispiel umfangreichere Bücher gut gelaufen, heute greifen viele Leser lieber zu einem Band, der vielleicht nur 80 Seiten hat. Im Zeitalter von permanenter Ablenkung durch soziale Netzwerke ist es für viele schwieriger geworden, sich auf ein langes Buch zu konzentrieren. Dabei ist es wichtig, dass wir wieder lernen, das Lesen zu genießen und das Handy auszuschalten.

Wie werben Sie für Ihre Bücher?

Mir geht es da wie vielen anderen auch, die in der Kultur tätig sind: Pures Marketing ist für mich etwas Schreckliches. Natürlich stellen wir unsere Bücher vor und organisieren Lesungen, aber aggressive Werbung interessiert uns nicht. Mich persönlich schreckt sie sogar ab. Ich möchte eine Vertrauensbasis zu unseren Lesern schaffen - diese riesigen Werbekampagnen rufen bei mir eher Misstrauen hervor, weil dem Autor bei der Kampagne oft mehr Bedeutung zugeschrieben wird als dem Buch selbst. Mir ist es lieber, per Mundpropaganda auf ein Buch aufmerksam gemacht zu werden.

Welche Vor- und Nachteile hat es, einen Familienverlag zu führen?

Mein Vater, mein Bruder, der in der grafischen Gestaltung tätig ist, und ich reden natürlich ganz anders miteinander, als wir es mit einem Angestellten tun würden. Das ist auf der einen Seite ein Vorteil, weil wir ehrlich zueinander sind - kann aber auch zu Streit führen. Manchmal ist es nicht ganz einfach, Familiäres vom Beruflichen zu trennen. Aber da es ja unsere Berufung ist, als Verleger zu arbeiten, ist es auch ganz schön, bei Familientreffen immer wieder auf das Thema Bücher zu kommen. Und: Als Familienverlag genießen wir mehr Freiheiten. Ich kann ein Buch verlegen, auch wenn ich weiß, dass die Verkaufszahlen nicht sehr hoch sein werden - das kann ein Mitarbeiter in einem großen Verlag meist nicht, weil er Rechenschaft über die Verkaufszahlen ablegen muss. Wenn wir uns verkalkulieren und ein Buch nicht so läuft, wie wir gedacht haben, können wir dies meist mit einem anderen Buch, dessen Verkaufszahlen uns überraschen, ausbügeln.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Welchen Schriftsteller oder welche Schriftstellerin würden Sie gerne einmal verlegen?

Ein Wunsch, der aber wohl leider nicht in Erfüllung gehen wird, wäre, Iris Murdoch ins Katalanische übersetzen zu lassen. Mir gefallen ihre Bücher sehr und ich hatte auch schon einen guten Übersetzer für dieses Projekt im Auge. Leider ist uns ein anderer Verlag zuvorgekommen. Aber ich bin trotzdem froh, denn das Wichtige ist, dass Iris Murdoch übersetzt wird. Wenn du wirklich willst, dass etwas veröffentlicht wird, musst du auch großzügig sein und dich darüber freuen können, dass es den Lesern zur Verfügung gestellt wird. Etwas ganz anderes ist, wenn ein Verlag die Rechte auf Spanisch und Katalanisch gleichzeitig kauft, um das Werk dann sowieso nur ins Spanische und nicht ins Katalanische zu übersetzen - das nenne ich schlicht und einfach Blockieren.

Wie hoch ist die Auflage eines erfolgreichen Buches in Ihrem Verlag?

Eine normale erste Auflage eines Buches auf Katalanisch bewegt sich zwischen 300 und 500 Exemplaren, wobei es sehr darauf ankommt, über was für ein Buch wir sprechen. Ein Buch, das 12 Euro im Geschäft kostet, ist nicht das Gleiche wie eines für 40 Euro.

Würden Sie auch kommerziellere Literatur veröffentlichen? Etwa erotische Literatur?

Es gibt kein Thema, bei dem wir direkt Nein sagen - solange es gut geschrieben ist und uns gefällt. Aber wir suchen keine konventionellen Bestseller. Bücher, die schon so konzipiert sind, dass man sie in zwei Tagen herunterlesen kann - das ist nicht unser Ding. Wir suchen Literatur, die auch mal ungemütlich sein kann, die Konflikte aufzeigt - kontroverse Literatur eben. Natürlich verkaufen sich diese Art von Büchern nicht wie warme Semmeln, denn die meisten Menschen scheuen Konflikte. Aber das zeichnet uns als Verlag aus.

Welches Buch aus Ihrem Verlagsprogramm würden Sie unseren deutschen Lesern ans Herz legen?

Auf jeden Fall „39 graus a l'ombre" von der aus Santanyí stammenden Antònia Vicenç („39 Grad im Schatten, Elfenbein Verlag 2001, Anm. d. R.). Das Buch ist von 1968, aber schon damals schrieb Vicenç über ein Thema, das gerade jetzt wieder sehr aktuell ist: den Massentourismus. Wir haben es wieder aufgelegt. Vicenç versucht darin, auch die Sicht der Urlauber widerzuspiegeln, die auf die Insel kamen, um sich von den schrecklichen Erlebnissen des Krieges zu erholen.