Widerstand, Trotz, Angst, Verletzlichkeit und Melancholie, aber auch ungebrochene Lebensfreude: All diese Gefühle, die während der Krise in uns arbeiten, finden ein Ventil in der Musik. Ganz besonders in den Anti-Corona-Hymnen, die derzeit in Spanien und damit auch auf Mallorca vom Balkon geschmettert, völlig neu interpretiert oder in den sozialen Netzwerken gefeiert werden. Doch wo kommen diese Songs eigentlich her?

„Resistiré" (Version 2020)

Standhaft bleiben: Der Song „Resistiré" gewinnt in Spanien eindeutig das Rennen um die offizielle Hymne der Coronavirus-Krise. Das Lied war ursprünglich Teil eines 1988 erschienenen Albums der Pop-Band Dúo Dinámico, und gehörte zum Soundtrack des Films „Átame" von Pedro Almodóvar. Der Text passt so gut in die Zeit der Pandemie, als sei „Resistiré" eigens dafür komponiert worden.

Textbeispiele: „Wenn ich einsam schlafe", „Wenn die Ausgänge für mich verschlossen sind", „Wenn ich Angst vor der Stille habe" oder „Wenn die Welt all ihren Zauber verliert". Schließlich entlädt sich der Frust in einem hoffnungsvollen und eingängigen Refrain, dessen Quintessenz lautet: Was auch immer passiert, ich werde mich nicht unterkriegen lassen.

„Resistiré" hat sich spontan zum kollektiven Balkon-Hit entwickelt. Einen zusätzlichen Schub bekam das Phänomen jedoch durch den Radiosender Cadena100 und eine Benefiz-Aktion für die Caritas, bei der mehr als 50 Musiker gemeinsam eine Neufassung des Songs aufnahmen - darunter etliche Stars wie David Bisbal, Melendi, Manuel Carrasco, Rozalén, Vanesa Martín oder Álvaro Soler. Seit dem 1. April wurde das Musikvideo bei Youtube mehr als 17 Millionen Mal aufgerufen.

„Sobreviviré"

Ähnlich gelagert ist „Sobreviviré" („Ich werde überleben") von Mónica Naranjo. Das Lied war im Jahr 2000 auf dem Album „Minage" der spanischen Sängerin zu hören. Aktuell häufen sich unter dem Youtube-Video, das von der schrillen Ästhetik der späten 90er-Jahre geprägt ist, Kommentare wie „Das ist der offizielle Song für die Quarantäne" oder „Wir werden das Coronavirus überleben".

Auch in diesem Fall verleiht der Text vielen aktuellen Empfindungen Ausdruck: „Ich habe dieselbe Angst wie du" oder „Auf der Welt gibt es niemanden, der so zerbrechlich ist wie ich". Die wohl berührendste und gefühlvollste Interpretation des Liedes stammt von Sabina Sánchez Botaro aus Cádiz und begeisterte viele Menschen in den sozialen Netzwerken. Ihr Bruder filmte sie dabei, wie sie im Bademantel „Sobreviviré" vom Balkon in die Nacht hinaus sang, und teilte den Clip bei Facebook. Am Ende legt Sabina Sánchez all ihre Verzweiflung in die Zeilen „Auch wenn es schmerzt, ich will Freiheit" - und erntet viel Applaus von ihren Nachbarn.

„Tusa" (und Mercadona-Remix)

Der Partyhit „Tusa" von der kolumbianischen Sängerin Karol G. und der Rapperin Nicki Minaj hat auf den ersten Blick wenig mit der Corona-Krise zu tun. Vereinfacht gesagt geht es dabei um eine Frau, die in der Disco ihr Heil gegen Liebeskummer sucht. Wie dem auch sei: Das äußerst tanztaugliche Lied gehört derzeit zu den beliebtesten, die auf den Balkonen gespielt und mitgesungen werden.

Wer mit dem Originaltext nichts anfangen kann, mag vielleicht den Remix von Mercadona-Mitarbeitern aus Murcia: Das Video, bei dem die Angestellten eine Choreografie mit Klopapierrollen aufführen, um das Kassenband tanzen und singend darum bitten, dass wir zu Hause bleiben, ging bei Twitter viral.

„Calgary 88"

Auf Mallorca hat der Carrer Escola in Sa Pobla seit Beginn der Krise seine ganz eigene Coronavirus-Hymne: „Calgary 88" von der mittlerweile aufgelösten mallorquinischen Pop-Band Antònia Font. Das Lied spielt auf die Liebesgeschichte eines Eiskunstläufer-Paares bei den Olympischen Spielen 1988 in Calgary an, die im Anschluss heirateten.

In der Antònia-Font-Version vollführen sie ihre Sprünge zu dem Song „Atlantis is calling (S.O.S. for love)" von Modern Talking, was im Song explizit erwähnt wird. Dieter Bohlens Musik-Duo, das in der 80ern Erfolge feierte, ist nun also indirekter Bestandteil der Live-Konzerte mit Mikro- und Lautsprecher auf den Balkonen in Sa Pobla.

„Quién me ha robado abril?"

Aus offensichtlichen Gründen ist auch dieser Song wieder in Mode und wird vielfach bei Twitter geteilt: „Quién me ha robado el mes de abril" („Wer hat mir den April gestohlen?") von Alt-Rocker Joaquín Sabina.

Der melancholische Text aus dem Album „El hombre del traje gris" (1988) spricht vielen von uns aus der Seele: „Und wenn auf der Straße das Leben wie ein Hurrikan vorbeizieht, zieht der Mann im grauen Anzug einen schmutzigen Kalender aus der Tasche und schreit: ,Wer hat mir den Monat April geklaut??"

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