Wenn Not erfinderisch macht, dann ist Zirkusdirektor Tià Jordà so etwas wie der Daniel Düsentrieb der Kulturlandschaft von Mallorca. Sein Circ Bover aus Sineu hatte eine Pionierrolle in Sachen Anpassung an Corona-Bedingungen übernommen und im Sommer Erfolge mit der Show „Circ a la fresca" unter freiem Himmel gefeiert. Das eigens entwickelte Sicherheitsprotokoll diente in der Folge vielen nationalen Zirkuskompanien als Vorbild.

Nun sind die gesammelten Erfahrungen nützlicher denn je, denn die fünfte Ausgabe des Zirkusfestivals Circaire in Alcúdia steht an. Dank des ausgereiften Konzepts kann das Event aller Voraussicht nach stattfinden. Bei dem Festival, das vom Rathaus von Alcúdia und dem Circ Bover in Zusammenarbeit mit dem Instituto de Estudios Baleares, INAEM, dem Inselrat von Mallorca und dem Consorcio de la Ciudad Romana de Pollèntia organisiert wird, ist einiges anders als in den Vorjahren.

Die wichtigsten Änderungen

Bislang war Circaire ein Festival, das an einem einzigen Wochenende stattfand, mit rund 30 Shows in drei Tagen. „Im vergangenen Jahr haben wir die 20.000 Zuschauer überschritten. Dieses Format mit Menschenmassen ist 2020 natürlich absolut nicht durchführbar", sagt Tià Jordà im Telefongespräch. Stattdessen wird das Festival auf vier aufeinanderfolgende Wochenenden verteilt, vom 22.8. bis zum 13.9. Als Bonus gibt es am 1.10. noch eine Circ-

Bover-Premiere.

Die Spielstätten sind weniger geworden, darunter ist das Auditorium von Alcúdia und die Plaza de Toros, die Stierkampfarena. Je nach Ort und Show gibt es ein Zuschauerlimit, Karten können vorab online oder telefonisch reserviert werden. Während zuvor rund 85 Prozent der Vorstellungen kostenlos waren, müssen Besucher nun grundsätzlich einen Obolus von meist wenigen Euros entrichten. Diese zusätzlichen Eintrittsgelder sollen den sozialen Einrichtungen in Alcúdia gespendet werden.

Auch bei der Zusammenstellung des Programms spielte der soziale Aspekt eine wichtige Rolle: „Die Idee ist, balearische Künstler zu unterstützen, die sehr unter der Pandemie gelitten haben", erklärt Jordà. Das gelte besonders für Musiker, weshalb es mehr Konzerte gibt als sonst. Die Zusammenarbeit mit internationalen Zirkuskompanien sei schon früh auf kommendes Jahr verschoben worden, was das Risiko für kurzfristige Planänderungen verringert.

Das dafür vorgesehene Budget von rund 20.000 Euro fließt dieses Jahr vollständig in das Engagement balearischer Artisten. Ihnen ist mit dem 4. bis 6. September ein ganzes Wochenende gewidmet, an dem 13 Spektakel stattfinden. Der Qualität soll der neue Lokalfokus übrigens keinen Abbruch tun: „Circaire verpflichtet sich immer dazu, die Trends zu zeigen. Uns ist sehr wichtig, das Publikum darüber aufzuklären, dass es nicht nur den klassischen Zirkus mit Zelt und Tieren gibt, sondern auch den modernen und innovativen Zirkus", so Jordà.

Einige Highlights

Beim „Circaire balear" im September freut sich der Zirkusdirektor auf den menorquinischen, ges­tischen Clown Dudu Arnalot, der schon für den Circ du Soleil gearbeitet hat, besonders bei Kindern beliebt ist und sein fantasievolles Programm „MuT" zeigt (6.9., 17 Uhr, Hafen). Auch die aus Ibiza stammenden, international bekannten Clowns von Clownidoscopio kommen ohne Worte aus und haben eine neue Show im Gepäck („Refugi", 12.9., 21 Uhr, Auditorio).

Liebhaber traditioneller Kreisel kommen gleich zweimal auf ihre Kosten: Der Jongleur Guillem Vizcaíno tritt mit seiner Zirkuskompanie Atirofijo Circ auf und hat wieder eine neue Nummer mit seinen baldufes eingeübt („Poi", 5.9., 12.50 Uhr, Hafen). Konkurrenz macht ihm El Senyor de les Baldufes (22. und 23.8., 19 Uhr, Plaza de Toros), eine chilenische Kompanie mit Sitz in Barcelona: „Jeder Kreisel hat eine eigene Persönlichkeit, und es sind unglaubliche Jongliertricks", sagt Jordà.

Bei Kindern wie Erwachsenen beliebt sei der vielfach preisgekrönte galicische Künstler Xampatito Pato („Só", 12.9., 19 Uhr, Pont de la Vila Roja), der ein Chaos aus unzähligen Kisten bändigt und virtuos damit zu jonglieren versteht.

Manolo Alcántara („Déjà vu", 22.8., 21 Uhr, Auditorio) war schon bei der ersten Circaire-Edition dabei. Sein neues visuelles Spektakel mit Musik erforscht die Grenzen zwischen Traum und Realität. „Es ist eine große Ehre, ihn wieder hierzuhaben, denn er gehört zu den angesehensten Zirkuskünstlern Spaniens", so Jordà.

Ein weiterer Programmpunkt, den der Zirkusdirektor empfiehlt: „Peix" von der Kompanie Hotel iocandi (23.8., 20.30 Uhr, Pont de la Vila Roja). Ihre Show sei nicht nur sehr zirkuslastig und poetisch, sondern erzähle auch eine Geschichte von dem Tourismus geschuldeten Identitätsverlust der Insel.

Poetisch ist das Spektakel „Ex-Libris" (29.8., 21 Uhr, Auditorio) der Kompanie Voël, die Partnerakrobatik teils in großer Höhe zeigt, und dabei thematisiert, wie schwer es Bücher im digitalen Zeitalter haben. Seilakrobatik in einer intimen Show mit viel Interaktion zeigt das Paar Eia („Espera", 30.8., 20 Uhr, Pont de la Vila Roja), dem es laut Jordà (sinnbildlich) immer gelingt, das Publikum zu fesseln.

Ein etwas schräges Erlebnis dürfte eine Aufführung von Escarlata Circus werden. Bei „Devoris Causa" (4.9., 18 und

20.30 Uhr, 5.9., 18 und 21 Uhr, 6.9., 18 und 20.20 Uhr, Hafen) wird Zirkus mit Gemüse gemacht - eine Mischung aus Jonglage und Kochshow. „Dabei lassen wir jeweils nur 30 Personen in das kleine Zelt. Besonders Vegetarier und

Veganer werden ihren Spaß haben, denn das Programm ist sehr kritisch", verspricht Jordà. In jedem Fall findet bei Circaire wohl jeder etwas nach seinem Geschmack.

Das ganze Programm finden Sie hier.