Sie kann noch so sehr behaupten, eine ganz normale Frau von 22 Jahren aus Mallorca zu sein: Júlia Coloms Instagram-Account zeigt als neuesten Beitrag ein Video, in dem sie (völlig normal) zusammen mit dem bekannten irischen Singer-Songwriter Damien Rice im Wohnzimmer sitzt und Musik macht.

„Er war als Zuschauer bei meinem Konzert auf dem Festival Mallorca Jazz in Sa Pobla, danach haben wir uns für ein Abendessen und eine Jam-Session verabredet", erzählt Colom beim Treffen auf der Terrasse des Traditionscafés Ca'n Molinas in ihrem Heimatort Valldemossa.

Der Beginn einer musikalischen Karriere

Damien Rice ist bei Weitem nicht der Erste, der sich für sie begeistert: Die Nachwuchssängerin mit der sanften, dunklen und ausdrucksstarken Stimme machte zum Beispiel schon gemeinsame Sache mit dem Komponisten Miquel Brunet; der Inselrat von Mallorca organisierte ihr einen Auftritt in New York. Sie stand auf Bühnen in Spanien, Portugal, Frankreich, Deutschland, Schottland und Indien.

Und das, obwohl sie gerade erst ihr Studium an der Escola Superior d'Estudis Musicals (ESEM) in Barcelona mit Fokus auf Jazz-Gesang abgeschlossen und noch keine eigene CD veröffentlicht hat. Mit „Sempre dijous" (Immer donnerstags) entsteht derzeit sogar schon ein Dokumentarfilm über sie. Das Thema: der Beginn einer musikalischen Karriere.

Die ersten Lieder hörte sie von ihrem Großvater

Nun sitzt Colom, in sich ruhend, in ihrem weiß geblümten grünen Kleid unter einem Zitronenbaum und sagt: „Ich bin noch nicht an dem Punkt angekommen, an dem ich mich berühmt fühle. Es gibt Menschen, die ich sehr schätze und die mich unterstützen, das hat mir signalisiert: Júlia, du machst es nicht so schlecht."

Sie erzählt, wie sie die ersten Lieder von ihrem Großvater hörte, der Musik noch als wesentlichen Bestandteil des Lebens verstand. Wie sie selbst begann, sich immer mehr für das mallorquinische Liedgut zu interessieren, aktiv den Kontakt zu älteren Menschen zu suchen und von ihnen zu lernen.

Schon seit einiger Zeit sei es ihr ein Herzensanliegen, diese alten musikalischen Schätze zu heben und wieder lebendig werden zu lassen. „Jazz war für mich, als würde ich ein Universum mit unendlichen Möglichkeiten entdecken. Aber jetzt gerade führt mich das Leben mehr in Richtung der Tradition", erklärt Colom.

Selbstfindung durch musikalische Spurensuche

Für die junge Frau aus Valldemossa ist es ein Stück weit Selbstfindung: Mit einem Verständnis für die (musikalische) Geschichte ihres Geburtsortes sei es ihr möglich, bewusster in der Gegenwart zu leben. Trotzdem sei dieses traditionelle Repertoire nicht nur etwas für Mallorquiner: „In diesen Liedern stecken universelle Konzepte. Man muss nur hinhören: Die ursprüngliche Musik der Bauern ist wahrhaftig, die Lieder wurden aus der Not heraus gesungen." Auch das Publikum in New York habe dabei etwas gefühlt.

Colom ist sich durchaus bewusst, dass die folklorischen Elemente von Mallorca leicht romantisiert und kommerzialisiert werden können: „Mir ist es ein Anliegen, mein Liedgut zu schützen, damit es nicht von der Dynamik der Souvenirpostkarten vereinnahmt wird", sagt sie. Und man kauft es ihr ab.

Tiefgang und authentische Leidenschaft

Manch einer mag ihr mit Skepsis begegnen, weil sie so früh von so vielen Seiten gehypt und protegiert wurde. Doch man tut ihr damit Unrecht: Júlia Colom hat nicht nur Talent, sondern Tiefgang und authentische Leidenschaft. Es ist faszinierend, sie bei ihrer Balance zwischen Vergangenheit und Aktualität zu beobachten, die sie mit Leichtigkeit zu halten versteht.

So treibt ihre gerade erschienene erste Single „Ben a prop" (eine Eigenkomposition mit DJ Nin Petit, bei Soundcloud zu hören) völlig neue, elektronisch-poppige Blüten: „Das Lied entfernt sich von allem, was ich bisher gemacht habe, aber ich sehe darin kein Problem", sagt Colom. In diesem Fall ist nur der katalanische Text von der Insel inspiriert: „Er spielt auf viele sehr mallorquinische Dinge an, den Überlandbus TIB, die empanada im Supermarkt..."

Das erste eigene Album

Júlia Colom geht auch in der Musik ihrer Altersgenossen auf, hat ihr Handy 24 Stunden am Tag an, begeistert sich für Mode und sucht mit ihrer ästhetischen Bildsprache, auf Insta­gram ihre Musik zu unterstreichen. Nur das Thema TikTok entlockt ihr ein gequältes Lächeln, weil die einfach zu konsumierende Plattform in so krassem Widerspruch zu ihren eigenen Ambitionen steht: „Es ist ein Problem, dass uns alles auf diese Weise verabreicht wird", sagt sie. Denn so erreiche man nie mit irgendetwas Tiefgründigkeit. „Meine Musik verlangt auch mir selbst Anstrengung und Reflexion ab. Und sie ist dafür gemacht, dass sich auch die Zuhörer erst ein wenig hineinziehen lassen müssen."

Derzeit arbeitet Júlia Colom am ersten Album, das sie den traditionellen Liedern widmet, und nimmt jede Gelegenheit für Konzerte wahr, wie zuletzt Ende August bei einem Open-Air-Auftritt in der Reihe Nits d'estiu im noblen Hotel Predi Son Jaumell oder in Sa Pobla. Eine Woche zuvor lernte Colom eine Bäuerin von etwa 70 Jahren kennen, die ihr ganzes Leben bei der Arbeit auf dem Feld gesungen hatte. „Sie hat mir die Tür geöffnet, wir haben zusammen gesungen." Die Seniorin ließ sich überreden, gemeinsam a cappella ein Lied auf dem Jazz-Festival zu singen. Colom sagt: „In solchen Momenten passt für mich alles zusammen und ergibt einen Sinn."