Die 24. Nit de l'Art (Kunstnacht) in Palma de Mallorca glich in diesem Jahr keinem opulenten, abendlichen Buffet, bei dem man sich mit den anderen Besuchern um die besten Happen prügeln musste, sondern einem über mehrere Tage verteilten, leichten und abwechslungsreichen Menü.

Und wer vom 16. bis 19. September Appetit auf Kunst bekommen hat (oder den Termin verpasst hat), darf nachbestellen: Die Ausstellungen, die Teil des Kunstevents waren, lohnen schließlich noch weiterhin einen Besuch. Hier eine subjektive Auswahl.

Von Körpern und Perfektion

Beim Betreten der Galerie Pep Llabrés Art Contemporani blickt den Besucher von der gegenüberliegenden Wand eine mysteriöse Frau an. Die Protagonistin des Ganzkörper-Gemäldes mit dem treffenden Titel „Bizarre" trägt eine Zorro-Maske, und ihre Füße stecken in so schwindelerregend hohen Pumps, dass das bloße Hinsehen schmerzt. Einem historischen Fetischmagazin entsprungen, reiht sich die Dame bei den Sujets der Ausstellung "Una búsqueda infinita/An endless search" ein.

Die unterschiedlich großen Leinwände zeigen junge Frauen, die sich grausam anmutenden Prozeduren unterziehen, mit ausdruckslosem Gesicht oder eingefrorenem Lächeln an rätselhafte Apparaturen angeschlossen sind. Durch giftgrüne Farbe bekommt das Bild einer Beinmassage von einer Krankenschwester, die äußerst grob zupackt, einen unangenehmen Beigeschmack.

Und immer wieder: verhüllende Masken und fremde Hände. Die 1986 geborene spanische Künstlerin Cristina Toledo erforscht hier die diversen Machwerke, die dazu dienen, den (weiblichen) Körper zu verändern, damit dieser einem bestimmten, stets unerreichbaren Schönheitsideal entspricht. Dass die gemalten Motive alten Fotografien entstammen und Verfahren abbilden, die wir heute teilweise nicht mehr zuordnen können, macht die Werke umso verstörender - und dem Betrachter bewusst, dass sich zwar die Behandlungen im Laufe der Zeit geändert haben mögen, die damit verbundenen Absichten jedoch nicht.

Ordnung und Chaos

Der Machtanspruch der Leistungsgesellschaft, die unsere Körper zu formen, zu kontrollieren und zu optimieren sucht, ist auf andere Art und Weise das Thema der Ausstellung "...(passar, rebre, fer i desfer (...)" des spanischen Künstlers M Reme Silvestre (geb. 1992) in der Galerie Fran Reus.

Wer die Schau im Untergeschoss sehen will, muss sich zuerst die Schuhe ausziehen, um sich anschließend durch eine eigentümliche Installation zu bewegen: Eine Kunstnacht-Besucherin erinnerten die schwammigen blauen Fußmatten in Verbindung mit harten grauen Holzplatten, violetten, verschwommenen Drucken und verstreuten organischen Objekten an eine Mondlandschaft.

Tatsächlich geht es aber ums Molekulare: Der Künstler beschäftigt sich mit einer bakteriellen Hautkrankheit, von der meist Sportler betroffen sind. Sein Interesse gilt der Gegenüberstellung von Ordnung und Chaos, von Körpern, die wie Maschinen funktionieren sollen und die zugleich lebende Organismen mit all ihren Defekten bleiben.

Gegenwart und Tradition

Im Erdgeschoss widmet sich der deutsche Künstler Arno Beck (geb. 1985) einem anderen Dualimus: Seine Ausstellung "Delete History" stellt Gegenwart und Tradition, digital und analog gegenüber, indem sie Klassiker der Kunstgeschichte wie die Venus von Milo oder Michelangelos David gegen Figuren aus dem Videospiel "Street Fighter" (ihrerseits bereits "retro") kämpfen lässt.

Die vier Zeichnungen, umgeben von einer in Pixelästhetik gestalteten Wand, sind in einem langwierigen Prozess an einer analogen Schreibmaschine entstanden. Diese Vorgehensweise gemahnt an Zeiten, in denen es noch nicht so leicht möglich war, Fehler zu korrigieren. Und gerade diese langsame Arbeitsweise in einer immer schnelleren Welt ist es, die Beck fasziniert.

Vom Ruhe- und Krafttanken

Entschleunigung finden Kunstinteressierte auch in der Galerie ABA Art Lab. Dort ist die Ausstellung "Wald" aus der Hand des spanischen Künstlers Jaime Sicilia (geb. 1970) zu sehen. Die golden schimmernden Gemälde auf Holz mit einer Fotoemulsion sollen das durch den Wald gefilterte Licht greifbar machen.

Sicilia ließ sich hier von Wagners "Ring des Nibelungen" inspirieren: Siegfried, der gegen den Drachen kämpfen muss, findet im Wald Entspannung und ist verzückt von der Schönheit der Natur. "Die Schönheit stellt wieder her" ("La belleza repara") wird zum Leitsatz des Künstlers, der mit seinem romantisierenden Blick den Wald erhöht und als einen Ort wertschätzt, der uns Transformation, inneren Frieden und Wohlbefinden schenken kann.

Geborgen im Universum

Trost in diesen unruhigen Zeiten verspricht auch Leiko Ikemuras große interaktive Bronzeskulptur "Usagi Kannon" (jap. "Kaninchen-Madonna"), eine von mehreren ihrer Art, die im von der Galerie Kewenig genutzten Oratorio de Sant Feliu auf die Besucher wartet. Die hybride weibliche Figur mit den Tierohren, eine Synthese aus christlicher Ikonografie und buddhistischer Tradition, hätte keinen würdigeren Ort finden können. Sie erinnert an Tempelfiguren und ist für ihre 69-jährige japanisch-schweizerische Schöpferin eine Botschafterin der Hoffnung, ein Symbol des Lebens und der Fürsorge.

Milde lächelnd, doch mit Tränen, scheint sie liebevoll Anteil zu nehmen. Durch den vorn offenen Rock darf man sogar in die Skulptur hineinkrabbeln: Die Dunkelheit und die kleinen Löcher beschwören den Schutz und die Geborgenheit im Inneren des Universum herauf.