Auch Spione können eine künstlerische Ader haben. Ein Beweis für dieses Phänomen ist ­Tomás Harris, dessen Werke noch bis März 2021 in der Ausstellung „Tomás Harris, En­graver in Mallorca" im Kulturzentrum Can ­Balaguer in Palma zu sehen sind. Der gelernte Künstler galt im Zweiten Weltkrieg als Top­-Spion für den britischen Geheimdienst. Doch statt auch nach Kriegsende weiter für die ­Regierung zu arbeiten, ließ er sich in einem Haus in Camp de Mar auf Mallorca nieder und widmete sich dort fortan erneut der Kunst.

Die hatte der gebürtige Brite vor seiner ­Karriere als Spion im Namen Ihrer Majestät von der Pike auf an der Slade School of Fine Arts gelernt. Mit seiner Wissbegierde zog es ihn anschließend in das Familiengeschäft für Antiquitäten. Eine herausragende Sammlung von mehr als 2.000 Werken von Francisco de Goya führte ihn auf den Weg zu seiner eigenen ­kleinen Kunstgalerie, die „Tomás Harris Ltd.". Seine Schwester Enriqueta stellte ihm schließlich eines Tages Anthony Blunt vor, der sich ­später als ein Mitglied aus der Spionenbande „The Cambridge Five" entpuppte. Mit seiner Frau Hilda war Harris in dieser Zeit Gastgeber in ihrem Londoner Zuhause, das sich zum ­Treffpunkt von republikanischen Exilanten, Malern, Spionen und Antiquaren mauserte. Bereits 1935 war der Künstler zu Besuch auf der spanischen Insel Mallorca.

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, stellte Harris seine Leidenschaft für die Kunst zunächst in den Hintergrund. Er heuerte beim britischen Geheimdienst MI6 an und bewies als Führungsoffizier schließlich ein weiteres Talent: als gewiefter Spion. Mit dem spanischen Doppelagenten Juan Pujol (Codename: Garbo) kreierte er ein Netzwerk mit mehr als 20 Informanten, mithilfe derer Falschinformationen zur Irreführung des Oberkommandos der Nazis gestreut wurden.

Harris' Glanzstück als Spion war zweifelsohne die „Operation ­Fortitude", bei der er zusammen mit Garbo den Deutschen weismachen konnte, dass der Lande­platz der Alliierten Calais und nicht die ­Normandie sein würde. In dieser Zeit lernte Harris beim MI6 auch seinen Freund Kim ­Philby kennen. Dieser spionierte ebenso als Doppelagent für die Sowjetunion.

Nach Kriegsende konnte der Meisterspion endlich zu seiner Kunst zurückkehren. In seinem 1949 gekauften Haus in Camp de Mar entfachte seine Leidenschaft erneut, wobei die Orte zum Ausleben seiner kreativen Phasen zwischen der Insel und längeren Aufenthalten in der Londoner Garden Lodge wechselten. Zu dieser Zeit entstanden Gemälde, Keramiken sowie Glasmalereien. Ein Fokus seiner Werke lag dabei auf der Landschaft Mallorcas, der Berge und Bäume der Insel oder Menschen, die er einst kennenlernte. Seinem mallorquinischen Freund Josep Maria Coste widmete er sein Sammelwerk „Landscapes and Compositions". Darin zeigen sich Bilder seines Hauses in Camp de Mar oder Inselbäume.

Auf Mallorca entstanden die meisten seiner Werke, die durch Goyas ­Drucke inspiriert wurden. Harris' Lithografien, die neben Selbstporträts und Mallorca-Landschaftsbildern in der Ausstellung zu sehen sind, fertigte er mit dem Flachdruckverfahren. In ­seinen letzten sieben Jahren arbeitete er an dem Werk „Goya: Gravuren und Lithografien". Seine Vorliebe für den Künstler spürt man in dem zweibändigen Werksverzeichnis.

Doch so aufregend sein Leben war, desto spektakulärer war sein Tod: Kurz vor der Erscheinung des Kataloges kam Harris 1964 bei einem Autounfall in Llucmajor ums Leben. Seine Frau überlebte den Unfall und konnte sich den Unfallhergang nicht erklären. Auch die Polizei konnte keine technischen Fehler an dem Auto nachweisen. Die Vermutungen liegen nahe, dass jemand von seinen ehemaligen Freunden und sowjetischen Agenten etwas mit seinem Tod zu tun haben könnte. Fest steht, dass Harris auf Mallorca Spuren als Person und Künstler hinterlässt.