Gregory Kirchhoff ist erst 28 Jahre alt und hat schon einen beeindruckenden Start in die Filmbranche hingelegt: 2016 erntete er mit seinem Debüt "Dusky Paradise" als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent erste Lorbeeren beim Evolution Mallorca Im selben Jahr führte er Regie beim Film „Ostfriesisch für Anfänger" mit Dieter Hallervorden.

Seine neueste Produktion „Baumbacher Syndrome" erzählt die kuriose Geschichte eines TV-Moderators, der eines Morgens mit einer unheimlichen, tief vibrierenden Stimme erwacht und dem plötzlichen Rummel um seine Person entfliehen will. Der Film bildet den Schlussfilm des diesjährigen Evolution Film Festivals am 29.10. im Kongresspalast in Palma.

Was verbindet Sie mit Mallorca?

Ich bin teilweise auf Mallorca aufgewachsen, wir sind hierher gezogen, als ich zehn Jahre alt war und haben seitdem ein Haus für die Familie. Ich pendle eigentlich zwischen hier und Hamburg, wo meine Produktionsfirma sitzt. Dieses Jahr war ich sehr viel auf der insel. Es ist immer ein Hin und Her. Aber Mallorca bleibt der Ort, wo wir Weihnachten feiern und wo für die Familie eigentlich das Zuhause ist. Als Kind habe ich mit meinem jüngeren Bruder Filme in unserem Garten gedreht. Da begann ich das Potenzial der Insel zu erkennen. Etwas zog mich immer hierher, ich musste einfach auf Mallorca drehen. Und es passte auch zu den Geschichten, die ich erzählen wollte.

Sie haben mit ihrem Debütfilm „Dusky Paradise" 2016 den Evolutionary Island Award für den besten Spielfilm gewonnen, der auf Mallorca gedreht wurde. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit?

Es war definitiv schwer, aber dann auch wieder erstaunlich einfach. Wir waren eine kleine Gruppe enger Freunde, die entschied, diesen Film zu machen, egal wie viel es kostet und wie sehr wir gesponsert werden. Ich war erst 21 und wusste, niemand würde mir dafür Geld geben. Also starteten wir eine Crowdfunding-Kampagne und hatten dann ein Budget von 18.000 Euro für die Produktion. Das ist extrem wenig, um eine ganze Crew von Deutschland nach Mallorca zu bringen. Aber wir haben es irgendwie geschafft. Und ich hätte mir keinen besseren Start ins Filmemachen vorstellen können. Ich fühlte mich dabei wie zu Hause, wegen der beteiligten Menschen und wegen der Drehorte auf Mallorca.

Auch der neue Film „Baumbacher Syndrome" wurde teilweise hier gedreht, eine wesentlich größere Produktion. Im Film wird Mallorca aber nicht explizit genannt, er könnte überall spielen. Warum dann wieder die Insel?

Das hat viel mit der Geschichte im Film zu tun. Der Protagonist läuft von zu Hause weg, er flieht aus Deutschland, vor all der Aufmerksamkeit, die er plötzlich bekommt. Ich wollte, dass er zu einem unbekannten Ort flüchtet.

Viele Deutsche kennen die Insel aber sehr gut, hätte man da nicht vielleicht einen Wiedererkennungseffekt erwarten können?

Eigentlich schon. Aber wir waren mit dem Film auf vielen Festivals in Deutschland, und mit die erste Frage ist immer: Wo wurde gedreht? Als ich dann Mallorca gesagt habe, kam oft die Reaktion, dass sie das gar nicht etwartet hatten, weil es sich anfühlte wie ganz auf der anderen Seite der Welt. Es fühlte sich nicht so nah an wie Mallorca. Vielleicht zeigt das auch wieder, dass die Deutschen die wirklich schönen Seiten der Insel noch nicht entdeckt haben.

Also ist der Plan aufgegangen...

Ja, ich dachte, es ergibt Sinn, wenn auch die Zuschauer nicht wissen, wo sich der Ort befindet, um das Mysteriöse, Magische und Märchenhafte daran zu erhalten. Mallorca beim Namen zu nennen, hätte es entzaubert. Die ganze Geschichte ist nämlich inspiriert durch das Märchen „Die Schöne und das Biest" von Disney.

Wie das?

Ich habe bei einer Date Night mit meiner damaligen Freundin das Remake mit Emma Watson im Kino gesehen. Und ich habe mich in die Stimme des Biests verliebt. Ich fand sie so süß, sensibel und melancholisch, und gleichzeitig beängstigend. Dann bin ich aus dem Kinosaal gekommen, habe sofort meine Produzentin angerufen und ihr gesagt, dass ich irgendetwas mit so einer Stimme machen will, aber mit einem normalen Menschen. Das fand sie erst mal ein bisschen komisch und war nicht wirklich überzeugt. Dann habe ich im Laufe der folgenden Monate das Drehbuch geschrieben und sie hat gemerkt: Das ist eine richtige Geschichte und nicht nur ein Klamauk.

Was bedeutet die Veränderung der Stimme für den Protagonisten?

Die ganze Idee war am Anfang der simple Wunsch, etwas mit der Stimme zu machen. Als ich darüber nachdachte, dass ein normaler Mensch solch eine Stimme haben könnte, überlegte ich, was das mit jemandem machen kann. Ich habe mich darüber auch mit dem Hauptdarsteller Tobias Moretti ausgetauscht, und er sagte: Die Stimme ist etwas so Einzigartiges und Persönliches. Wenn sie sich in irgendeiner Weise ändert, ist das sehr bedeutsam und verändert dein Selbstbewusstsein. Ich wollte eine Person zeigen, die die Menschen in ihrem Leben schlecht behandelt und moralisch zum Teil ein sehr schlechtes Leben geführt hat. Das ist auch wieder eine Verbindung zum Märchen. Ich fand es interessant, dieses Thema „ein böser Mensch verwandelt sich in ein Biest" in einen modernen Kontext zu setzen. Ich glaube, es passt gut in die heutige Zeit, wo viele Menschen sich selbst und ihr Verhalten hinterfragen, mich eingeschlossen. Ich hoffe, dieser Film bringt die Zuschauer dazu, einen Moment innezuhalten und darüber nachzudenken:Wie habe ich mich verhalten und andere Menschen behandelt?

Bei Disney spielt die Schöne eine wichtige Rolle, erst durch sie wird das Biest zu einem besseren Menschen. Gibt es dazu eine Entsprechung im Film?

Ja, er trifft eine junge Frau, die auf einer faszinierenden Person basiert, die ich vor drei, vier Jahren selbst kennengelernt habe und die kein richtiges Zuhause hatte. Wir haben 24 Stunden miteinander verbracht, obwohl ich nicht mal ihren Namen wusste und wir keinen Kontakt ausgetauscht haben. Sie hat mich zu der Figur inspiriert. Die Verbindung und Freundschaft, die der Protagonist zu ihr aufbaut, beeinflusst ihn sehr auf seinem Weg. Es ist aber keine romantische Beziehung.

Wie kam es zur Rollenvergabe an den österreichischen Schauspieler Tobias Moretti, der mit der Fernsehserie "Kommissar Rex" bekannt geworden ist?

Tobias Moretti war von Anfang an mein Wunschkandidat, er ist ein grandioser Schauspieler. Wir haben gedacht: Wer weiß, ob er das macht? Vor allem hatten wir wieder ein sehr kleines Budget. Aber er hat sofort zugesagt. Ich habe ihn in seinem Haus in Innsbruck getroffen, wir haben uns wunderbar verstanden und beschlossen: Wir machen das zusammen. Er meinte auch, dass er noch nie so einen Low-Budget-Film mit einem kleinen Team gemacht hat. Es war für ihn eine super schöne Zeit und Erfahrung.

„Baumbacher Syndrome" ist der Schlussfilm des Evolution Film Festivals. Freuen Sie sich auf das Event?

Es ein bisschen schade, dass es nur 60 geladene Gäste im Publikum sind, normalerweise wären es 500 Zuschauer gewesen. Aber das ist okay. Ich finde es genial, dass sie es mit dem Festival trotzdem durchgezogen haben. Diese Denkweise „Es muss weitergehen, wir müssen das Kino unterstützen" ist wichtig.

Wird es den Film in absehbarer Zeit wieder zu sehen geben?

Es gibt ihn noch nichts im Streaming, daran arbeiten wir noch. Ich habe auch überlegt, ob es spannend wäre, auf Mallorca noch einen eigenen kleinen Release zu machen, wo man mit den lokalen Kinos redet. Der Film könnte ja schon auf Interesse stoßen, weil er auf Mallorca gedreht wurde. Aber das sind alles noch vage Pläne.

Gibt es schon konkrete Pläne für den nächsten Film?

Ich habe ein Projekt, das ich sehr gerne hier machen würde. Gerade bin ich dabei, das Drehbuch zu schreiben, es geht mehr in eine etwas futuristischere Richtung, mit einem kleinen Science-Fiction-Element dabei. Es gibt auch schon tolle Schauspieler, die ein Interesse daran haben. Und es ist für Mallorca geschrieben, für die Orte, die ich hier kenne - vor allem die Natur. Ich merke, dass das bisher ein wichtiger Bestandteil meiner Filme war, und das wird auch bei diesem so sein. Und dafür ist Mallorca einfach ein Traum.

Das Interview basiert teils aus Antworten, die Kirchhoff während der Pressekonferenz am 28.10. gab, und teils auf dem darauffolgenden persönlichen Gespräch mit der MZ.