Dezenter Räucherstäbchen-Duft und eine Vielzahl von Klängen erfüllen den Raum auf Mallorca: der mal sanft, mal intensiv bis ins Mark nachhallende Gong. Die Töne von Quartz-Klangschalen, einer Shrutibox und der gezupften Langhalslaute Tar aus dem Iran, das sanfte Geräusch einer Wellentrommel. Imitiertes ­Vogelzwitschern und ätherischer Gesang.

Dazu bewegen sich an diesem Mittwochabend Frauen verschiedenen ­Alters auf dem Holzboden, passen sich den ständig wechselnden Rhythmen an. Sie ­lassen sich von ihren eigenen Impulsen lei­ten - und von der Stimme des Tänzers Tomeu ­Gomila (52), der sich geschmeidig durch den Raum gleiten lässt und dabei eine große Ruhe ausstrahlt. Hin und wieder gibt er Instruk­tionen: Versucht, mit allen Knochen den ­Boden zu berühren. Entspannt die Augenpartie, haltet die Lider halb geschlossen. Lasst ­euren liegenden Körper wie eine Welle von ­einer Seite zur anderen rollen.

Früher war der Kreativraum privat

Der Kurs „Dance Experience & Sound Vibration" ist Gomilas ganzer Stolz. Er ist Teil eines am 18. September gestarteten Angebots im Zentrum Es Clot den Font, das sich im unteren Teil seines Hauses in Lloret de Vistalegre befindet, am Ende eines rumpeligen Feldwegs.

„Den Raum gab es bereits als Kreativ- und ­Produktionsraum einer Kompanie und einer Gruppe von Privatpersonen, aber nun ist er ­öffentlicher", erklärt Gomila. Er selbst ist eine Referenz für Tanz und Theater auf Mallorca, wirkte an etlichen Produktionen mit und ­hatte 1997 mit der Tänzerin Andrea Cruz die ­erfolgreiche Kompanie Au Ments gegründet.

Persönliche Entwicklung, Heilung und Kreativität

Bestens mit den Künstlern der Insel vernetzt, hat Gomila nun verschiedene Lehrer eingeladen, die ihr Können in Kursen weitervermitteln. Über das Konzept sagt er: „Es geht nicht nur um Tanz. Ich nenne es nicht gern ­holistisch, aber alles steht im Zusammenhang mit Wachstum, persönlicher Entwicklung, Heilung und Kreativität", sagt er.

Das Angebot in dem Raum, zu dem auch der Garten des ­Geländes gehört, wo Übungen draußen stattfinden können, richtet sich an ein internationales Publikum (in der Regel wird Englisch ­gesprochen, Gomila kann auch Deutsch) und vor allem an Menschen aus der Umgebung.

Das Programm kann sich noch ändern

Noch können sich kleine Änderungen im Programm ergeben, auch eine Onlinepräsenz ist derzeit in Arbeit. Nach aktuellem Stand steht auf dem Stundenplan zum Beispiel zeitgenössischer Tanz mit der jungen Tänzerin ­Naroa Galdos, afro-zeitgenössischer Tanzunterricht mit Carlos Santos, ­Musical-Theater auf Englisch für Kinder mit ­Elisabetta Monacelli oder spielerisches Tanztheater für Kinder mit Andrea Cruz, das so gar nichts mit diszipliniertem Balletttraining zu tun hat.

Das Yoga-Angebot ist mangels Interesse vorerst weggefallen, dafür ist als letztes noch ein Kurs hinzugekommen, der inhaltlich etwas aus der Reihe tanzt: Hip-Hop. „Die Leute wollen das", sagt ­Gomila, und muss dabei ein wenig schmunzeln.

Workshops und Seminare am Wochenende

Neben dem wöchentlichen Unterricht seien in dem Raum auch Events und kleine Konzerte denkbar, das Projekt könne sich noch in viele Richtungen entwickeln. Auch sollen Workshops und Retreats am Wochenende zu verschiedenen Themen das Programm ergänzen. Den Anfang machte „Dance Experience & Sound Vibration" als Intensivkurs und „Feminity dance and Burlesque", weiter geht es mit Seminaren zu Objekttheater sowie Yunani-Medizin, einer Art Ayurveda aus dem Nahen Osten.

„Es wird auch in Richtung ­Garten, Permakultur und Selbstversorgung ­gehen", sagt Gomila. Denn auch in diesem Bereich kennt sich der Tänzer aus; einen Beweis liefert die große Zahl prächtiger frisch geernteter Tomaten auf seinen Küchenregalen.

Sich intensiv mit dem eigenen Körper verbinden

Für einige außergewöhnliche Programmpunkte des regulären Angebots zeichnet die 1984 in Iran geborene, vielseitige Künstle­rin Pegah Khoei verantwortlich, die auf der ­Insel vom Lockdown überrascht wurde und ­schließlich auf Mallorca blieb. In „Finding your authentic voice" vermittelt sie jeden Donnerstag einen Zugang zur eigenen Stimme, bei dem es nicht um schönen Gesang geht, sondern vielmehr um Öffnung und eine tiefer ­gehende Erfahrung. Auch gibt sie freitags ­gemeinsam mit Ricard Jiménez eine „Sufi whirling session" mit Livemusik. „Wenn man sich darauf einlässt, kann das zu einer dyna­mischen Meditation werden", sagt Khoei.

Zusammen mit Tomeu Gomila und der ­kolumbianischen Gong-Virtuosin Yenny ­Faisulier bildet sie das Trio der „Dance Expe­rience & Sound Vibration". Die beiden Frauen sind für den Part der Töne und Vibrationen zuständig, die dabei helfen sollen, tiefer einzutauchen und sich intensiver mit dem eigenen Körper zu verbinden. „Der Gong entspannt sehr, man gelangt durch die Töne mit dem Geist an einen neutralen Punkt und spürt ein Vorher und Nachher", sagt Faisulier.

Erstmals ein therapeutisches Element beim Tanz

Dieses Projekt sei für alle drei etwas Neues, betont Gomila. Für den Tänzer ist es das erste Mal, dass er ein therapeutisches Element hinzufügt. Denn der Kurs zielt nicht auf choreo­grafierte Bewegungen ab, bei denen es ein ­Richtig oder Falsch gibt, sondern um geführte ­Im­provisation, die mehr mit Meditation zu tun hat: Die Teilnehmer sollen ganz bei sich bleiben, mehr fühlen als denken. Dabei spüren sie im besten Fall, wo in ihrem Körper Stress und Verspannungen sitzen und lösen Blockaden auf. „Die Leute kommen dabei auch ganz schön ins Schwitzen", sagt Gomila.

Manchen Menschen falle es schwerer loszulassen, besonders am Anfang: Man schielt noch auf die anderen, vergleicht sich vielleicht oder schafft es nicht, den Kopf frei zu machen. Doch Khoei und ­Faisulier, die alles vom Rand aus miterleben, ­beobachten stets, wie sich die Teilnehmer ­immer wohler in ihrer Haut fühlen. So auch diesmal am Ende der zwei Stunden: Die Atmosphäre ist gelöst, nach intensiver Bewegung breitet sich eine tiefe Ruhe im Körper aus.

Information: Es Clot den Font, Cami des Clot den Font, Lloret de Vistalegre, Spendenbasis (15 Euro pro Session empfohlen), Kontakt unter Tel.: 653-62 10 09