Gerade einmal 33 Jahre alt, aber schon 23 eigene CDs veröffentlicht: Jazz-Pianist Marco ­Mezquida aus Maó auf Menorca kennt nur Volldampf. Selbst im Jahr der Corona-Krise, in dem viele Musiker und andere Kulturschaffende kaum wissen, wie sie ihr tägliches Brot verdienen sollen, ist Mezquida gut im Geschäft. Vor wenigen Wochen hat er seine bislang letzte neue Platte veröffentlicht: „Talismán“, ein elf Stücke umfassendes Album, das er gemeinsam mit seinen derzeitigen „Weggefährten“, wie er die beiden weiteren Mitglieder seines Trios nennt, aufgenommen hat und mit dem er am Samstag (28.11.) im Rahmen des Jazz Voyeur Festival im Trui Teatre in Palma gastiert. Zuvor stand er für ein Telefoninterview mit der MZ zur Verfügung.

Sie setzen auf dem Foto zum Artikel einen leicht provokanten Gesichtsausdruck auf. Sind Sie etwa ein Rebell?

Ich würde eher sagen, ich mache ein verführerisches Gesicht. Und das ist es auch, was ich von meiner Musik verlange: Musik muss die Menschen betören, sie in ihren Bann ziehen. Dafür mache ich das Ganze ja.

Wie machen Sie das konkret? Interagieren Sie viel mit dem Publikum?

Vor allem schätze ich es, wenn die Musik für sich allein spricht. Da muss man nicht die ­ganze Zeit Action auf der Bühne machen. Manchmal ist es auch die Stille, die die Musik dann atmen lässt. Aber hin und wieder nehme ich das Mikro in die Hand und spreche mit dem Publikum. Ich erzähle dann Anekdoten oder Hintergründe zu dem Stück. Manchmal stößt man mit Worten noch einmal in andere Sphären vor.

Worum geht es bei „Talismán“, das Sie ja auch auf Mallorca spielen werden? Soll das Album zum Glücksbringer der Menschen in diesen Zeiten werden?

Ein bisschen hoffe ich das schon. Es sind vor ­allem positive, fröhliche, lebensbejahende Stücke auf der CD. Lieder, die von der argentinischen Folklore und der aus der Mittelmeerregion inspiriert worden sind, aber auch von der klassischen Musik. Ich will den Leuten mit dem Album eine Freude machen in diesen schwierigen Monaten.

Machen Sie vor allem für sich oder für Ihr Publikum Musik?

In erster Linie für mich selbst. Ich muss das einfach tun, ich kann gar nicht anders. Das ist meine Kreativität, die muss raus. Wenn man dann das Glück hat, dass den Menschen das auch noch gefällt, was man da produziert, dann ist das natürlich ein Hauptgewinn. Ich für meinen Teil mache Musik vor allem für mich, ohne jetzt ständig an das Publikum zu denken.

Das scheint zu funktionieren. Andere Musiker haben in diesem Jahr kaum Konzerte, Sie reisen Woche für Woche durch das Land und treten auf.

Klar ist das eine tiefe Krise momentan. Aber ich habe in den vergangenen Jahren geschafft wie ein Irrer und gemeinsam mit meinem ­Manager die Kontakte zu vielen Festivals geknüpft und gehalten. Seit zehn Jahren arbeite ich ununterbrochen und bin in dieser Zeit ständig neue Projekte angegangen. Ich fühle mich ein bisschen wie ein Chamäleon, das immer wieder in neue Rollen mit anderen Partnern schlüpft. Das zahlt sich jetzt aus. Aber auch ich spüre natürlich den Rückgang der Auftritte. Im vergangenen Jahr hatte ich 150 Konzerte. Wie viele es dieses Jahr sind, habe ich noch nicht gezählt, aber es werden auf jeden Fall deutlich weniger. Ich hatte immerhin zwischen März und Juni keinen einzigen Auftritt wegen des Lockdowns. Es stimmt aber, dass ich seit dem Sommer wieder sehr aktiv bin und einige Konzerte absolviert habe.

Sie waren in diesem Jahr auch schon zweimal auf Mallorca, unter anderem bereits am 1. Juli im Museu Es Baluard. Wie war das Gefühl, in einer neuen Normalität wieder fast von vorne zu beginnen?

Dieses Konzert werde ich wohl nie mehr vergessen. Es waren wirklich viele Leute da, sie ­saßen alle sehr weit auseinander und alle ­hatten eine Maske auf. Das hat mich sehr be­eindruckt. Man konnte zwar kaum in die Gesichter der Menschen schauen, aber man hat gemerkt, dass sie die Musik brauchen. Dass sie die Leute auf andere Gedanken bringt.

Haben Sie das Gefühl, die Menschen hören seit dem Lockdown mehr Musik?

Ganz klar. Der Musikkonsum hat deutlich zugenommen. Die Musik hilft, abzuschalten und sich zu entspannen. Und Livemusik bei Konzerten natürlich erst recht.

Spüren Sie diese verstärkte Nachfrage auch bei den CD-Verkäufen?

Leider nicht so deutlich, wie es eigentlich sein müsste. Vor allem hat die Nutzung von Streaming-Diensten, wie etwa Youtube oder Spotify zugenommen. Die Bezahlung dort spottet allerdings jeglicher Beschreibung. Was wir Musiker von den Diensten bekommen, ist empörend. Die Online-Plattformen missbrauchen die Künstler. Aber sprechen wir nicht weiter darüber, da bekomme ich nur schlechte Laune. Das Positive ist, dass man sich auf diese Weise neues Publikum erschließen kann, das dann vielleicht zu den Konzerten kommt.

Welche Musik hören Sie zu Hause? Laufen den ganzen Tag Ihre Alben?

Ich höre eigentlich fast alles, von Liedermachern über Klassik bis hin zu Pop. An den vergangenen Abenden habe ich einmal Skrjabin gehört, am nächsten Tag Mozart, dann wieder die Beatles und dann eine Brahms-Sinfonie. Und manchmal höre ich natürlich auch meine Platten, das lässt sich nicht vermeiden.

Und wie handhaben Sie es mit Reggaeton? Verteufeln Sie das?

Nein, keineswegs. Ich mag die Latino-Musik sehr gern, beispielsweise Juan Luis Guerra. Ich stehe der aktuellen Musik aufgeschlossen gegenüber und bin neugierig, was gerade angesagt ist. Ich hege etwa eine tiefe Zuneigung zu Rosalía, die ich auch persönlich kenne.

Marco Mezquida, Trui Teatre, 28.11., 21 Uhr, Karten ab 16,50 Euro unter mallorcatickets.com