Die Geschichte von John Arthur „Jack" Johnson ist filmreif - und dennoch kennen sie nur die wenigsten. Der US-Amerikaner war Anfang des 20. Jahrhunderts der erste schwarze Boxweltmeister im Schwergewicht. Den viel größeren Kampf musste der Texaner aber gegen seine rassistischen Mitbürger bestreiten. Jack Johnson ist ein Held, könnte man meinen. „Doch er hat es nie zum Idol der afroamerikanischen Gemeinschaft gebracht", sagt Armando Buika. Der Mallorquiner - ein Bruder des Politikers Guillem Balboa und der Sängerin Concha Buika - spielt den Boxer in dem Stück „El combat del segle" von Denise Duncan, zu sehen am Wochenende im Teatre Principal (28./29.11., Katalanisch). Und er hatte mit der Figur so seine Probleme.

„Er war ein Rebell", beschreibt Buika den Boxer. Mit sechs Jahren brach Johnson die Schule ab, um im Hafen zu arbeiten und Geld für seine Eltern, ehemalige Sklaven, zu verdienen. Kurz vor der Jahrhundertwende startete er mit 16 Jahren seine Boxkarriere. Der von der harten Arbeit gestählte Körper war perfekt dafür. Als „Gigant aus Galveston" machte sich der knapp 1,90 Meter große Athlet in afroamerikanischen Boxkreisen einen Namen. In dem Sport herrschte die Rassentrennung. Die „weißen" Boxchampions waren sich zu fein dafür, gegen einen Schwarzen anzutreten.

In erster Linie ist da Weltmeister James „Jim" Jeffries zu nennen, der im Theaterstück vom Deutsch-Spanier Alex Brendemühl (bekannt aus deutschen Fernsehserien und dem Mallorca-Film „Yo") dargestellt wird. „Ich habe oft extreme Figuren wie Nazis gespielt. Manchmal habe ich die Nase voll, dass ich wegen meines Nachnamens, den hellen Augen und dem kantigen Gesicht stets der Bösewicht sein muss. Auf der anderen Seite ist diese Figur aber auch wichtig, um die Botschaft zu übermitteln", sagt der Schauspieler.

Erst als der unbesiegte Jeffries in den Ruhestand ging und der Gürtel an den Kanadier Tommy Burns überging, erhielt Johnson 1908 eine Chance auf einen WM-Kampf. Der Afroamerikaner hatte keine Probleme. Ein Polizist brach den Kampf nach der 14. Runde ab, angeblich um zu verhindern, dass ein Schwarzer einen Weißen k.?o. schlägt. Viele weiße Boxfans konnten sich nicht damit anfreunden, dass ein Afroamerikaner „ihren" Sport dominiert. Sie holten ihre Legende Jeffries aus der Rente zurück. „Der lebte zurückgezogen auf einem Bauernhof. Die Presse stilisierte ihn zur großen weißen Hoffnung. Die Botschaft war klar", sagt Buika. „Es war einer der ersten weltweit übertragenen Kämpfe, ein Rassenkampf. Es ging darum, dem Schwarzen den WM-Titel wieder abzunehmen."

Doch Jack Johnson war ein anderes Kaliber. Jeffries, der für den „Jahrhundertkampf" 45 Kilogramm abnehmen musste, hatte gegen ihn keinerlei Chance. „Selbst zu meinen Hochzeiten hätte ich ihn nicht besiegen können. Ich hätte ihn nicht schlagen können. Nein, nicht einmal in 1.000 Jahren", soll der Boxer im Anschluss an die Niederlage gesagt haben. Erneut beendete die Polizei den Kampf. Johnson wurde zum Sieger erklärt. „Ich frage mich, wie er das überlebt hat", sagt Buika. „Es gab sicherlich Millionen Weiße, die den Ring stürmen und ihn hätten lynchen können."

Der Ausgang des Duells ist zwar auch im Theaterstück vorherbestimmt, der Ablauf des Kampfes aber variiert. „Wir haben keine Choreografie, sondern improvisieren jedes Mal", sagt Buika, der selbst auf jahrelange Boxerfahrung zurückgreifen kann, aber nie einen richtigen Kampf bestritten hat." Sein Gegenüber ist hingegen Neuling. „Ich habe für einen anderen Film zwar mal einen Monat trainiert, das war aber alles wieder weg", sagt Brendemühl, der sich für die Rolle von seinem Kollegen und einen Boxtrainer anleiten ließ. „Ich kenne Armando zwar jetzt gut, dennoch ist jeder Kampf eine Überraschung. Eine dicke Lippe oder eine leichte Gehirnerschütterung ist hin und wieder dabei", sagt er.

Trotz des Titels steht der „Jahrhundertkampf" in dem Stück nicht im Mittelpunkt. „Es geht um Siegen, Versagen, Träume zu leben und wie man mit seinen Dämonen zurechtkommt. Wir springen in der Zeit und fokussieren uns auf die drei Jahre, die Johnson in Barcelona verbracht hat", sagt Brendemühl, der den Boxer als eine komplexe Figur beschreibt, der Shakespeare las und selbst schrieb. „Er war dennoch ein schlechtes Vorbild", sagt Buika. Johnson rauchte, trank Alkohol, nahm Drogen, war Stammgast in Bordellen und nutzte Frauen aus. „Daher hatte ich auch Probleme, mich in der Rolle zurechtzufinden. Ich bin nicht so", sagt Buika.

Johnson kassierte für den Sieg gegen Jeffries 117.000 US-Dollar Preisgeld. Er konnte sich alles leisten, was er wollte. Er verprasste sein Geld in Sportwagen und Frauen. Nur die Akzeptanz der weißen Bevölkerung konnte er nicht kaufen. Da seine Gegner ihn nicht im Ring besiegen konnten, zerrten sie ihn vor Gericht: Jack Johnson war der Erste, der infolge des sogenannten Mann-Acts verurteilt wurde, eines Gesetzes, das es verbot, Minderjährige für „unmoralische Zwecke" in einen anderen Bundesstaat zu bringen. Johnson sollte wegen seiner Beziehung zu seiner minderjährigen Freundin und späteren Ehefrau ins Gefängnis.

Er floh nach Europa. „Ein großer schwarzer Mann, der sich auffällig kleidet - in Barcelona war er ein Star", sagt Buika. Seinen Frauengeschichten war das zuträglich. Die Schattenseiten aber rissen nicht ab. Seine erste Frau beging Selbstmord. „Es heißt, Johnson habe sie dazu getrieben, aber das ist wohl ein Mythos", sagt Buika. 1920 kehrte er schließlich in die Vereinigten Staaten zurück und stellte sich der einjährigen Haftstrafe.

Immer wieder sieht sich Armando Buika in dem Stück mit den übelsten Schimpfwörtern konfrontiert. „An manchen Stellen ist es echt hart. Die Texte sind Originalzitate. In den Proben mussten wir hin und wieder pausieren. Alex kam dann zu mir und fragte: Bist du okay?", erzählt der Darsteller. „Diese Beleidigungen sind für mich eine Reise in die Vergangenheit. Auch mich hat man früher verdammter Neger beschimpft und mir gesagt, dass ich zurück in mein Land soll."

Guillem Balboa, der Bruder des Schauspielers ist ein Anführer der Anti-Rassismus-Bewegung auf Mallorca, die sich im Juni mit einer Demonstration der „Black Lives Matter"-Bewegung angeschlossen hat. „Ich finde jedoch, dass man das differenzieren muss", sagt Armando Buika. „In den USA bringen sie die Schwarzen um. In Europa müssen wir uns zwar unseren Platz in der Gesellschaft suchen, aber keine Angst um unser Leben haben." Was es sehr wohl gebe, sei Alltagsrassismus. „Ich habe ein Büro in einem besseren Stadtteil in Madrid. Manche Nachbarn wollen nicht mit mir in den Aufzug steigen. Bei der Wohnungssuche wurde mir schon die Tür vor der Nase zugeschlagen."

Auch Brendemühl hat sich durch das Stück mit Rassismus beschäftigt. „Bei einer Vorstellung waren nur schwarze Zuschauer da. Ich habe gemerkt, welche Energie die Beleidigungen auslösen." Nach der Aufführung habe er zu Buika gesagt: „Lass uns gemeinsam rausgehen. Nicht dass mir jemand noch meine Rolle übel nimmt."

Jack Johnson gilt bis heute als einer der besten Schwergewichtsboxer aller Zeiten. „Seinen Stil hat später Muhammad Ali übernommen. Der hat auch während der Kämpfe hin und wieder einer hübschen Frau zugezwinkert", sagt Buika. Johnson starb 1946 bei einem Verkehrsunfall. Der Legende nach soll ihm zuvor in einem Schnellimbiss wegen seiner Hautfarbe der Eintritt verwehrt worden sein. Daher düste er erzürnt mit seinem Sportwagen davon, verlor in einer Kurve die Kontrolle und krachte gegen einen Telefonmast.

Der frühere US-Präsident Barack Obama erwog, den Boxer posthum zu begnadigen, sah dann jedoch wegen der Misshandlungen von Frauen davon ab. 2018 begnadigte ihn schließlich Donald Trump. „Dabei ging es darum, Obama eins auszuwischen. Dass ausgerechnet er einen Schwarzen begnadigt, war ein Tiefschlag", sagt Armando Buika. Mittlerweile wird die Figur von Jack Johnson wiederentdeckt. Der US-Sender HBO dreht gerade eine sechsteilige Serie über ihn.