Balearisch, praktisch, gut? Obwohl es naheliegend erscheint, dass eine Filmproduktion auf Mallorca und den Nachbarinseln auch auf ortsansässige Schauspieler zurückgreift, geschieht genau das bis heute viel zu selten. „Wir sitzen da und kriegen die Jobs nicht, und die drehen in unserem Vorgarten. Mit Darstellern, die theoretisch auch wir sein könnten", sagt Tara Marie Amaury. Die ­unter anderem aus „Der Untergang" oder „Soko Stuttgart" und „Soko Leipzig" bekannte Schauspielerin, die selbst zwischen Mallorca und Deutschland pendelt, hat diesem Problem nun etwas entgegengesetzt: die Plattform balearic-actors.org.

Die Idee sei schon vor rund einem Jahr durch ein Gespräch mit Lucy Allen, der Casting­direktorin der Krimiserie „The Mallorca Files", aufgekommen. „Sie hat gesagt: Eigentlich braucht ihr nur eine Datenbank. Denn wir ­wissen ja nicht, wo ihr steckt." Die offene Suche sei mühselig, der Service von Castingbüros kostspielig - Amaury betont, dass ein übersichtliches und ansprechendes Suchportal letztlich allen in der Branche nützt. Die Produktionen käme es günstiger, lokal verfügbare Talente zu engagieren, denen weder Flug noch Hotel bezahlt werden muss. „Und die Mallorquiner werden aus meiner Sicht am meisten profitieren, weil sie selten von einer Agentur vertreten sind", sagt die Schauspielerin. „Aber da gibt es tolle Leute!"

Events zum Netzwerken

Für die Plattform verantwortlich zeichnet der im September gegründete Non-Profit-Verein „International Casting & Acting Network Mallorca", kurz I.CAN, dessen Ziel es ist, Caster und Schauspieler auf der Insel zusammenzubringen. Amaury, die außerdem die Schauspielschule „Institute for Acting Mallorca" (I.AM) leitet, ist die Präsidentin. Bis Jahresende können sich Schauspieler kostenlos für die Datenbank registrieren.

Wenn sie dabeibleiben möchten, müssen sie ab 2021 dem Verein I.CAN Mallorca beitreten und einen Jahresbeitrag von 79 Euro entrichten. Damit sollen regelmäßige Veranstaltungen wie Vorträge, Panels und Workshops ­finanziert werden, an denen Vereinsmitglieder entweder gratis oder zu einem Vorzugspreis teilnehmen können. „Ein Bonbon ist, dass sie auf Balearic Actors vertreten sind. Das andere Bonbon, dass sie auf Events, die wir organisieren, aktiv netzwerken können", sagt Amaury.

Etappenziel: 100 Mitglieder

Der Startschuss für die Plattform fiel im Rahmen des Evolution Mallorca International Film Festival im Herbst, bis jetzt haben sich (Stand 25.11.) an die 60 Schauspieler angemeldet. Als Etappenziel schweben der Vereinsgründerin 100 Mitglieder vor, was geschätzt etwa der Hälfte der professionellen Schauspieler auf den Balearen entspräche. Dann wäre der Moment gekommen, um mit der Website auch aktiv an Castingdirektoren und Produktionen weltweit heranzutreten.

Amaury ist überzeugt, dass Schauspieler von den Balearen punkten können, wenn sie denn erst einmal gefunden wurden: „Hier ist Diversität und Dreherfahrung da, ganz klar", sagt sie. Selbst für größere Hauptrollen in internationalen Produktionen gebe es durchaus geeignete Kandidaten. „Natürlich gibt es hier auch einen Til Schweiger und ein paar Stars. Wir werden schauen, dass wir auch sie auf die Datenbank bekommen, um dem Ganzen ein bisschen mehr Glamour zu verleihen", so Amaury. Doch vor allem gehe es um die etwas kleineren Rollen, die lokalen Darstellern in Zukunft nicht mehr entgehen sollen.

Ein gutes Jahr für den Film

Pedro Barbadillo, der Leiter der Mallorca Film Commission, zeigt sich begeistert darüber, dass jemand das Zepter in die Hand nahm: „Wir finden die Plattform Balearic Actors sehr interessant, denn sie gibt Schauspielern, die auf den Balearen arbeiten, mehr Sichtbarkeit und einen größeren Stellenwert", sagt er. Die Mallorca Film Commission werde auf ihrer Website auf die Plattform aufmerksam machen und auch an den geplanten Events mitwirken. „Das ist eine großartige Initiative und einer der Wege, wie balearische Talente von dem Wachstum profitieren können, das die audiovisuelle Produktion auf nationaler und internationaler Ebene derzeit auf Mallorca erlebt", so Barbadillo.

Denn filmisch gesehen war es ein gutes Jahr auf Mallorca, teilweise sogar mit mehr Drehs als im Vorjahr. Und womöglich ist jetzt ein besonders günstiger Moment dafür, dass die Schauspieler ihre Kräfte bündeln: „Produktionen, die normalerweise an Orten wie Südafrika drehen würden, überlegen sich derzeit, ob sie wirklich das gesamte Team so weit reisen lassen wollen", erklärt Amaury. „Es wird zunehmend kleiner, näher und europäischer gedacht, weil es so einfach weniger Probleme, Beschränkungen und Überraschungen geben kann." Deshalb falle nun offenbar noch häufiger die Entscheidung für Mallorca.

Tara Marie Amaury ist zudem überzeugt, dass immer mehr aus ihrer Zunft auf die Idee kommen, auf der Insel zu leben und weltweit zu arbeiten, so wie sie selbst. Und ein wachsender Filmmarkt mache natürlich eine gute ­ Infrastruktur vonnöten. Mit Balearic Actors strebt sie nach einer Win-win-Situation für alle und sagt: „Das ist auch etwas, das ich der Insel zurückschenken möchte. Denn ich fühle mich so gesegnet, dass ich hier sein darf."