Kann man als Künstlerin zu gut für einen Kunstpreis sein? Beim Premi Ciutat de Palma Antoni Gelabert d'Arts Visuals 2020 auf Mallorca offenbar schon: Alicia Framis, die Künstlerin mit der besten Bewertung im Rennen, muss trotz der Glanzleistung aufstrebenden Nachwuchskünstlern den Vortritt lassen. Doch der Fall ist verwickelter, als es zunächst schien.

Susy Gómez, selbst eine bekannte Künstlerin der Insel und Jurymitglied bei dem Kunstpreis, hat deswegen am Samstag (12.12.) auf ihrem Instagram-Profil mitgeteilt, dass sie als Jurorin offiziell zurücktritt. Dazu vergab sie unter anderem die Hashtags "malapraxis" (üble Praxis), "culturalimpia" (saubere Kultur) und "nomecallo" (Ich werde nicht schweigen). In einem Eintrag vom Sonntag schrieb sie: "Transparenz. Gegen die Künstlerin mit den meisten Punkten auf der Auswahlliste für die Austellung des Preises hat ein Veto bekommen."

Framis hatte die drei ersten Plätze belegt

Miquel Àngel Contreras, Generalkoordinator für Kultur im Rathaus, erklärte gegenüber der MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca", dass die Jurymitglieder sich uneins gewesen seien. "Der Rest der Jury war der Auffassung, es sei besser, Nachwuchskünstler zu fördern, die dabei sind, in der Kunstwelt Fuß zu fassen, und sie (Gómez, Anm.d.Red.) war nicht einverstanden."

In einer ersten Phase hatte die Jury 1.150 eingereichte Kunstwerke über die digitale Plattformen Mundoarti mit Punkten von 1 bis 5 bewertet, um daraus zehn Finalisten zu ermitteln. Einer dieser Künstler sollte zum Gewinner gekürt werden, die Ausstellung sollte sich aus den Werken der besten zehn zusammensetzen. Die drei eingereichten Werke von der 1967 in Barcelona geborenen Künstlerin Alicia Framis hatten bei der Vorauswahl alle drei vorderste Plätze belegt.

"So etwas noch nie erlebt"

Nicht nur Gómez, die mit ihrem Rücktritt das Thema auf den Tisch brachte, ist empört über die Entscheidung. Auch Framis fühlt sich übergangen: "Ich verstehe nicht, wie man nachträglich Werke herausnehmen kann, die nach einem demokratischen Punktesystem über eine digitale Plattform ausgewählt wurden", erklärte die Künstlerin, die in Amsterdam lebt und arbeitet und alle Kriterien der Ausschreibung erfüllte. "Das passiert in keinem anderen Land, ich habe so etwas noch nie erlebt."

Framis betonte, das Schlimmste daran sei nicht, dass ihr der mit 12.000 Euro dotierte Preis entgangen sei, sondern dass man sie von der Ausstellung ausgeschlossen habe. "Nach all den Jahren, die ich schon für meine Karriere kämpfe, dachte ich, es sei meine Pflicht, die Stimme zu erheben und denen zu helfen, die nach mir kommen (...). Ich habe die Pflicht zu sagen, dass so etwas nicht passieren darf", sagte sie. "Als Künstlerin, Aktivistin und Feministin, die ich bin, darf ich nicht schweigen."

Allerdings melden sich nun auch andere Jury-Mitglieder zu Wort. So verweist die Kuratorin Rosa Lleó auf technische Tücken der verwendeten Plattform: Diese habe Durchschnittswerte errechnet, statt die tatsächlichen Favoriten jedes Juroren zu ermitteln. Von Schiebung könne keine Rede sein. „Und dessen beschuldigt uns ausgerechnet Susy Gómez, deren Mann Alicia Framis’ Galerist ist“, schießt Rosa Lleó zurück. /bro

Mit weiteren Stellungnahmen aktualisiert am 15.12.