"Bevor ich hier angefangen habe, sah das Gebäude aus wie eine alte Wache der Guardia-Civil", sagt Gustavo. Der vielleicht umtriebigster Künstler auf Mallorca steht vor der Grundschule von Cala Ratjada, mit einem Farbtöpfchen in der einen und einem Pinsel in der anderen Hand. Und das seit Monaten fast täglich.

Eigentlich habe er auf Bitten der Schulleitung hin nur den Schriftzug des Schulnamens ansprechend an die Fassade malen wollen. Doch wenn Gustavo einmal anfängt, ist der 81-Jährige nur schwer zu stoppen. „Irgendwie wurde das Projekt immer größer", sagt Gustavo. Mittlerweile erstrahlt fast die gesamte Vorderfront der Grundschule in leuchtend bunten Farben und den für Gustavo typischen fröhlich-surrealen Figuren.

Schüler helfen, das Werk zu vollenden

Als die MZ zum Interview kommt, hat der Künstler gerade Unterstützung bekommen. Im Zehn-Minuten-Takt dürfen Schüler helfen, das Werk zu vollenden. Tatsächlich hat sich das ­Gebäude in den vergangenen Monaten in ein großes Kunstwerk verwandelt - genaues Hinschauen lohnt. Bauliche Gegebenheiten wie ­Regenrinnen, Lüftungsschächte und Kabel sind in die Gemälde einbezogen. Eine Leuchte am Eingang ist kurzerhand zum Kopf einer Schlange geworden, Stromleitungen an der Fassade wurden in einem Blumenstrauß versteckt.

Und auch die Figuren, die auf den ersten Blick infantil wirken, geben dem aufmerk­samen Betrachter subtile Andeutungen, dass jede von ihnen mehr ist als das. Eine Königsgestalt links neben den Eingangstüren ist in den Farben der Spanischen Republik (Rot, Gelb, Lila) bemalt, ein Herr im Frack hängt an zwei Nägeln auf grünem Grund. „Gustavo ist in seinen Werken oft politisch und sozial­kritisch, ohne es plakativ darzustellen. Auch die Farben haben eine starke symbolische ­Aussage", berichtet Cati Vallespir. Sie leitet seit der Eröffnung vor einem Jahr die Galerie „Espai Gustavo" in Capdepera. Hier sind auf 200 Quadratmetern neue Werke von ­Gustavo ausgestellt.

Es gibt noch viel zu tun

Genau wie die Grundschule in Cala Ratjada ist die Galerie ein weiterer Fußstapfen, den der Künstler in seiner Heimatgemeinde hinterlässt. „Man könnte bald eine Gustavo-Route einrichten", pflichtet er selbst munter bei. Auch die riesigen Kachelmosaike an Cala Ratjadas Hafenmauer stammen von Gustavo, und an der anderen Grundschule der Gemeinde hat er gleichfalls eine Wand gestaltet.

Gustavo grüßt zwei neue Schüler, die unter der Aufsicht seines Assistenten Fernando Tous zum Pinsel greifen, und betritt dann das Schulgebäude. Im Empfangsbereich hat er alte ­Fliesen („sie hatten vorher die Farbe von Gänse­kacke") durch verzierte bunte Kacheln ersetzt, die olivgrünen Türen, die in die Klassenräume führen, sollen bald ebenfalls in kräftigen ­Farben leuchten. Und dann sind da ja noch das Nebengebäude, die Fassaden an den anderen Seiten und der Bereich für die Vorschüler...

Die Kosten trägt Gustavo selbst

„Wenn ich nicht mehr bin, wird das alles hier an mich erinnern", sagt Gustavo zufrieden. Die Kosten für die Schulaufhübschung trägt er daher auch gern selbst. Nicht, dass er vorhabe, schon bald das Zeitliche zu segnen. „Die Ärzte haben mir noch viele Jahre vorausgesagt, und die werde ich nutzen."

Wenn er nicht an der Schule malt, tut er es in seinem Atelier. Mehr als 5.000 Werke hat er bereits in seinem Leben geschaffen. Und für den kommenden November will eine Ausstellung in Berlin geplant sein. „Ich mag nicht herumsitzen. Es gibt immer etwas zu tun."