Wenn die Zikaden auf Mallorca an heißen Sommertagen zirpen, dann ist das für viele die ideale Geräuschkulisse, um faul in der Sonne zu liegen und zu dösen - aber abzutanzen? Jaume Reus kann sich das sehr wohl vorstellen. „Wenn man die Geschwindigkeit der Aufnahme verlangsamt, klingen die Zikaden fast wie eine kick drum", sagt der Mallorquiner, der zusammen mit der katalanischen Dichterin und Musikerin Laia Malo das Duo Jansky bildet.

Reus muss es wissen, denn er ist nicht nur Umweltwissenschaftler, sondern auch Musikproduzent. Und so heißt der Track, der im Rahmen seines ­neuesten Projekts „Insecta Dance Music" entstanden ist, „Cicada ­groove". ­Jansky ist auch noch anderen Interpreten zu Dank verpflichtet: Motten und Fledermäusen. Das Stück „The fable of the bat and the moth" hat den „Sound of the Year Award" gewonnen, einen Preis, den das Museum of Sound sowie der New BBC Radiophonic Workshop ausgeschrieben haben. Die Kategorie wurde erst im vergan­genen Jahr ins Leben gerufen, um die „tagtäglichen Klänge jenseits der Musik in all ­ihren Formen" zu würdigen.

Das Duo Jansky hat sich seit 2011 einen Namen damit gemacht, Dinge zu ver­binden, die auf den ersten Blick nicht ­zusammenpassen, beispielsweise elektronische Musik und Poesie. Als dann im ­vergangenen Jahr die Pandemie losbrach und ­Konzerte ausfielen, war der Moment ­gekommen, um sich intensiv den Insekten zu widmen. Mit einer Sondererlaubnis nahm das Duo während des Lockdowns im Feuchtgebiet S'Albufera Tiergeräusche auf. Dabei war es ungestört von Menschen- und Autolärm, stand aber vor dem Problem das Durcheinander der Insekten und Vögel zu ordnen. Reus korrigiert: Was zunächst wie ein Durcheinander wirkt, hat durchaus ­System. Die verschiedenen Tierarten ­passen ihre Laute an, um zeitgleich in verschiedenen Frequenzbereichen kommunizieren zu können, ohne sich in die Quere zu kommen.

Das Ergebnis ist eine sogenannte „Bio­fonie", die der Musiker und Klangforscher Bernie Krause als Lautäußerungen aller nicht-menschlichen Lebewesen definiert hat. Vielmehr als den Ton zu optimieren und die Geschwindigkeit zu manipulieren, sei dann gar nicht nötig gewesen, erklärt Reus, der inzwischen auch Tiergeräusche aus Palmas Stadtwald Bellver oder dem Feuchtgebiet Ses Fontanelles im Kasten hat.

Manche Tiergeräusche werden im Studio überhaupt erst wahrnehmbar. Wie soll man etwa den Ultraschallrufen einer Fledermaus lauschen, wenn die menschliche Hörfähigkeit dafür nicht ausreicht? Man wolle auf diese Weise der Natur eine Stimme zurückgeben, die viele nicht mehr vernehmen, und dabei deren Ästhetik genauso wie die Funktionsweise erklären, so der Wissenschaftler und Künstler.

Das Projekt „Insecta Dance Music" geht aber noch weiter. So ist gerade ein Doppelalbum in Vorbereitung, auf dem jeder Song einem Tier gewidmet sein soll. Die Veröffentlichung ist für Herbst geplant. Außerdem arbeiten die beiden an einer interaktiven Klanginstallation. Man sei derzeit mit verschie­denen Einrichtungen im Gespräch, um dafür einen Ort zu finden. Eine weitere Säule des Projekts ist eine digitale Soundbibliothek: „Insectasynth". Sie beinhaltet die in der Natur aufgenommenen und später im Studio in Palma manipulierten Aufnahmen der Insekten. Diese Samples können dann Musikproduzenten herunterladen und in ihren Stücke verarbeiten. Und so könnte es durchaus sein, dass in Zukunft zum Zirpen, Quaken oder Zwitschern von Mallorcas Tierwelt auf der Tanzfläche die Post abgeht.

Eine Hörprobe für "The fable of the bat and the moth" gibt es hier:

INSECTASYNTH [2021] by JANSKY