Ein wenig unsicher rutscht der ein oder andere der 20 Fünftklässler an diesem Freitag (19.3.) auf seinem Stuhl herum. Die Jungen und Mädchen der Grundschule Es Pont in Palmas Einwandererviertel Son Gotleu halten in ihren Händen eine nagelneue Ukulele, das hawaiianische Zupfinstrument mit vier Saiten. Ihre Augen strahlen. Die Kinder haben gemeinsam mit ihrer Musiklehrerin Cristina ­Llabrés „Twinkle, Twinkle, Little Star“ eingeübt - was aufgrund des Temperatursturzes und des Dauerregens schon fast wieder stimmig ist.

Die Ukulelen sind ein Geschenk von Herbert Plum, dem Hauptsponsor des Beethoven-Festivals, das die beiden Mallorquiner Bernat Quetglas und Magí Garcías trotz Corona vergangenes Jahr durchzogen. 1.000 Euro hat der deutsche Arzt im Ruhestand gemeinsam mit anderen Spendern, zumeist aus Deutschland, für 20 Ukulelen und einige Notenständer für das Projekt „Sons de Barri“ (Töne des Viertels) in Son Gotleu springen lassen. Die Kinder haben Zettel vorbereitet, auf denen sie sich zum Teil auf Deutsch für die Spende bedanken.

„Diese Kinder haben normalerweise keinerlei Zugang zur Musik“, sagt später Llorenç Coll, Sozialarbeiter der Stadt Palma, der Sons de Barri in Kooperation mit den Schulen des Viertels mitorganisiert. Oder mitorganisiert hat, muss man in Zeiten der Pandemie sagen. Denn seit einem Jahr ist Musikunterricht, wie er eigentlich aussehen sollte - in großen Gruppen und mit viel Begeisterung - aufgrund von Corona nicht möglich.

Das kurze Konzert am Freitag war - mit Masken und Desinfektionsgel sowie gut belüfteten Räumen - seit März 2020 das erste Mal, dass die Kinder in einer größeren Gruppe musizierten. Die Einschränkungen der Pandemie seien überall für Kinder schwierig zu meistern, sagt Llorenç Coll. „Aber für die Kinder in Son Gotleu noch mehr.“ Viele hätten im vergan­genen Jahr während des ersten Lockdowns ­daheim gesessen, mit teilweise überforderten ­Eltern in äußerst beengten Verhältnissen und ohne Zugang zu Distanzunterricht. Weil schlicht das Geld für einen Internetzugang und erst recht für einen Laptop oder PC nicht reicht. „Einige der Kinder hatten wirklich keine schöne Zeit zu Hause. Deswegen war es so wichtig, dass die Schulen in diesem Schuljahr wieder geöffnet haben“, sagt Coll. Seit Sep­tember haben die Kinder zumindest ihren Rhythmus wieder und können unter gleichen Bedingungen lernen, wenn auch nicht gemeinsam Musik machen.

Dabei wäre das so wichtig: „Durch das Musizieren in der Gruppe entwickeln die Kinder ein Gemeinschaftsgefühl, ein Gefühl der Zugehörigkeit zu Sons de Barri. Genauso wie ­jemand, der sich etwa zum FC Barcelona hingezogen fühlt, sagen sie: Wir sind von Sons de Barri“, erzählt Coll. Selbstbewusstsein stärken und Selbstvertrauen geben, das sind die vorrangigen Ziele von Sons de Barri. „Die Kinder sehen, dass etwas, was sie machen, eine Wirkung hat. So wie das kleine Konzert heute. Sie bekommen Anerkennung und können sehen, dass andere Menschen sich darüber freuen. Das lässt sie wachsen.“

Sons de Barri gibt es seit dem Jahr 2012. Toni Salvà, der Direktor der halbstaatlichen Schule Sant Josep Obrer, die nur wenige Schritte von Son Gotleu entfernt liegt, kam auf die Idee, die Musik ins Viertel zu bringen. Sant ­Josep Obrer besitzt eine integrierte Musikschule, wo bereits Chorklassen angeboten wurden. Diese weitete Toni Salvà in Kooperation mit den drei Schulen Es Pont, Joan Capó und Gabriel Vallseca auf Son Gotleu aus. „Normalerweise ist Musik eine teure Angelegenheit, wegen der Instrumente“, sagt Llorenç Coll. „Aber Singen kann sich jeder leisten.“

Der Gesangsunterricht wurde einerseits einmal in der Woche in den Schulunterricht integriert, wo Musik zuvor kaum vorkam. ­Andererseits kam dann 2017 noch Musikunterricht für alle Schüler, die wollten, am Samstagvormittag hinzu. Möglich wurde das, weil dank einer Subvention der Balearen-Regierung 20 Geigen und zehn Celli angeschafft werden konnten. Zusätzlich wurden von dem Geld mehrere Musiklehrer stundenweise bezahlt. Und die Unterrichtsstunden konnten subventioniert werden, sodass alle Kinder teilnehmen konnten. „Die Kinder hatten zwei bis drei Stunden Musik in der Woche, und die Eltern wurden gebeten, dafür 60 Euro im Jahr zu zahlen. Die meisten konnten das allerdings nicht aufbringen“, sagt Laura Seguí, Studienleiterin der Grundschule Es Pont.

Jetzt, nach einem Jahr Corona-Krise, sei die Lage noch prekärer. Die Eltern könnten nichts mehr zahlen, und mit Beginn der Pandemie im März 2020 wurden auch die Subventionen eingestellt. Nun hofft Llorenç Coll auf private Spender, um Son Gotleu auch weiterhin klingen zu lassen.

Festivals in Zeiten von Corona: Nach Beethoven ist vor Mozart

Nach dem großen Erfolg des ­Beethoven-Festivals im vergangenen Jahr - drei von vier Konzerten im Innenhof des Klosters Sant ­Domingo sowie in der benachbarten Kirche in Pollença waren ausverkauft - ­haben die beiden Organisatoren Magí Garcías und Bernat Quetglas mit der Unterstützung des deutschen Sponsors Herbert Plum für diesen Sommer bereits ein Mozart-Festival geplant. Die vier Konzerte finden an den Samstagen im September ebenfalls in Sant Domingo statt. Zu hören gibt es unter anderem Ausschnitte aus „Die Hochzeit des Figaro“, „Don Giovanni“, aber auch die Haffner-Sinfonie sowie Quartette oder Sonaten. Für das Festival werden weitere Geldgeber gesucht. Kontakt: orquestradecambrademallorca@gmail.com