Eine Vernissage, bei der sich nicht nur die klassischen Kunstliebhaber tummeln, sondern auch Hippies und Ornithologen? So sah es tatsächlich aus, als Natalia Bento (38) am 5. Juni offiziell die Ausstellung „A mar abierto" ihres Vaters Oscar Bento eröffnet und damit zugleich ihre neue Galerie in Alaróeinweiht hat. Denn das in Dénia (Provinz Alicante) geborene Multitalent hat einen Lebenslauf vorzuweisen, der locker zwei Leben füllen könnte, und war anfangs noch gar nicht auf Kunst fixiert: „Meine Familie betreibt seit 30 Jahren die Galerie Isabel Bilbao, mein Vater ist Künstler. Ich habe erst einmal drei Jahre Biologie studiert, um gegen den Strom zu schwimmen", erzählt die quirlige Spanierin beim MZ-Besuch.

Bereits für die Beantwortung der Frage, wie es sie vergangenes Jahr im September nach Mallorca verschlagen hat (zunächst im Dima Center for Conscious Living, daher die Hippies), muss sie etwas ausholen: Nach der Biologie folgte ein Touristik-Studium und dann doch der Flirt mit der Kunst, durch die Mitarbeit im elterlichen Galerie-Ableger in Berlin - Bento spricht hervorragend Deutsch. 2008 kam sie zum ersten Mal für ein Praktikum nach Mallorca und arbeitete ein Jahr in Campanet für die Geier-Stifung (daher die Ornithologen, mit denen sie heute noch befreundet ist).

„Mallorca hat mir schon immer gefallen. Aber danach bin ich erst einmal nach Frankreich gezogen - aus Gründen der Liebe", sagt sie. Dann sollte es eigentlich für sechs Monate nach Marokko gehen. Bento blieb vier Jahre. Auch das hatte mit der Liebe zu tun. Nach weiteren Episoden in Frankreich und Madrid lernte sie 2020 bei einem Familienessen ihren jetzigen Freund kennen, der auf Mallorca lebt. Und wieder entschied die Liebe über Bentos Ortswechsel. Doch was tun auf der Insel? „Eine eigene Galerie zu eröffnen, war im Grunde schon immer ein Traum von mir", sagt sie.

Ein multidisziplinärer Raum

Wem die Bilder der Räume bekannt vorkommen: Es sind dieselben, die erst vergangenes Jahr im Sommer als Hauptquartier des Helikopterflug-Unternehmens „Helimallorca" und Galerie für Luftfotografie an den Start gingen. Doch die Vormieter haben nach nur wenigen Monaten schon wieder das Nest verlassen. Glück für Bento: Sie entdeckte das charmante, rund 200 Jahre alte Haus im Besitz der Bordoys, das früher einmal zur Seifenproduktion genutzt wurde, auf einem Mietportal im Internet, und bezog es im Mai. „Es hat mich sofort beeindruckt, und ich sagte mir: Hier habe ich einen ganzen Fächer voller Möglichkeiten."

Was ihr vorschwebt, ist nicht nur eine reine Galerie, sondern ein multidisziplinärer Kultur-Raum: „Ich möchte hier Künstlerresidenzen anbieten, auch für Schriftsteller oder Theaterleute." Die Teilnehmer könnten sich dann im Gästezimmer im ersten Stock einquartieren. Außerdem plant sie, ein Klavier zu kaufen, um Konzertabende zu organisieren. Auch bei der Vernissage gab es Musik von der mallorquinischen Gruppe Fil de Blues (Miquel Segura und Marta Murgades).

In Zukunft möchte Bento ein Kultur-Event pro Monat veranstalten und zu den Ausstellungen Begleitprogramme wie Workshops mit den Künstlern anbieten. „Ich wünsche mir eine solche Dynamisierung und auch das Engagement der Leute von hier", so die Galeristin. Die Website, auf der man sich künftig über Aktivitäten informieren kann, sieht jetzt schon so professionell aus, dass sich einige gestandene Galerien der Insel davon ruhig eine Scheibe abschneiden könnten.

Eine unkonventionellere Linie

Bentos kunstaffine Familie unterstützt sie bei ihren Plänen, auch wenn sie in Alaró einiges anders machen will: „Was ich von meinem Vater mitnehme, sind die Kriterien, wie man Ausstellungen aufbaut und Bilder hängt, die Umgangsformen und die ganze Infrastruktur und Verwaltung, die eine Galerie so braucht", erklärt sie. „Aber ich bringe hier meine Jugend und Frische ein, einen anderen Geist."

Bei der Auswahl der Künstler will sie eine unkonventionellere Linie verfolgen als die Familien-Galerie: nicht nur Malerei und Skulptur, auch Fotografie, Installationen oder Performances. Man brauche zwar Künstler mit einem gewissen Niveau, aber sie würde auch gern einmal im Jahr eine Gruppenausstellung mit noch unbekannten Talenten zeigen, sagt sie. Ansonsten stehen auf ihrer langen Wunschliste unter anderem die marokkanischen Künstler Amine Oulmakki, Mohammed Kilito, Safaa Mazirh und Saïd Afifi, die Fotografinnen Mar Sáez und Léna Maria, die spanischen Malerinnen Perceval Graells und Ana Riaño sowie auch lokale Künstler von Mallorca. Bento ist auch ein großer Fan der Skulpturen der dänischen Künstlerin Katrin Kirk, die ebenfalls in Alaró lebt.

Bilder vom grenzenlosen Meer

Die erste Ausstellung zeigt bis zum 15. Juli Gemälde und Skulpturen von Natalia Bentos Vater, dem in Argentinien geborenen Künstler Oscar Bento (Preisspanne: 2.000-7.700 Euro). „Die Wellen und seine Art, das Meer zu malen, erregen Aufmerksamkeit, weil er ein ruhiger, kontemplativer Mensch ist, der das Meer sehr intensiv beobachtet hat", sagt die Galeristin über ihren Vater. „Er ist auch der nachdenklichste in der Familie, sozusagen unser Schamane, den wir alle um Rat fragen." Auch Oscar Bento fand übrigens erst über den Umweg Naturwissenschaft zur Kunst: „Er studierte erst Biochemie und entdeckte dabei die Freude für das Mischen von Farben", erzählt die Tochter.

Die Malereien in der Galerie fangen die Essenz des Meeres ein: die Poesie des in Mondlicht getauchten Ozeans, die sprühende Gischt sich brechender Wellen, die grenzenlose Weite des Horizonts, betont durch die Ausschnitthaftigkeit der Komposition. Teilweise ist der Betrachter so nah am Wasser, als könne er über die Schaumkronen der Brandung springen.