"YES TO ALL" verkündet eine pinke Neon-Leuchtröhre im Restaurant, das zum Ableger der Galerie Horrach Moyà an der Plaça de la Drassana gehört. Es könnte das Motto des diesjährigen Art Palma Summer sein, der am 10. Juni auf Mallorca zelebriert wurde. Denn ein Massenevent war es zwar nicht, doch im Gegensatz zum letzten Art Palma Brunch und der Nit de l'Art spürte man nun wieder deutlich mehr Normalität: ja zu kühlem Weißwein und coca, ja zum angeregten Austausch mit anderen Kunstliebhabern, ja zu etwas mehr Lebensfreude. Und der kulturelle Sommerflirt wird noch eine Weile anhalten. Ein Rundgang durch neue Ausstellungen in Palma, die auch in den nächsten Wochen noch sehenswert sind.

Sommerlicher Farbrausch

Perfekt zur Jahreszeit passt die erste der drei Schauen in der Galería Pelaires. „Violets are blue" von Larissa Lockshin kombiniert zwei Werkserien der jungen kanadischen Künstlerin: florale Traumlandschaften auf Seide, deren glänzende Oberfläche man am liebsten berühren würde, und Gemälde in satten Farben, die an französische Künstler Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts erinnern. Im Gegensatz zu den Tänzerinnen von Degas scheinen Lockshins Protagonistinnen oft das süße Nichtstun zu genießen, sie strecken die Beine aus oder schlafen über einem Tortenstück an der Kaffeetafel ein. Auch im Obergeschoss gibt es neue Sichtweisen auf alte Genres: In der Doppelausstellung „Meeting point" zeigt die Britin Rachel Howard ihre gleichsam naturalistische wie romantische Auffassung von Landschaftsmalerei, die griechische Künstlerin Sofia Stevi wirft einen frischen Blick auf den menschlichen Körper, mit Referenzen von klassischer Mythologie bis Instagram. Den Abschluss bildet „Conticinio" von Alain Utturia, der in poetischen, kleinformatigen Bildern fragile und flüchtige Momente der Stille festhält.

Irgendwo dazwischen

Auch im eingangs erwähnten Standort der Galerie Horrach Moyà interessiert das Thema Flüchtigkeit: Die Gruppenausstellung „mezzanine 3" untersucht Zwischenräume, „Nicht-Orte" und Momente, bevor Ideen zu Realität werden. Bei den Gemälden von Muntean/Rosenblum etwa geht es um Jugendliche auf der Suche nach Orientierung und Identität. Letztere bewegt auch die in der Schau vertretene Susy Gómez. Ein Raum, der Terence Koh gewidmet ist, wirkt so, als hätte sich der Künstler dort einquartiert und sich gerade aus dem zerwühlten Laken auf der Matratze am Boden erhoben: Die rund um das Bettenlager aufgereihten Zeichnungen und Tagebucheinträge sind während seines Aufenthalts in Palma für die Ausstellung „empty boat!" im Jahr 2017 entstanden. Im oberen Stock hängt nicht etwa das Gemälde „Der Astronom" von Jan Vermeer, sondern der Ausdruck eines Kunstprojekts von Girbent zum ewigen Problem mit dem Original und der Kopie. Carles Congost analysiert schließlich in einer Videoarbeit das flüchtige Phänomen des „One Hit Wonders".

Licht im Dunkel

Den größten Glamour-Faktor hatte beim Art Palma Summer wohl das Stelldichein mit Miguel Adrover im Aba Art Lab: Wie Motten um eine Glühbirne umschwirrten die Besucher den Künstler und Modedesigner mit dem langen grauen Zopf bei der Eröffnung seiner schon im Vorfeld gehypten Ausstellung „La Llum". Selbst die Mitarbeiterinnen der Galerie kleideten sich statt im üblichen Schwarz in helles Weiß, um die Idee der Schau zu reflektieren: das Licht, das Adrover in der Dunkelheit sucht, die Hoffnung innerhalb des Chaos. Murmeln, Flaschen oder Phiolen bekommen in seinen kontrastreichen Fotografien, die Caravaggio verzückt hätten, eine Aura

magischer Elixiere und Kristallkugeln.

Knallbunt bis obskur

Die Galería Fran Reus setzt ihr Erfolgsrezept fort, im Erdgeschoss eine fröhlich-bunte Gruppenschau und unten ein etwas sperrigeres Kunstprojekt zu zeigen. „Over the boarderline" vereint Werke von Adam Beris, Nadia Fediv, Lukas Glinkowski, Katelyn Ledford und Taylor Anton White, die die Grenzen der Malerei ausloten, sie mit anderen Techniken mischen oder ins Dreidimensionale wachsen lassen. Das Untergeschoss ist dem Gemeinschaftsprojekt „After" von Julià Panadès und Sahatsa Jauregi gewidmet, die dort einen düster anmutenden Parcours aus Objekten verschiedener Materialen kreieren, von Puppenteilen über Schlüsselanhänger bis hin zum Schildkrötenpanzer.

Menschliche Lebensräume

„Subtil Quotidià" heißt die von Tomeu Simonet kuratierte Gruppenausstellung bei Pep Llabrés. Paula Valdeón, Tamara Arroyo, Alberto Gil, Hisae Ikenaga, Rafa Munárriz und Juan Bareja zeigen sechs verschiedene, allesamt spannende Ansätze, die sich mit der uns umgebenden Architektur beschäftigen: Da werden Möbelstücke auseinandergefaltet und als zweidimensionale Objekte an die Wand gehängt, der Reiz von verfallenen Gebäuden in der Peripherie von Rom porträtiert oder unser Umgang mit dekorativen Elementen wie Kacheltäfelungen erforscht, die ihren Ursprung zwar in alter Handwerkskunst haben, sich dann aber zu Mustern entwickelten, die heute überall präsent sind.