Man stelle sich vor, in einer Bar in Palmas Altstadt treffen zwei Männer aufeinander. Der eine ein vermögender Deutscher, eitel und von sich eingenommen, Eigentümer einer grundsanierten Altstadtwohnung mit Blick aufs Meer und eigenem Aufzug. Der andere ein frustrierter Mallorquiner, der hier seit seiner Kindheit lebt und sich das Leben in der Altstadt nicht mehr leisten kann, aber den Rollkoffer-Touristen und dem Immobilienboom trotzt.

Auch wenn der neue Film „Nebenan“ des Deutsch-Katalanen Daniel Brühl („Good Bye, Lenin!“, „Inglourious Basterds“, „The Alienist“) in einer Berliner Kneipe spielt, ist die Grundidee übertragbar auf im Prinzip jede Stadt, die vom Phänomen der Gentrifizierung betroffen ist. Sie kam dem Schauspieler und Regiedebütanten Brühl denn auch in seiner Geburtsstadt Barcelona, die ganz ähnliche Probleme mit der Ferienvermietung hat wie Palma. Gerade hatte er frisch eine Wohnung bezogen und aß in einem Lokal zu Mittag, als er durchdringend von einem einheimischen Bauarbeiter beobachtet wurde. „Wie ich dasaß mit meinem Köfferchen und in meinem Mäntelchen. Ich habe seinen Blick gespürt: Der findet mich furchtbar“, beschreibt Brühl die Situation in einem Interview mit dem Magazin „Der Spiegel“.

Zwei Männer mit unterschiedlichem Hintergrund in einer Kneipe, der Zusammenprall der gesellschaftlichen Schichten nimmt seinen Lauf – aus dieser Konstellation wurde ein Film, der im Juli in Deutschland anlief und seit Freitag auf Deutsch im Kino CineCiutat in Palma zu sehen ist. „Nebenan“ ist dabei kein Sozialdrama, sondern ein Psychoduell und eine Tragikomödie, inszeniert als Kammerspiel in einer Eckkneipe, was die Dreharbeiten in der Pandemie erleichterte. Brühl spielt dabei die Schnösel-Variante von sich selbst, Gegenpart ist Peter Kurth („Good Bye, Lenin!“, „Babylon Berlin“). Und noch ein großer Name ist mit dabei: Der Film entstand zusammen mit dem Bestsellerautor Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“, „Tyll“), der das Drehbuch schrieb.

Seit er aus Köln, wo er aufwuchs, weg sei, habe er sich stets ein bisschen wie ein Gentrifizierer gefühlt, so Brühl, in Berlin wie in Barcelona. Auch nach mehr als 20 Jahren in Prenzlauer Berg sei etwas davon übrig: „Dieser Wunsch zu zeigen, dass man dazugehört, war immer sehr stark. Und natürlich war er auch immer deshalb sehr stark aus diesem Gefühl heraus, irgendwie ein Eindringling zu sein, ein verhasster Gentrifizierer von außen“, so der 43-Jährige gegenüber dem Kölner „Express“. Da seine Karriere bereits früh begann, habe er schon im Alter von 20 Jahren mehr verdient als sein Umfeld, und diese Erfahrung präge ihn bis heute. „Ich weiß, dass ich nicht schuld bin an der Gentrifizierung, aber ich bin mir einer gewissen Inkohärenz in meinem Leben durchaus bewusst.“

Freilich täte man dem Film unrecht, wenn man ihn nur auf das Thema der reichen fremden Eindringlinge reduzieren würde. Es geht auch um die Gefahr, vor lauter eigenem Ego die Bodenhaftung zu verlieren. Und es geht um Ressentiments zwischen Ossis und Wessis. Der ältere Nachbar aus Ostberlin will sich an Daniel rächen und konfrontiert den Schauspieler mit Enthüllungen, die Privatleben und Karriere in Gefahr bringen.

Zumindest im echten Leben gibt es aber ein Happy End. Die Berliner Nachbarn hätten ihn durchaus willkommen geheißen, so Brühl gegenüber dem „Spiegel“. „Ich glaube, die mögen mich.“

Das Kino CineCiutat ist ein von einer Bürgerinitiative gerettetes Programmkino. Es zeigt Filme in Originalfassung mit Untertiteln und befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofs s'Escorxador (Carrer de l'Emperadriu Eugènia, 6). Hier finden Sie eine Karte. Die aktuellen Anfangszeiten von "Nebenan" finden Sie auf dieser Seite.