Reptilien kennen keinen Trennungsschmerz – doch dass sie damit auf der Opernbühne zu perfekten Antagonisten einer verschmähten Frau werden, auf diese Idee muss man erst mal kommen. In der Oper „La Veu Sàuria“ (etwa: „die Stimme der Echsen“) ist der Protagonist ein ergrauter Biologe, der sich zu einem Vortrag zwingen muss.

Das emotionale Erlebnis, dass seine Frau ihn verlässt, verschmilzt mit seiner Präsentation über Reptilien, die keine Männchen mehr zur Fortpflanzung brauchen. Sein Paradebeispiel: die Komodowaranin Charlie, die durch Jungfernzeugung (Parthenogenese) Mutter dreier Baby-Echsen wurde. „Er verliert am Ende den Kopf und gelangt zu dem Schluss, dass Frauen die Männer manipulieren und sie schließlich ausrotten“, so der Bariton Pablo López, der die Figur mit diebischem Vergnügen spielt, im MZ-Gespräch.

Auf Drama folgt Ironie

Das Vergnügen hat er dem Plan seiner mallorquinischen Kompanie Diabolus in Musica zu verdanken, die Monooper „La voix humaine“ aufzuführen. Traditionell wird diese zeitgenössische Literaturoper, die Francis Poulenc 1959 nach einem Stück von Jean Cocteau komponierte, mit anderen kurzen Stücken wie „Das Telefon oder Die Liebe zu dritt“ von Gian Carlo Menotti kombiniert. Für die Kompanie war das jedoch keine überzeugende Option: Zu groß seien die stilistischen Unterschiede gewesen – ein neues Werk musste her.

„Zwei Opern von derselben Intensität wie ‚La voix humaine‘ wären schwer auszuhalten“, sagt López. Zugegeben: Die Sopranistin Maia Planas glänzt in ihrem Part und singt die Verzweiflung der geschmähten Frau, die um keinen Preis die (Telefon-)Verbindung zu ihrem Geliebten kappen will, hingebungsvoll und authentisch. Doch es tut gut, dass nach der dramatischen Sicht auf eine gescheiterte Beziehung mit „La Veu Sàuria“ eine ironischere Annäherung folgt, die das Stück aus heutiger Sicht weiterdenkt: Was wäre, wenn die Frau sich aus ihrer emotionalen Abhängigkeit selbst befreien würde, und wie würde der Mann darauf reagieren?

Zwei Frauen geben dem Mann eine Stimme

Bei Poulenc sind es zwei Männer, die einer Frau ihre Stimme geben, bei „La Veu Sàuria“ zwei Frauen, die einen Mann sprechen lassen: Die Musik stammt von Mariona Vila, das Libretto von Anna Llompart. Am Freitag (10.12.) feierte die Neukreation auf Katalanisch als Teil des Doppelprogramms „Les Voix“ im Teatre Principal in Inca Premiere, im Mai 2022 kommt die Inszenierung von Israel Solà, dem Leiter der katalanischen Kompanie La Calòrica, auch ins Teatre Principal in Palma.

Mann, Frau und Echse: Das Plakat zum Opern-Doppel "Les Voix".

Mann, Frau und Echse: Das Plakat zum Opern-Doppel "Les Voix". El cartel de la obra que representará Diabolus in Musica.

Bei den etwas dünn gesäten ersten Zuschauern fanden die zwei gekreuzten Opernmonologe viel Anklang. Im zweiten Teil hatte das Publikum sichtlich seine helle (Schaden-) Freude daran, zu sehen, wie der Biologe, der sich eigentlich für einen Feministen hielt, mit seinen Gedanken und Gefühlen kämpft und allmählich wider Willen selbst zum Tier wird: Mit vollem Körpereinsatz besteigt López den Schreibtisch, trommelt sich in animalischer Inbrunst auf die Brust. „Er entwickelt sich in der Evolution zurück: erst in einen Affen, dann in eine Echse“, sagt López. „Das spiegelt sich auch in der Musik wider: Sie wird zum Ende hin immer primitiver.“

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Der Pianist Magí Garcías steht im ersten Part vor der Herausforderung, mit seiner intimen Klavierbegleitung ein ganzes Orchester zu ersetzen. Zudem muss er sich mit viel Flexibilität dem Gesang der Sopranistin anpassen, die bei ihrer telefonischen Konversation freie Gesprächspausen macht. „Ich mag den Rhythmus und finde es faszinierend, wie auch das Orchester zwischen den Rollen wechselt“, sagt Garcías. Der Fusion „Les Voix“ indes gelingt spielend der Wechsel zwischen Obsession, großen Gefühlen, Humor und Theatralik.

Nächster Termin: 17.12., 20 Uhr, Teatre Sa Teulera, Carrer Metge Gaspar Pujol, 68, Andratx, Karten (5 Euro): cultura@andratx.cat, Tel.: 971-62 80 18.