Der Geist des legendären Flamenco-Gitarristen Paco de Lucía wird im März auf Mallorca zu spüren sein: Die nach ihm benannte Stiftung, der Inselrat und die Stadt Palma veranstalten erstmals ein Festival zu seinen Ehren. „Wir wollen junge Talente unterstützen, die zwar durchaus schon berühmt sind, aber mit ihrem eigenen Stil etwas Neues in den Flamenco einbringen“, sagt die Festivalorganisatorin Soledad Bescós im Gespräch mit der MZ.

In der ersten Ausgabe liegt der Schwerpunkt auf dem cante, dem Flamenco-Gesang. „Der Tanz ist visuell und gibt einen ästhetischen Kick, aber der Gesang weckt Emotion und geht tiefer, bis in die Seele“, so Bescós. Wie facettenreich und lebendig diese Kunst ist, können Sie bei den Konzerten im Teatre Principal (Eintritt: 8–35 Euro) und im Theater Xesc Forteza (Eintritt: 25 Euro) erleben. Zum krönenden Abschluss gibt es dann doch noch etwas Tanz – allerdings ganz ohne Rüschenkleid. Karten und Infos unter: festivalpacodeluciamallorca.com.

Die Flamenco-Sängerin Soleá Morente (Archivbild). Pepe Torres, Efe

Soleá Morente und Kiki Morente am 9. März im Teatre Principal (20 Uhr)

Als Kinder des berühmten Sängers Enrique Morente und kleine Geschwister von Estrella Morente, die im Almodóvar-Film „Volver“ das gleichnamige Lied sang, treten sie in große Fußstapfen: Soleá Morente und Kiki Morente geben das Eröffnungskonzert und haben speziell für das Festival die Show „Dos corazones a un tiempo“ einstudiert. „Zwischen den beiden stimmt einfach die Chemie, wenn sie zusammen auftreten“, sagt Bescós.

Was sie früher häufiger taten, als Kiki noch am Beginn seiner Karriere stand, ist nun eine besondere Gelegenheit. Bruder und Schwester werden ihre jeweils neuesten Alben vorstellen, aber auch einige Stücke gemeinsam singen. Soléas melodischer Stil fällt dabei in die Kategorie Flamenco-Pop-Rock, Kiki versucht sich an einer Verbindung zwischen traditionellem und zeitgenössischem Flamenco mit elektronischen Klängen.

Der Künstler Niño de Elche lotet die Grenzen des Flamenco aus.

Der Künstler Niño de Elche lotet die Grenzen des Flamenco aus. Celia Macias

Flamenco-Rebell Niño de Elche am 10. März im Teatre Principal (20 Uhr)

Konservative Flamenco-Puristen hatten am Line-up nichts zu beanstanden, mit einer einzigen Ausnahme: Niño de Elche. Das Enfant terrible der Szene lotet als Avantgarde-Künstler die Grenzen des Genres aus und eckt damit regelmäßig bei Kritikern an. „Ich habe einige Anrufe von Leuten bekommen, die nicht verstanden haben, wie er ins Festival-Programm passt“, sagt Bescós. „Aber schließlich war das Motto von Paco de Lucía: Von der Tradition aus, Revolution.“

Francisco Contreras alias Niño de Elche bezeichnet sich selbst als ex-flamenco. Sein Auftritt im Teatre Principal werde „eine Art Exorzismus des klassischen Flamenco-Repertoires und der Rückstände, die es in mir hinterlassen hat“, sagte er der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca“. Bescós prophezeit dennoch einen verhältnismäßig braven Auftritt. Die Prise Provokation folgt zum Ausgleich am 11. März um 12 Uhr, wenn der Künstler einen Vortrag im Theater halten wird. Titel: „37 Arten, die Hose herunterzuziehen: Eine Begegnung mit Niño de Elche“. Bescós befürchtet Kontroversen und sagt lachend: „Ein Glück, dass ihr den Titel auf Deutsch druckt.“

Israel Fernández und Diego del Morao präsentieren beim Festival Paco de Lucía in Palma sehr klassische Flamenco Musik. Veranstalter

Israel Fernández und Diego del Morao am 11. März im Theater Xesc Forteza (20 Uhr)

Balsam für die Nerven der Organisatorin ist dagegen das fast ausverkaufte Konzert von Israel Fernández und Diego del Morao im Theater Xesc Forteza: „Sie sind wohl die Musiker im Programm, die den Wurzeln am meisten treu bleiben.“ Der Flamenco-Sänger Israel Fernández wird mitunter als der neue Camarón de la Isla gehandelt und fand in dem Gitarristen einen virtuosen Partner. „Sie gehören im Augenblick zu den führenden Flamenco-Duos, und ihr letztes Projekt ist sehr persönlich“, sagt Bescós, die ein großes Faible für die beiden Künstler hat.

„Amor“ war beim Musikpreis Latin Grammy 2021 als bestes Album nominiert. „Es heißt so, weil Israel Fernández sagt, dass er darin alles offenbart, was er in seinem Herzen fühlt“, so die Organisatorin. „Liebe ist für ihn der tägliche Treibstoff seines Lebens, und alles dreht sich um dieses Konzept: die Liebe zum Flamenco, zur Musik, zur Familie, einer Frau, einem Freund oder einem Kind.“ Das mag ein wenig pathetisch klingen, doch wer die Stücke von der „Soleá der Zärtlichkeit“ bis zur „Bulería des Vorwurfs“ hört, in denen Fernández die Bandbreite seiner Emotionen in die hohe, verletzliche Stimme legt, spürt die Authentizität seiner Kunst.

Rosario alias "La Tremendita" tritt beim Flamenco-Festival Paco de Lucía in Palma auf. Toni Kuraga

Rosario „La Tremendita“ am 12. März im Theater Xesc Forteza (20 Uhr)

Mit ihrem halb rasierten Schädel sieht Rosario Guerrero alias La Tremendita aus wie ein Rockstar, aber der Flamenco ist der in Sevilla geborenen Künstlerin wild genug. Sie gilt als Erneuerin des „Cante jondo“, des ernsten Flamenco-Gesangs, wird in der Szene sehr geschätzt und begeistert viel junges Publikum. Bescós ist erklärter Fan: „Wenn sie singt, legt sie viel Gefühl in ihre Stimme und es ist, als ob die Musik einen einhüllen würde.“ Dazu führe sie einen sehr modernen Diskurs und sehe sich als Künstlerin in der Verantwortung, gegen soziale Ungleichheit zu kämpfen.

La Tremendita ist Feministin und lesbisch. Sie setzt sich für die LGTBI-Community ein, was sich auch in ihren Texten widerspiegelt. Musikalisch experimentiert sie mit elektronischen Klängen und nutzt auf der Bühne verschiedenste Instrumente: von Schlagzeug, Bass und E-Gitarre bis zur Bongotrommel.

Miguel Fernández „El Yiyo“ am 13. März im Theater Xesc Forteza (19 Uhr)

Ein erst 25-jähriger Tänzer, der seine Show „Jubiläum“ nennt? Tatsächlich ist Miguel Fernández „El Yiyo“ im Flamenco schon ein alter Hase, bereits mit elf Jahren war er zum ersten Mal auf Tournee gegangen. Bescós schwärmt für die Eleganz und Maskulinität seines Tanzes: „Seine Kraft reißt einen sofort mit: Wenn er tanzt, ist er wie ein Vulkan – oder ein Tsunami.“ Ein Auftritt von El Yiyo ist vor allem eines: ein rauschendes Fest.