Es ist zur Abwechslung mal richtig erfrischend, auf Mallorca jemandem zuzuhören, der sich nicht über den Tourismus beschwert. Da sitzt dieser ältere Herr im edlen Salon des Hotels Castillo Son Vida und erklärt, was die Ankunft der Urlauber aus Nord- und Mitteleuropa für Spanien in den 50er- und 60er-Jahren bedeutet hat. „Vor dem Tourismus schien unser Leben in Schwarz-Weiß zu sein. Danach war plötzlich alles in Farbe.“

Antoni Muntadas heißt der Mann. Er ist 80 Jahre alt und einer der renommiertesten konzeptuellen Künstler des Landes. Wobei, eigentlich ist der gebürtige Katalane auch nicht mehr so wirklich von hier. Seit mehreren Jahrzehnten befindet sich sein Hauptwohnsitz in New York. Und wenn man ihm so zuhört, verbringt er ohnehin die meiste Zeit auf Reisen. Hier ein Projekt in Marseille, dort ein Forschungsaufenthalt auf den Philippinen, und erst kürzlich sei er auch in Uruguay gewesen, wo er sich mit der Zukunft des Landes künstlerisch auseinandergesetzt hat.

Rückkehr an den Ort, wo alles begann

Jetzt also Mallorca. Es ist quasi eine Rückkehr an den Ort, an dem alles begann mit dem Reisen. Als Kind verbrachte er gemeinsam mit der Familie mehrere Sommerurlaube auf der Insel, vor allem in der Gemeinde Andratx. Ein Umstand, der sich hervorragend mit dem Projekt in Verbindung bringen lässt, für das er auf die Insel gekommen ist. In Zusammenarbeit mit dem Kulturhaus Casa Planas in Palma möchte er sich mit der Image-Geschichte des Tourismus auf Mallorca befassen.

Dafür wird er in den kommenden Tagen, aber auch bei weiteren Aufenthalten in das Archiv der Casa Planas eintauchen, wo Millionen Fotos, Postkarten und Plakate lagern, von der Anfangszeit des Tourismus bis über die Jahrtausendwende hinaus. Muntadas selbst will sich vor allem mit den frühen Jahren beschäftigen und mit der Frage, wie die Insel als Urlaubsort erzählt wurde. „Die Stereotype werden immer von außen geschaffen“, sagt er. „Die Mythen hingegen entstehen von innen.“ Dieser Umstand sei interessant für ihn.

Destillat der Erkenntnisse

Mit welchen Mythen und Stereotypen er sich beschäftigen möchte, wie lange es dauern wird und in welcher Form die Ergebnisse künstlerisch umgesetzt werden, weiß Muntadas noch nicht. Erst mal müsse er sich mit dem Archiv vertraut machen, dann werde man weitersehen. „Mit geht es darum, eine Art Destillat meiner Erkenntnisse zu schaffen“, erklärt er. „Ob das in einem großen Projekt mündet oder klein ausfällt, kann ich jetzt noch nicht sagen.“ Eines sei aber sicher: Er werde nicht das Archiv durcharbeiten, um ein neues Archiv zu kreieren. „Ich bin kein Soziologe. Mein Ansatz ist immer künstlerischer Natur, auch wenn ich mich manchmal soziologischer Methoden bediene.“

Muntadas hat sich in der Vergangenheit häufig mit Medien auseinandergesetzt und mit der Rolle, die sie in der Gesellschaft spielen. In einem größeren Projekt hat er sich dem Konzept der Übersetzung gewidmet. „Ich befasse mich gern mit dem, was mich umgibt.“ Dass er sich nun für den Tourismus als Forschungsfeld entschieden habe, sei seiner Faszination für den Wandel geschuldet. „Das hat auch rein gar nichts mit Nostalgie zu tun“, erklärt der Künstler.

Mit seiner Meinung über die Probleme, die der Tourismus mit sich bringt, will er bei der Vorabpräsentation des Projekts irgendwie nicht so richtig herausrücken. Er beschränkt sich darauf zu betonen, wie die Reisenden aus den verschiedenen Ländern den Dialog und die Öffnung des unter der Franco-Diktatur darbenden Landes gefördert haben.