Besser kann der Ort für eine Pressekonferenz kaum zum Anlass passen: Am Morgen vor der Eröffnungsgala des Evolution Mallorca International Film Festival lud Festivalleiterin Sandra Lipski auf eine Yacht zum Plausch mit Ruben Östlund ein. Dessen in Cannes prämierte bissige Sozialsatire „Triangle of Sadness“, der diesjährige Eröffnungsfilm, nimmt die Zuschauer mit auf eine äußerst unbequeme Luxuskreuzfahrt, bei der die Reichen und Schönen ihr Fett abbekommen. Lipski glühte förmlich vor Stolz und Vorfreude, den schwedischen Regisseur für das Festival gewonnen zu haben, und musste sich bremsen, um ihm nicht selbst zu viele Fragen zu stellen („Ich bin bin gerade Feuer und Flamme!“).

Und Östlund – nonchalant und in bester Stimmung – sprach darüber, wie gern er sein Publikum an die Grenzen bringt. „Ich möchte immer, dass es eine Erfahrung ist, ins Kino zu gehen. Als wir mit ‚Triangle of Sadness‘ begonnen haben, sagte ich zur Crew: Ich will eine wilde, unterhaltsame Achterbahnfahrt für Erwachsene!“ Es gebe etwa eine krasse Szene, in der die Passagiere seekrank werden. „Die Zuschauer sind clever und sagen sich: Gut, hier wird offenbar gekotzt. Aber dann muss man noch zehn Schritte weitergehen, als das Publikum erwartet – erst dann erschafft man etwas. Das ist meine Philosophie als Filmemacher.“ Er hoffe daher auf starke Reaktionen und „viele Yachtbesitzer“ bei der Vorführung.

Filme müssen gemeinsam geschaut werden

Östlund hält im Übrigen nicht viel davon, allein zu Hause vor dem Bildschirm zu sitzen und sein Gehirn permanent Reizen auszusetzen, ohne sie zu hinterfragen. „Das Einzige, was schwedische Familien sich gemeinsam anschauen, ist der ‚Eurovision Song Contest‘“, bedauerte er. „Es ist wichtig, Filme zu machen, die für eine Gruppe funktionieren. Wenn wir etwas zusammen im Kino sehen, bringt uns das zum Diskutieren und auf andere Weise zum Reflektieren über die Inhalte.“

Für die erste Fassung seines Erfolgsfilms, die noch dreieinhalb Stunden lang war, suchte er sich ein gemischtes Testpublikum – nur Filmliebhaber, keine Experten und Kritiker. Danach habe er den Rhythmus angepasst. Seine „Versuchskaninchen“ fand er in Campos: Ein großer Teil der Postproduktion fand nämlich auf Mallorca statt. Da Östlund einen kleinen Sohn hat und die Schwiegereltern auf der Insel leben, kaufte er sich hier ein Dorfhaus.

Dreh auf dem Flughafen von Palma de Mallorca?

Und kommt nach dem Schnitt nun auch ein Dreh auf der Insel? Östlund erklärte, bereits mit der Mallorca Film Commission die Möglichkeiten für sein nächstes Projekt „The Entertainment System Is Down“ zu prüfen, das ein epischer Film im Kammerspiel-Format werden soll. „Wir wollen auf einem Flughafen drehen, vor allem aber in einem Flugzeug“, sagte der Regisseur.

Die Geschichte spielt auf einem Langstreckenflug, bei dem die Passagiere die „Horror-Nachricht“ erhalten, dass die Bildschirme nicht funktionieren. „Ich kann Ihnen auch schon verraten, dass das Flugzeug am Ende abstürzt und alle sterben“, fügte er beiläufig hinzu. Das eigentliche Drama beginne aber, als den Fluggästen zur Entschädigung für die fehlende Unterhaltung Käse-Sandwiches und Mineralwasser angeboten werden. „Sie sagen: Das ist nicht genug! Wir wollen kostenlosen Alkohol“, so Östlund. Wenn es statt Brot und Spiele nur noch Brot gibt, rebelliert das Volk. Natürlich will der Schwede bei dieser Verhaltensstudie auch die Zuschauer wieder leiden lassen.

„Wir haben unzählige Möglichkeiten, uns abzulenken, und müssen uns nicht mehr mit unseren Gedanken auseinandersetzen“, so der offenkundig von dem Szenario faszinierte Östlund. Er habe von einem soziologischen Experiment gehört, bei dem die Teilnehmer in einem Raum nichts tun sollten – sie wussten aber nicht, dass es nur um 15 Minuten ging. Eine „grauenvolle Erfahrung“ für den modernen Menschen. Die Probanden hatten die Option, sich per Knopfdruck selbst einen ungefährlichen, aber schmerzhaften Stromschlag zu verpassen. „Fast 40 Prozent zogen es vor, den Knopf zu drücken“, erzählte Östlund, mit einer Mischung aus ungläubigem Amüsement und Verzweiflung ob unserer Gesellschaft.