Helen Fielding im Interview auf Mallorca: So entstand Kultfigur Bridget Jones
Die britische Bestseller-Autorin Helen Fielding (67) erschuf mit Bridget Jones eine Identifikationsfigur für Generationen von Frauen. Ein Presse-Gespräch

Die britische Bestseller-Autorin Helen Fielding beim Pressetermin. / FOTO: MIQUEL A. CAÑELLAS / FLEM
Als 1995 die überregionale englische Tageszeitung „The Independent“ die Autorin und Journalistin Helen Fielding (67) damit beauftragte, eine anonyme und sarkastische Kolumne über moderne Singlefrauen zu verfassen, konnte niemand ahnen, dass sie damit gleichzeitig ein neues Popkultur-Phänomen und den Beginn des „Chick-Lit-Genres“ (Unterhaltungsliteratur für junge Frauen, Anm. d. Red.) erschaffen sollte. Fieldings Kolumne in Form von radikal ehrlichen Tagebuch-Einträgen ihrer fiktionalen Protagonistin Bridget Jones, einer Londoner Journalistin Anfang 30, die mit ihrem Gewicht, Alkohol, Nikotin und Beziehungen kämpft, schlug ein wie eine Bombe. Entgegen jeder Erwartung konnten sich viele Leserinnen mit Bridget identifizieren und die Figur wurde zum Spiegel für die „moderne, urbane Frau“. 1996 brachte Fielding „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ als ersten Band der vierteiligen und verfilmten Romanreihe heraus, die zum Welterfolg wurde. Am Samstag (4.10.) war die Bestseller-Autorin beim Literaturfestival FLEM in Magaluf zu Gast und stellte sich beim Pressetermin vorab den Fragen lokaler und internationaler Medien. Die MZ protokolliert die Journalistenrunde.
Bridget Jones ist eine Art Antiheldin. Sie ist tollpatschig und irgendwie auch ein bisschen lächerlich, aber trotzdem verlieben sich sowohl Männer als auch Frauen in sie. Haben Sie die Figur als Rache gegen das perfekte Image, das von Frauen erwartet wird, kreiert?
Worum es wirklich geht und warum Bridget mit so vielen Leserinnen resoniert, ist diese Kluft, die wir alle spüren, zwischen dem, wie wir glauben, sein zu müssen, und dem, wie wir tatsächlich sind. Bridget ist wie deine Vertraute. Keiner möchte eine Freundin haben, die dir beim Treffen erzählt: „Oh mein Gott, ich bin so dünn, so schön und so erfolgreich, und ich hatte einen wunderbaren Tag.“ Man wünscht sich vielmehr eine ehrliche Freundin, die sagt: „Du wirst nicht glauben, was mir gerade passiert ist. Hol uns mal ein Glas Wein.“ Es geht um Authentizität. Ich denke, dass durch die sozialen Medien und seit der Pandemie dieses Gefühl in uns immer mehr gewachsen ist, dass es einerseits deine reale Person gibt und dann diese andere Person, die man sein sollte. Deshalb ist Bridget auch nach 30 Jahren noch so erfolgreich – sie spricht etwas Grundlegendes in den Menschen an.
Wie entstand die Figur von Bridget Jones?
Bevor ich mit der Kolumne startete, hatte ich bereits den Pilotfilm für eine BBC-Sitcom geschrieben, die „30s Panic“ hieß. Denn in den 90er-Jahren war es etwas Neues, dass Frauen alleinstehend lebten und plötzlich ihren eigenen Job, ihr eigenes Auto und ihre eigene Wohnung hatten und nicht heiraten mussten. Es war nicht mehr wie bei Jane Austen. Aber trotzdem fühlten wir uns alle dumm, denn jedes Mal, wenn man seine Eltern besuchte, fragten sie: „Warum bist du noch nicht verheiratet? Die Uhr tickt …“ Genau um diese Kluft zwischen Anspruch und Realität ging es in der Sitcom. Der Running Gag war also: „Ich werde nicht mit ihm schlafen.“ Schnitt zu: Sie liegt mit ihm im Bett. Bridgets Charakter hatte ich dafür also schon entwickelt. Dann musste mit der Kolumne alles ganz schnell gehen. Sie wissen ja, wie es ist, Journalist zu sein. Plötzlich hieß es: „Mach es heute.“ Da habe ich ein Foto von unserer Sekretärin gemacht und hatte damit ein Bild der Protagonistin. Dann habe ich mir ruck, zuck einen beliebigen Namen überlegt, ich schrieb ja anonym. Wir haben in dem Moment nicht zu viel darüber nachgedacht. Hätte ich gewusst, dass so viele Leute die Texte lesen würden, hätte ich mich nicht getraut, so ehrlich zu schreiben.
Haben Sie sich für Bridgets Charakter bei sich selbst inspiriert? Sind Sie eine unsichere Frau?
Du hättest mich mal heute Morgen beim Fertigmachen beobachten sollen (lacht) … Ja, ich bin unsicher. Je bekannter man ist, desto mehr Leute schauen einen an und desto mehr denkt man über seine Außenwirkung nach. In meinem eigenen Leben läuft vieles schief, weil ich ziemlich abgelenkt bin und viel über andere Dinge nachdenke. Aber wenn ich tatsächlich komplett wie Bridget wäre, würde ich meine Karriere und all die Herausforderungen hierbei nicht hinbekommen.
Wie hat sich Bridget mit der Zeit verändert?
Ich glaube, Menschen ändern sich nicht komplett. Aber seitdem Bridget wie im aktuellen Film eine Mutter ist, hat sie sich weiterentwickelt. Als Mutter kann man sich nicht mehr so auf sich selbst konzentrieren, sondern übernimmt Verantwortung für seine Kinder. Ich selbst habe eine Tochter, die 19 ist. Wenn ihre Freunde, alle aus der Generation Z, zu mir nach Hause kommen, dann sind sie so wie Bridget früher mit ihren flauschigen Pyjamas. Nur dass Bridget Wein und Eiscreme in sich hineingestopft hat, während sie jetzt Kollagenshakes und Proteinriegel konsumieren – die tröstende Gemütlichkeit und Gemeinschaft ist dieselbe. Genauso ist Bridget noch die Gleiche wie zu Beginn der Buchreihe. Sie ist ein guter Mensch, sie ist ehrlich und eine echte Freundin. Und sie meistert in jedem Buch und Film alle Schwierigkeiten. Es gibt immer einen Punkt, an dem sie das Ruder herumreißt und sagt: „Okay, ich packe das Problem an und löse es.“ Und trotzdem verbrennen ihr weiterhin die Spaghetti, sie bleibt menschlich.
Planen Sie noch eine Weiterentwicklung für Bridget oder bleibt es beim Happy End?
Ich hatte immer das Gefühl, dass ich nach meinem ersten Erfolg mit Bridget jedes Jahr ein Buch über sie hätte schreiben können. Aber für mich ist es ein Geschenk, dass diese Figur so viele Menschen berührt hat, und ich trage die Verantwortung für ihre Integrität. Bei Bridget gibt es keine Zauberer, keine Superhelden, nichts explodiert. Es geht nur um eine Frau und ihre Sichtweise. Derzeit habe ich keine neue Idee für ein weiteres Bridget-Buch. Wenn ich etwas zu sagen hätte, das echt und interessant wäre, dann würde ich es tun, aber wenn nicht, dann nicht. Wir alle wissen, dass das Leben wie in Wellen verläuft: Es gibt gute Zeiten und schlechte Zeiten, und man muss sich darauf einlassen. Aber ich finde, dass die Welt ohnehin schon hart genug ist. Wir sind alle Journalisten, wir können nicht so tun, als wäre es gerade eine einfache Zeit, in der wir leben. Warum also nicht mit einem Buch oder einem Film ein bisschen Glück in die Welt bringen? Ich könnte meine Bücher leicht mit einem traurigen Ende abschließen. Ich bin nicht dumm, aber ich würde lieber ein glückliches Ende lesen oder einen Film positiv verlassen. Das ist mein Stil, das ist, was ich mache.
Haben Sie Candice Bushnells, die Autorin von „Sex and the City“, jemals getroffen?
Ja, ich habe sie auf ihrer Pressereise in London kennengelernt, und wir waren was trinken. Wir beide hatten Glück, denn wir haben nicht wirklich was erfunden. Aber wir waren damals die ersten Journalistinnen, die humorvoll über den Alltag von Singlefrauen in ihren Dreißigern schrieben. Der Rest ist Geschichte.
Verändert Ihr Besuch bei diesem Literatur-Festival das Image von Magaluf bei den Briten? Motto: Reading statt Drinking in Magaluf?
Raten Sie mal, warum ich hier bin (lacht) … die Briten lieben Mallorca. Ich selbst war schon oft auf der Insel. Es ist toll, das Festival hier zwischen den Hotelburgen zu veranstalten anstatt in Palma, noch dazu kostenlos. Alle lesen am Strand. Ich finde, wir sollten den Snobismus in Bezug auf Bücher ablegen. Literatur und Lesen stimulieren die geistige Gesundheit und sind für jedermann. Das findet die Queen übrigens auch, das hat sie mir vor zwei Wochen bei einem Meeting in ihrem Lesesaal persönlich erzählt.
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