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So viel Gaudí steckt in der Kathedrale von Mallorca

Die Insel beteiligt sich an den Feierlichkeiten zum "Año Gaudí 2026". Denn der berühmte katalanische Architekt wurde Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Umgestaltung von "La Seu" beauftragt. Welche Spuren er im großen Gotteshaus von Palma hinterließ

Der Baldachin über dem Altar in der Kathedrale ist ein Werk von Antonio Gaudi von 1912.

Der Baldachin über dem Altar in der Kathedrale ist ein Werk von Antonio Gaudi von 1912. / B.Ramon

Im kommenden Jahr jährt sich zum hundersten Mal der Todestag des katalanischen Architekten Antoni Gaudí (1852–1926). Zu diesem Anlass sollen in einem Gendenkjahr 2026 alle Werke und Institutionen vereint werden, bei denen er seine Hände im Spiel hatte. Zwar befinden sich die meisten Stätten, an denen der Meister des Modernisme – der katalanischen Spielart des Jugendstils – wirkte, in Katalonien. Doch auch in Palma hinterließ Gaudí einen bleibenden Eindruck: Zwischen 1904 und 1915 führte er auf Veranlassung des äußerst fortschrittlichen Bischofs von Mallorca, Pere Joan Campins, eine liturgische und künstlerische Reform von einzigartiger Bedeutung in "La Seu" durch.

Es überrascht daher nicht, dass sich auch die Kathedrale von Palma am "Año Gaudí 2026" beteiligen und eine Reihe von Aktivitäten durchführen wird. Die Initiative ist am Donnerstag (30.10.) bei einer gut besuchten Pressekonferenz in Barcelona vorgestellt worden. Sebastián Escalas, Koordinator der Gedenkfeier in der Kathedrale, erklärte, dass die Intervention Gaudís das Ziel hatte, "die Teilnahme der Gläubigen am Gottesdienst zu erleichtern und zu verbessern". Obwohl unvollendet, habe sie "einen tiefgreifenden Wandel in der Auffassung des heiligen Raums der Kathedrale" markiert. Escalas betonte, dass der Architekt Licht und Ornamentik als symbolische und spirituelle Elemente für die Feierlichkeiten integrierte.

Architekt und fortschrittlicher Bischof: ein Dreamteam

Der Katalane ließ zahlreiche Elemente entfernen, um größere Helligkeit, vor allem aber mehr Nähe zwischen dem Volk und dem Bischof herzustellen. Eine Prämisse, die später beim Zweiten Vatikanischen Konzil formuliert wurde. Campins war seiner Zeit voraus: Er reiste, bevor er die Neugestaltung der Kathedrale La Seu in Auftrag gab, quer durch Europa und besuchte Gotteshäuser, die bereits nach den neuen Idealen umgebaut worden waren.

Antoni Gaudí lernte der Geistliche in Barcelona kennen. "Schon beim ersten Treffen haben die beiden konkret über die Neugestaltung der Kathedrale gesprochen", sagte die Konservatorin und Historikerin Catalina Mas 2014 in einem Interview mit der MZ. Damals hatte die Insel das "Campins-Gaudí-Jahr" ausgerufen – genau 100 Jahre nachdem der Architekt selbst seine Arbeiten 1914 für beendet erklärte, obwohl noch zahlreiche Details fehlten.

Gaudí maß dem Licht große Bedeutung zu.

Gaudí maß dem Licht große Bedeutung zu. / B.RAMON

Campins hatte beim ersten Aufeinandertreffen mit Gaudí schon klare Vorstellungen: Er wollte "ein Kirchenschiff für das Volk, einen Altar für Gott und einen Stuhl für den Bischof". Der Architekt zeichnete bei dieser Unterredung bereits die ersten Entwürfe für den Umbau. Diese fanden Campins Wohlwollen – und schnell war man sich einig. Das Hauptanliegen des Bischofs: Der Chorraum, in der Mitte des Hauptschiffes – und damit quasi ein Gebäude im Gebäude – sollte entfernt werden. Denn wer damals auf den Bänken dahinter saß, konnte den Hochaltar und folglich auch den Priester nicht sehen.

Elektrische Kerzen und Glasfenster

Gaudí kam am 26. März 1902 zum ersten Mal nach Palma und begann mit den Planungen. Das Entfernen der als störend empfundenen Elemente ging rasch voran: Im Juni 1904 starteten die Arbeiten, und am 8. Dezember war bereits alles herausgerissen. "Das Innere der Kathedrale sah aus wie nach einem Krieg", erklärte Mas. Neben dem Chor mussten vor allem barocke Elemente der moderneren Ausrichtung weichen. So wurde etwa mit zahlreichen barocken Verzierungen an den Säulen kurzer Prozess gemacht.

Nach den Abrissarbeiten begann Gaudí mit seinem schöpferischen Auftrag und gestaltete in den folgenden zehn Jahren die Kathedrale nach seinen und Campins‘ Vorstellungen um – und hinterließ jede Menge Spuren. Jeder der 14 Pfeiler, die das Hauptschiff von den Seitenschiffen trennen, bekam ein Band aus elektrischen Kerzen, die an goldene Kronen erinnern. Gaudí war damit beauftragt worden, die gesamte Kathedrale zu elektrifizieren. Auch die beiden Glasfenster im Altarraum und die kleine Rosette in der Mitte sind das Werk Gaudís. Bei den Glasfenstern handelt es sich um ein weltweites Unikat. Gaudí arbeitete mit drei übereinanderliegenden Gläsern, um mehr Farbschattierungen zu schaffen – eine Technik, die laut Mas vorher und hinterher nie mehr angewandt wurde, wohl aufgrund der hohen Kosten.

Keramikdekorationen, Hohlraum und Baldachin

Der Chor wurde in das ins Presbyterium – die Königskapelle – eingegliedert. An der Apsis der Kapelle entstand in Zusammenarbeit mit Josep Jujol ein Wandensemble aus Keramik, bei dem vor allem pflanzliche und heraldische Motive hervorstechen. Unter dem Chorgestühl schuf Gaudí einen Hohlraum, der in Zeiten, als es noch keine Mikrofone gab, als Resonanzkörper für bessere Akustik fungierte. Der mannshohe Raum wurde erst rund hundert Jahre später im Zuge von Restaurierungsarbeiten wiederentdeckt.

Gaudís Wandensemble aus Keramik in der Königskapelle.

Gaudís Wandensemble aus Keramik in der Königskapelle. / B.RAMON

Das bis heute sichtbarste und bekannteste Werk Gaudís ist der spektakuläre Baldachin, der im Hauptschiff förmlich zu schweben scheint. Wobei dieser aber gar nicht vollendet wurde. "Nur ein kleiner Teil ist wirklich fertig und besteht aus den ursprünglich angedachten Materialien Glas und Blei. Der Rest gehört noch zu dem Entwurf aus Papier oder Holz", erklärte die Historikerin.

Schuld daran war der überhastete Abschied von Gaudí aus Palma. Noch heute rätseln die Forscher über den Grund. Hatte er sich mit Campins überworfen oder wurde er zu einem anderen dringenden Auftrag gerufen? Die Umgestaltung der Kathedrale wurde jedenfalls nie abgeschlossen. Auch, weil Campins im Februar 1915 überraschend starb. Doch obwohl der Auftrag in Palma abrupt endete – für den Architekten selbst war er Gold wert. "Die Kathedrale in Palma diente ihm quasi als Generalprobe für seine Sagrada Familia in Barcelona", so Mas.

Auszüge dieses Textes erschienen bereits in einem MZ-Artikel aus dem Jahr 2014

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