Malerei aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert mag für manch einen fern und ohne Bezug zur Gegenwart sein. Doch im Fall der Ausstellung "Joan Fuster – 150 aniversari" ist es der lebensfrohe, elegant gekleidete Enkel des Künstlers, Joan Oliver ‚Maneu‘ (86), der eine Brücke schlägt und die Erinnerung lebendig hält. Ein Rundgang mit ihm ist wie die Begehung eines Familienalbums.

Der ehemalige renommierte Galerist hat die große Retrospektive mitorganisiert, die bis zum 30. April mehr als 100 Werke seines Großvaters auf zwei Stockwerken der Fundació Cultural Coll Bardolet und in der Kartause von Valldemossa zusammenführt.

Die Landschaft von Mallorca von ihrer schönsten Seite

Der 1870 in Palma geborene Künstler Joan Fuster Bonnín war vor allem berühmt für seine Gemälde der Landschaft von Mallorca, die er verherrlichte und stets von ihrer schönsten Seite zeigte: allen voran Valldemossa, aber auch das dortige Landgut Son Moragues, Biniaraix oder Ansichten von Palma. Joan Oliver ‚Maneu‘ sagt: „Wenn er einen Berg malte, erschien sein Herz auf der Leinwand.

Sein Großvater habe sich für eine Art Apostel der mallorquinischen Landschaft gehalten, und dabei stets fieberhaft gearbeitet. Fuster stand jeden Morgen um sechs Uhr auf, um zu malen, behauptet sein Enkel, der solch eine Disziplin für unerlässlich hält: „Miró sagte einmal zu mir, man muss mit den Füßen auf dem Boden bleiben und jeden Tag arbeiten. Inspiration ist ein Märchen.“ Oliver selbst durfte als Kind dabei mithelfen, die Pinsel des Künstlers auszuwaschen.

Porträts, Genrebilder und Familiengeschichte

Die Ausstellung beweist, dass Fusters Werk noch weit mehr als idyllische Landschaftsmalerei zu bieten hat: Ein Raum in der Fundació Cultural Coll Bardolet zeigt etwa offizielle Auftragsporträts illustrer Söhne von Mallorca oder von Persönlichkeiten wie dem General Weyler. Daneben: Genrebilder von Fischerinnen und natürlich Porträts der Familienmitglieder.

Fuster hatte vier Töchter, die dritte war Joan Olivers Mutter. Vor einem Bild seiner Tante Ignàcia mit 17 Jahren aus dem Jahr 1917, eine gedankenversunkene junge Frau in rosa-weißem Kleid, hält der Künstler-Enkel inne: „Dieses Bild mag ich sehr, weil es einen Hauch von französischem Impressionismus hat und sehr an Renoir erinnert“, sagt er.

Optimistisch farbenfrohe Stillleben

Jedes Bild erzähle eine Geschichte – und die meisten davon kennt Oliver. Joan Fuster starb im April 1943. Im letzten Jahr seines Lebens hatten ihm die Ärzte von der alljährlichen Sommerfrische in Valldemossa mit anstrengender Bergbesteigung abgeraten. „In Esporles fand er einen Garten mit fantastischem Obst, und er durfte davon so viel er wollte zum Malen benutzen“, erzählt Oliver.

Keine Selbstverständlichkeit, denn in den frühen 1940er-Jahren herrschte großes Elend, und Früchte und Fisch gehörten zu den wenigen verfügbaren Lebensmitteln. „Er fühlte sich veranlasst, den schweren Zeiten eine optimistische Malerei entgegenzusetzen“, sagt der Enkel. Das Ergebnis: luxuriös bestückte Stillleben, in denen jeweils ein kräftiger Farbton dominiert: Rot, Blau, Grün oder Weiß. Der Künstler erlebte gerade noch die Ausstellungseröffnung.

Das womöglich beste Bild von Joan Fuster

Das Stillleben „Natura morta amb llimones“ (ca. 1916) war immer im Besitz der Familie. Nele Bendgens

Stilistisch ganz anders, fast wie ein Velázquez aus dem 17. Jahrhundert, mutet ein früher entstandenes Stillleben mit Zitronen und gelben Blumen an. Es hängt in der Kartause, wo die Ausstellung weitergeht und die Wände überbordend von der malerischen Vielfalt sind.

Zu einer Landschaft von Valldemossa erklärt Oliver: „Meine Mutter sagte immer, das sei das beste Bild, das mein Großvater je gemalt hat. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber es ist gut und sehr gewagt.“ Betrachtet man es von Nahem, ist die pastose Materialität der Malerei so deutlich greifbar wie bei kaum einem anderen Werk von Fuster. Erst mit etwas Abstand fügt sich die Komposition für das Auge zu einer Landschaft zusammen.

Das vielleicht beste Bild von Joan Fuster? „Paisatge de Valldemossa“ (ca. 1920, Detail). Nele Bendgens

Joan Oliver hingegen hegt besondere Zuneigung für ein ganz in Weißtönen gehaltenes Porträt seiner Großmutter, ausgeführt in der anspruchsvollen Pastell-Technik: Zarte Rosenblätter und Rüschen unterstreichen den Liebreiz der jungen Frau. Fuster malte es im Jahr seiner Hochzeit: Laut dem Enkel war er mit seiner Gemahlin ein Leben lang glücklich – und gerade bis über beide Ohren verliebt, als er das Porträt schuf. Oliver sagt: „Wenn ich nur ein einziges Bild meines Großvaters retten könnte, dann würde ich dieses wählen.“

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Mit Liebe gemalt: „Retrat de l’esposa“ (1898). Nele Bendgens