Puderwolken mit Lavendelduft steigen von der Bühne empor, und eine junge Frau bewegt sich mit anmutigen Gesten aus einer fernen Epoche: Es ist Maria Anna Mozart, genannt „Nannerl“. Obwohl sie genau wie ihr berühmter Bruder Wolfgang Amadeus ein Wunderkind war, erging es Nannerl wie so vielen weiblichen Genies, die selbst Musik kreierten: Ihr Werk ging verloren, und lange Zeit erzählte niemand ihre Geschichte.

Das vielfach preisgekrönte Off-Broadway-Bühnenstück „The Other Mozart“ holt die Tasten-Virtuosin aus dem Schatten des Bruders und macht sie zur Protagonistin: Erdacht, geschrieben und im Original aufgeführt von der in New York lebenden Schauspielerin und Produzentin Sylvia Milo, feiert die deutschsprachige Fassung des faszinierenden Stücks nun am 21. und 22. August Vorpremiere im Studio Weil auf Mallorca.

Anja Bourdais spielt Nannerl auf Mallorca in deutscher Sprache

Unter der Regie von Isaac Byrne schlüpft in der deutschen Version Anja Bourdais (42) in die Rolle von Nannerl. Ein Herzensprojekt für die unter anderem am Lee Strasberg Theatre Institute in New York ausgebildete Schauspielerin. Sie selbst hat zwei Kinder und vermag der Figur durch diese Erfahrung eine Reife zu verleihen, die manch jüngerer Schauspielerin womöglich fehlt: „Ich habe erst später richtig verstanden, dass ich in einer ähnlichen Situation war wie Nannerl die meiste Zeit in ihrem Leben: durch die Familie oder durch äußere Umstände keine Kunst machen zu können oder zu dürfen“, erzählt Bourdais im MZ-Gespräch. „Es ist für uns Frauen immer noch schwierig, beides zu vereinen – gerade in der Kunst, weil man sich dabei tief fallen lassen und alles geben muss.“

Auch Bourdais’ persönlicher musikalischer Hintergrund habe ihr dabei geholfen, sich der historischen Figur anzunähern: Sie fing genau in dem Alter an Klavier zu spielen, in dem Nannerl damit begann, mit etwa sieben Jahren. Als Mozarts Schwester ins heiratsfähige Alter kam, war es mit den Auftritten vorbei: Ihre Karriere endete mit 18. Bourdais legte ihr Klavierspiel auf Eis, als sie begann, Jura zu studieren. „Bei Nannerl waren es natürlich andere Gründe als bei mir, aber als Interpretin im klassischen Klavierbereich konnte ich mich da sehr gut einfühlen“, sagt die Schauspielerin.

Die Passage im Stück, in der Nannerl erfährt, dass Bruder und Vater zum ersten Mal ohne sie auf Tournee gehen, berühre sie jedes Mal aufs Neue. „Es ist ein Moment, in dem sie immer wieder fragt: Warum? Liegt es an mir, an meinen Händen? Das Mädchen versteht einfach nicht, warum es zurückgelassen wird.“ Nannerls Mutter erkläre ihr dann: Die Musik ist für dich nur eine Zierde – und Mittel zum Zweck, um einen guten Mann zu finden.

Die Welt, in der sich Nannerl Mozart (Anja Bourdais) bewegt: Ein prächtiges Kleid, das die gesamte Bühne einnimmt. | F.: THE OTHER MOZART Brigitte Rohm

Originalmusik von Nathan Davis und Phyllis Chen

Im Solo-Bühnenstück kommt der Musik indes eine zentrale Bedeutung zu: Sie wird zum unsichtbaren Hauptspielpartner der Darstellerin – „so, wie sie damals für Nannerl der einzige konstante Partner war, mit dem sie sich permanent austauschte“, sagt Bourdais. So ist Musik von Wolfgang Amadeus Mozart zu hören, die in diesem Kontext eine neue Bedeutung bekommt, und von der Komponistin Marianna Martines, die Nannerl einst inspirierte. Dazu schrieben die Komponisten Nathan Davis und Phyllis Chen hochkarätige Originalmusik eigens für das Stück. Von Spieldosen, Glocken und Cembalo bis zur Teetasse gibt es kaum einen Gegenstand, der sich nicht als Instrument eignet und Nannerls Fantasie und Kreativität beflügelt.

Was den Text betrifft, so basiert er überwiegend auf Fakten und Geschichten aus den Briefen der Familie Mozart, die zugleich zu den wichtigsten Accessoires für die Schauspielerin werden: Sie zitiert daraus, sie redet mit ihnen, und sie hat stets einen Brief in der Hand. „Ab dem Moment, als Nannerl nicht mehr reisen durfte, war das für sie die einzige Möglichkeit, noch an dieser Welt teilzuhaben“, erklärt Bourdais.

Neben den emotionalen Momenten gibt es auch weniger ernste Stellen zur Auflockerung – etwa wenn Nannerl sich für den Ball recht gewagt als Amazone verkleidet. Für die authentischen Gesten mit Hofknicksen und Fächersprache stand der Darstellerin Janice Orlandi zur Seite, eine Bewegungsspezialistin für historische Stile.

Das Kleid symbolisiert Schönheit, wird aber auch zum Gefängnis

Auch Constanze wird im Stück humorvoll aufs Korn genommen, wenn Wolfgang Amadeus versucht, zwischen der Ehefrau und der Schwester zu vermitteln: „Es ist eine große Herausforderung, als Schauspielerin alle drei Rollen in verschiedenen Stimmen miteinander reden zu lassen“, sagt Bourdais. In der deutschsprachigen Fassung galt es im Übrigen, den Spagat zwischen veraltetem Deutsch, einem „bisserl Österreichisch“, der Originaltreue und der Verständlichkeit für moderne Ohren zu meistern.

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Nicht minder schwierig: der Umgang mit dem opulenten Kleid, das auch Lady Gaga gefallen könnte und mit fast sechs Meter Durchmesser die gesamte Bühne einnimmt. „Es ist Nannerls Welt, in der alles stattfindet“, sagt Bourdais. Bei der ersten Probe mit Kleid habe sie das Gefühl gehabt, gegen das prächtige Gewand kaum anzukommen: „Das ist, als ob ein Topmodel mit im Raum wäre“, so die Schauspielerin. „Das Kleid symbolisiert das Schöne, es wird aber auch zum Gefängnis. Am Ende kommt Nannerl nicht mehr heraus.“ Das Korsett als goldener Käfig. Wäre sie von diesen Zwängen befreit gewesen, könnten wir wohl noch heute die Musik der begabten Komponistin Nannerl Mozart genießen.

"The Other Mozart", 21. und 22.8., jeweils 20.30 Uhr, Studio Weil, C/. Valleluz, 1, Port d’Andratx, Eintritt: 35 Euro (inkl. Cocktail-Empfang in Anwesenheit der Hauptdarstellerin), Karten: theothermozart.de