Von politisch bis verspielt, aber immer inspirierend: Das Independent-Festival Cool Days in Artà ist ein sehr guter Grund, um Mitte Mai einen Ausflug in den Nordosten von Mallorca zu unternehmen.

Das angekündigte Highlight, das Konzert von Macaco am Samstagabend (14.5.), wurde zwar kurzfristig abgesagt, wie die Veranstalter über die sozialen Netzwerke bekanntgegeben haben. Dennoch bleiben mehr als genug interessante Programmpunkte übrig.

Schon 16 Jahre sind vergangen, seit der exzentrische Liedermacher Albert Pla zum letzten Mal in Artà auftrat. „Er ist eine Persönlichkeit, die harte Sozialkritik übt und die niemanden kalt lässt“, sagt Festivalleiter Joan Matamales im Gespräch mit MZ. Sein aktuelles Programm, das er am 13.5. um 18.30 Uhr im Teatre d’Artà spielen wird, heißt „Os acordáis?“ und handelt von der Coronavirus-Pandemie – natürlich mit viel schwarzem Humor.

Performances von erfolgreichen Künstlern

„Zum zweiten Jahr in Folge setzen wir beim Festival sehr stark auf Performances von erfolgreichen Künstlern“, erklärt Matamales. Allen voran: Der spanische Künstler Santiago Sierra, der für seine brisanten Projekte bekannt ist. An der Installation „Mur de 171.000 litres d’faigua del Mar Mediterrani“ (Wand aus 171.000 Litern Wasser des Mittelmeers) wird buchstäblich niemand vorbeikommen.

Der Künstler will auf der Plaça del Conqueridor eine rund 80 Meter lange und drei Meter hohe Mauer aus Kanistern aufbauen, die mit Meerwasser gefüllt sind. „Das Werk symbolisiert die von europäischen Ländern errichtete ‚Wand‘, die Menschen im Mittelmeer sterben lässt und die der Aufnahme von Geflüchteten im Weg steht“, sagt Matamales. Die Projektpräsentation findet am 12.5. um 20.30 Uhr mit einer Vertreterin der Seenotrettungs-NGO Open Arms statt. Am 14.5. werden im Teatre d’Artà um 18.30 Uhr zudem Sierras neueste Arbeiten als Video auf der Leinwand gezeigt, er selbst beantwortet dazu Fragen.

Lieder der Franco-Diktatur

Nicht minder Sprengkraft besitzt eine Performance seines Freundes und Bruders im Geiste, Eugenio Merino: Der Künstler präsentiert sie in einem ehemaligen Kriegsgefangenenlager bei Artà. „Während des Spanischen Bürgerkriegs wurden die dort internierten Republikaner zum Straßenbau gezwungen“, erklärt Matamales. „Außerdem mussten die Gefangenen im Arbeitslager Lieder der Franco-Diktatur singen.“ Merino veranstaltet am 13.5. um 18 Uhr ein Konzert mit vier Musikern, die ebenjene Lieder in den Ruinen des Lagers spielen werden – Gänsehaut und Kloß im Hals liegen dicht nebeneinander. Wer dabei sein möchte, sollte eine Stunde vorher sein Auto am Parkplatz des Parc Natural de Llevant abstellen und eine halbe Stunde Fußweg einplanen.

Hinter dem Kürzel MDR steht nicht nur der Mitteldeutsche Rundfunk, sondern auch die Show „mort de riure“ (Tod vor Lachen) der Kompanie Los Galindos, die am 14.5. um 20.30 Uhr am Bahnhof aufgeführt wird. „Sie wirkt wie ein Clowns-Stück, ist aber sehr makaber und absolut nichts für Kinder“, warnt der Festivalleiter.

Für kleine Zuschauer ab sieben Jahren sei hingegen das Zirkus-Theaterstück „Peix“ der Kompanie Hotel Iocandi empfohlen (12.5., 17.30 Uhr, Amfiteatre de Na Batlessa), das dem mallorquinischen Publikum Umweltbewusstsein einschärfen möchte.

Der Konzertabend „Parné“ mit Glòria Ribera, eine Hommage an Couplet-Künstler am 15.5. um 12 Uhr im Teatre d’Artà, ist hingegen ein Schmankerl für Senioren: Ab 65 Jahren ist der Eintritt frei, danach wird mit einem "vermut" auf der Terrasse angestoßen.

Palmzweige flechten und Geld verschenken

Mit „Llatrar“ gibt es am 14.5. eine sehenswerte Performance von Isabel Servera, deren Großeltern in Artà lebten. „Die Künstlerin wird in dem heute verlassenen Haus gemeinsam mit Frauen aus dem Ort das Traditionshandwerk ‚llatra‘ ausüben“, so Matamales. Die Freiwilligen flechten Palmzweige, während Servera mit Texten beschriebenes Papier nutzen wird. Wie Rapunzels Zopf soll das Ergebnis sich zum Fenster hinaus auf die Straße ranken.

Derweil lässt der norwegische Künstler John Fisherman andernorts Moneten herunter: Beim Stück „Money for free“ wird er das Volk per Angelrute vom Turm des Convent dels Pares Franciscans mit echten Banknoten ködern (14.5., 12 Uhr und 17.30 Uhr). Fishermans Kollegen haben die Aufgabe, die Zuschauer zu befragen, was sie mit dem Geld tun würden. „Die Kompanie versucht, das Publikum zum Nachdenken zu bringen: Warum sind wir Sklaven des Geldes?“, so Matamales. Wer umringt von Kapitalismus-Kritikern sein Gesicht wahren will, lässt sich vielleicht überzeugen, die Scheine per Heliumballon wieder in die Freiheit zu schicken …

Noch ein starkes Stück kommt von der preisgekrönten Kompanie Agrupación Sr. Serrano: „The Mountain“ am 12.5. um 19 Uhr im Teatre d’Artà handelt davon, was Wahrheit ist. „Ich habe es schon vor einem Jahr gesehen, und kurioserweise kommt Wladimir Putin darin vor“, sagt der Festivalleiter. Dessen Gesicht und Stimme würden dabei auf eine der Schauspielerinnen projiziert. Das Stück ist auf Englisch.

Ganz ohne Text können Sie den Rundgang mit Klangkunst „La pell del temps“ von Peix und Micus erleben, die am 15.5. um 19 Uhr an der Plaça de l’Ajuntament startet.

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Bei vielen Events ist der Eintritt frei, sonst gibt es Karten teils bei ticketib.com, zum Reservieren unter Tel.: 971-82 97 00 oder an der Abendkasse des Teatre d'Artà (19 bis 21 Uhr). Weitere Infos: cooldaysfestival.com.