Richard Wagner steckt ihm im Blut: Der Kölner Tenor Daniel Kirch lebt seit sieben Jahren in Portocolom und singt auf den internationalen Opernbühnen. Sein Fokus liegt dabei auf den Protagonisten aus dem Werk des großen deutschen Komponisten. Bei den Bayreu-ther Festspielen 2022 hatte der 48-Jährige nun gleich zwei Engagements: für „Das Rheingold“ und die Kinderoper „Lohengrin“.

Die Musikdramen von Wagner gehören zu Ihrem Kernrepertoire. Was hat Ihnen das Engagement in Bayreuth bedeutet?

Man sagt ja immer: „Bayreuth ist das Hollywood der Opernsänger.“ Es ist ein Forum, dem viel Beachtung geschenkt wird. Abgesehen davon hatte ich schon als Kind, mit 12, 13 Jahren, ein Abonnement mit einer Freundin. Ich fand diese Musik immer wahnsinnig toll und wollte bereits in der Grundschule Opernsänger werden.

Wie haben Sie Ihre Zeit in Bayreuth erlebt?

Ich war drei Monate mit dem Wohnmobil unterwegs, obwohl ich eigentlich nie Camper war. Und ich hatte eine intensive Probenarbeit. Meistens stand ich direkt neben dem Festspielhaus auf dem Parkplatz, konnte morgens in meiner Garderobe duschen, frühstücken und loslegen. In meinem Umfeld war eine sehr gute Stimmung, auch mit den Leuten, die hinter der Bühne arbeiten. Theater ist Synergie, alle Kräfte müssen dabei vereint werden.

Camping-Leben und glamouröse Abende im Festspielhaus klingen nach einer abenteuerlichen Kombination...

Diese Art von Kontrasten liebe ich! Mein Privatleben konterkariert immer das, was ich im Berufsleben mache. Und ich finde auch: Wenn man in die großen Musikdramen von Wagner eintaucht und ernste Stoffe wie „Tristan und Isolde“ singt, muss man immer mit Humor an die Sache herangehen. Sonst kann man das nicht ertragen und verfällt selbst in eine Depression. Diese Musik geht einem nah.

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Daniel Kirch vor seinem Haus in Portocolom Pere Estelrich

Bei „Das Rheingold“ hatten Sie die Rolle des Loge. Wie haben Sie die Figur interpretiert?

Loge ist der Strippenzieher und der Spieler im „Rheingold“. In der Inszenierung von Valentin Schwarz ist er als Anwalt dargestellt, als sehr ambivalente, zynische Figur. Ich war das schmierigste Wesen auf der Bühne. Ein Überbringer nicht nur positiver Nachrichten und immer auch Kommentator am Rande des Geschehens. Loge ist ein schlauer, listiger, kühner, den Untergang schon prophezeihender, Finger in die Wunde legender Charakter – spannend und mit viel Text in kurzer Zeit. Es war eine ganz andere Aufgabe als bei diesen technisch schwierigen Partien vom Lohengrin, Tristan oder Siegfried. Das ist eine ganz klare Schauspieler-Figur: Ohne Spiel und nur schön gesungen ist der Loge nichts. Ich hatte viel Spaß und eine gute Zeit mit ihm.

Die Inszenierung ist sehr modern und kommt als Familiensaga der Gegenwart daher. Wie wichtig finden Sie es grundsätzlich, dem „altehrwürdigen“ Stoff Aktualität zu verleihen?

Gerade „Der Ring des Nibelungen“ ist ein absolut aktueller Stoff! Die Macht des Geldes, Kapitalismuskritik... Je treffender das umgesetzt wird, desto erschütternder kann es sein. Viele Menschen rezipieren klassische Musik und Oper als etwas Schöngeistiges. Aber wir wollen da weiter. Es funktioniert im Musiktheater natürlich nicht immer alles, aber ich finde diese Ansätze total wichtig. Und ich mag die ganze Palette – heutige Figuren ebenso wie alte Opern in schönen Kostümen.

Warum haben Sie sich entschieden, Heldentenor zu werden? Und welcher Opern-Protagonist ist Ihnen besonders ans Herz gewachsen?

Als ich anfing, Gesang zu studieren, hätte ich nie damit gerechnet, einmal solche Rollen zu singen. Ich habe fast alle Fächer vom Tenorbuffo bis zum lyrischen Tenor durch und bin in den 27 Bühnenjahren immer weiter gewachsen. Bei meinem ersten und einzigen Festengagement an der Komischen Oper Berlin sagte einmal jemand zu mir: „Sie sind ein embryonaler Lohengrin.“ Der Lohengrin tauchte in meinem Leben immer wieder auf und verfolgt mich. Schon in der Kölsch-AG in der Schule haben wir ihn in Mundart aufgeführt. Das war auch eine der ersten Wagner-Platten, die ich meinem Vater geklaut habe.

Beruflich bewegen Sie sich in der Welt des bedeutungsschweren, deutschen „Nationalepos“. Hat es Sie auch deswegen nach Mallorca verschlagen, um dem etwas mediterrane Leichtigkeit entgegenzusetzen?

Vielleicht unbewusst. Für meinen Beruf brauche ich nur einen gut funktionierenden Flughafen – und das ist Palma de Mallorca. Ich bin überglücklich und dankbar dafür, dass ich dieses Leben so führen kann. Hier komme ich so schnell an und runter. Das ist nämlich nicht einfach: Von diesen Texten des Loge träume ich nachts. Es gibt Stellen, die wie Ohrwürmer sind, das ist manchmal belastend. Aber hier funktioniert es gut, dem zu entfliehen: Einfach ein bisschen mehr Flamenco und Reggaeton hören, dann ist das Leben wieder schön.

Sie hatten immer wieder Auftritte auf Mallorca, ob bei kleineren Finca-Konzerten oder vergangenes Jahr bei einem Benefiz-Event in Portocolom. Gibt es da schon weitere Pläne?

Das war eher durch die Pandemie bedingt. Ich fand es aber sehr schön und hoffe, dass da wieder etwas stattfindet, solange es in den Terminkalender passt. Ich finde sowieso, dass Mallorca ein Hotspot für mehr Hochkultur werden könnte – mit Masterclasses und tollen Künstlern, die hier gut arbeiten könnten.

Für die neue Spielzeit der Balearen-Sinfoniker stehen Sie am 14. April im Trui Teatre auf der Bühne. Was erwartet uns an diesem Abend?

Der auf Mallorca lebende Dirigent Marcus Bosch hat mich gefragt, ob wir den ersten Akt der „Walküre“ geben wollen. Ich freue mich riesig, nach den kleineren Konzerten auf der nächsten Stufe, mit großem Orchester, in meinem Kernrepertoire auftreten zu können.

In der Krise haben Sie auf dem Markt in San- tanyí auch selbst gebackenes Brot verkauft. Was ist aus diesem Projekt geworden?

Das ist gut angekommen und noch eine Idee, wo man vielleicht mehr daraus machen kann. Dann kam das Bayreuth-Angebot und hat mich in die Realität geholt, es ging wieder auf die Opernbühne. Wagner hat gegen das Brot gewonnen. Wobei Brot nun auch sehr essenziell ist. Wer weiß, was die Zukunft bringt.