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"Sie sind wie Dates": Warum der Produzent von "Dänische Delikatessen" für Kurzfilme brennt

Der dänische Produzent Kim Magnusson ist Spezialist für Kurzfilme. Zwei Oscars hat ihm das schon eingebracht. Über die Vorteile einer unterschätzten Sparte

Kim Magnusson beim Evolution Mallorca International Film Festival.

Kim Magnusson beim Evolution Mallorca International Film Festival. / EMIFF

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Kurzfilme kommen oft zu kurz. Das gilt auch für die Berichterstattung der MZ zu dem am Mittwoch (29.10.) zu Ende gegangenen Evolution Mallorca International Film Festival: Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen meist Spiel- und Dokumentarfilme. Ein Grund, dies einmal zu ändern, ist der Besuch des Dänen Kim Magnusson in diesem Jahr: Der Produzent, der unter anderem für Klassiker wie die schwarze Komödie „Dänische Delikatessen“ (2003) mitverantwortlich zeichnet, hat am 28. Oktober eine Masterclass dazu gegeben, wie man mit Kurzfilmen Oscars gewinnen kann.

Ihm selbst ist dieses Kunststück schon zweimal geglückt, mit „Wahlnacht“ (1999) und „Helium“ (2014); weitere von ihm produzierte Kurzfilme waren zumindest nominiert. Seinen Zuhörern in Palma erklärte er: „Es ist gar nicht schwer, zu den Oscars zu kommen. Mit einem tollen Film hat man auch eine große Chance, zu gewinnen.“ Abseits der konkreten Tipps für das Publikum aus der Branche sprach Magnusson, der im Laufe seiner Karriere bereits rund 80 Kurzfilme produziert hat, danach mit der MZ über diese unterschätzte Kunstform.

Kim Magnusson (links) bei seiner Masterclass im Rahmen des Evolution Film Festivals.

Kim Magnusson (links) bei seiner Masterclass im Rahmen des Evolution Film Festivals. / B. Rohm

Wie ein Trainingslager für Filmemacher

Herr Magnusson, Sie widmen einen großen Teil Ihres Schaffens den Kurzfilmen. Wie kommt das? Was begeistert Sie so daran?

Kurzfilme waren für mich immer wie ein Trainingslager. Also: nicht für mich selbst, aber für die Filmemacher. Ich habe so etwas wie meine eigene kleine Filmschule innerhalb unserer Filmproduktionsgesellschaft (M&M Productions, die er gemeinsam mit seinem Vater Tivi Magnusson gründete, Anm. d. Red.). Wenn du einmal einen Spielfilm oder eine TV-Serie machen willst, musst du zeigen können, dass du in der Lage bist, Regie zu führen, zu produzieren oder zu schauspielern. Für viele sind Kurzfilme also ein Übungsgelände, um zu entdecken, wie es wirklich ist, mit einem Medium zu arbeiten und immer besser zu werden.

Und was nützt das den Filmproduzenten?

Ein Financier für einen Film oder eine Serie wird sich später anschauen, was der Filmemacher vorher gemacht hast. Das ist ein bisschen wie im richtigen Leben: Du gehst auf ein Date. Wenn es nicht funkt, wirst du die Sache auf sich beruhen lassen. Aber wenn du heiratest und ein Kind bekommst, wirst du dieses Kind für immer haben. Einen Spielfilm gedreht zu haben, ist wie ein Kind zu haben. Er ist kommerziell und generiert Einnahmen, die du dann verteilen musst. Und selbst wenn du dich scheiden lässt, musst du dich für den Rest deines Lebens um dieses gemeinsame Baby kümmern. Aber nach einem Kurzfilm kann man einfach sagen: Es war ein mieses Date, dann treffen wir uns eben nicht mehr wieder.

"Hundertprozentige künstlerische Freiheit"

Welche Möglichkeiten bieten Kurzfilme, die man bei Spielfilmen oder Dokus nicht hat?

Um bei der Metapher zu bleiben: Wenn man ein Baby macht, hat dieses ein Leben. Und will man möglichst viel aus diesem Leben herausholen, geht es allein um die Wirtschaftlichkeit. Wenn du einen Film hast, der im Kino läuft, musst du sicherstellen, dass ihn sich hoffentlich auch jemand ansehen wird. Zumindest bei 99 von deinen 100 Filmen. Ein großartiger Filmemacher, der 20 erfolgreiche Filme gemacht hat, kann sich dann auch mal einen Arthouse-Film erlauben. Aber bei Kurzfilmen hast du hundertprozentige künstlerische Freiheit, die es bei Spielfilmen so nicht gibt. Es geht darum, dass sich die Filmemacher – Drehbuchautoren und Regisseure – ausdrücken können und zeigen, welche Geschichten sie erzählen wollen. Eine traurige Story über jemanden, der stirbt? Das ist in Ordnung. Wenn man als Produzent von der Geschichte überzeugt ist – wunderbar. Aber wenn es darum geht, einen Spielfilm zu produzieren, was ich auch unzählige Male getan habe, muss man ihn unter kommerziellen Gesichtspunkten betrachten. Kann dieser Film die Leute ins Kino locken? Wird er Geld bringen? Das ist traurig, aber so läuft es nun mal. Die kreative Vision muss sich dann dem Markt unterordnen.

Ärgert es Sie, dass Kurzfilme mit ihrem Image als „Fingerübungen“ junger Filmemacher vielleicht nicht so ernst genommen werden?

Gute Frage, darüber habe ich so noch nie nachgedacht. Wenn ich einen Kurzfilm produziere, sage ich nicht von vornherein: Der muss jetzt einen Oscar gewinnen. Es geht um die kreative Zusammenarbeit mit den Filmemachern. Aber irgendwo tief in mir steckt der Wunsch, dass dieser Film gesehen wird. Und die größte Plattform der Welt, wo ein Kurzfilm präsentiert werden kann, ist die Oscarverleihung. Obwohl hier, wie gesagt, keine kommerziellen Interessen mit hineinspielen, denke ich natürlich daran: Wie kann der Film, den ich mache, sein Publikum finden? Und hat er das Zeug für die Oscars? Nicht so sehr wegen der Statue und des Glamours. Sondern wegen der Verbreitung und der Botschaft des Films. Denn oft geht es um soziale Themen.

Kurzfilme im Paket: anregend für den Kopf

Sie haben in der Masterclass erklärt, dass Filmfestivals sehr wichtig sind, um Kurzfilme bekannter zu machen. Dort werden sie meist „im Paket“ mit anderen Filmen gezeigt. Stehlen sie sich dabei nicht gegenseitig die Schau?

Es ist eine sehr gute Sache, Kurzfilme so zu kombinieren. Man wird dabei hoffentlich vier oder fünf tolle Filme sehen, die teils ganz verschiedene Themen behandeln oder zumindest aus verschiedenen Teilen der Welt stammen. Mir zumindest geht es so, dass ich aus so einer Vorführung herauskomme und denke: Oh mein Gott, ich war gerade in Afghanistan, in Dänemark, in den USA, in Afrika und am Nordpol! Mein Kopf wird davon viel mehr angeregt, als wenn ich nur einen Spielfilm sehe. Obwohl das natürlich auch eine wunderbare Sache sein kann. Und hier beim Evolution Film Festival sind sie sehr gut darin, Programme zu gestalten und Kurzfilme vom Inhalt ausgehend in Gruppen einzuteilen. Einmal waren zwei meiner Filme in einer Sektion dabei, in der es um das Aufeinandertreffen von Kulturen ging. Dort liefen nur fantastische Werke. Sie waren alle ganz unterschiedlich, hatten aber diesen roten Faden.

Wie lang darf ein Kurzfilm eigentlich sein? Und welche Länge ist derzeit „im Trend“?

Bei den Oscars gibt es ein Zeitlimit von 40 Minuten, auf vielen Filmfestivals sind es 30 Minuten. Es wird tendenziell weniger, ich sehe einen Trend von 25 Minuten Länge. In Cannes hat man sogar nur 15 Minuten. Für mich ist ein perfekter Kurzfilm zwischen 12, 13 und vielleicht 22, 23 Minuten lang. Denn wenn man diese 25-Minuten-Marke knackt, wirkt es wie der erste Teil eines Spielfilms.

Könnte die Tatsache, dass wir heute in sozialen Netzwerken ständig mit sehr kurzem Video-Content konfrontiert sind, eine Chance für Kurzfilme sein, populärer zu werden?

Wissen Sie, wie hoch vor zehn Jahren die Konzentrationsspanne eines Teenagers war? Acht Sekunden. Deshalb sind Reels heute auch nicht länger. Ich tappe selbst manchmal in die Falle, und plötzlich sind 40 Minuten vergangen, ohne dass das erfüllend wäre. Ich hoffe, dass wir uns auf eine Welt zubewegen, in der die schnellen Push-Reels verschwinden und in der junge Leute einmal sagen werden: „Ich habe jetzt 15 Minuten Zugfahrt vor mir, warum schaue ich mir nicht einen Kurzfilm an?“

Da Sie Kurzfilme mit Dates verglichen haben: Was macht für Sie ein „perfektes Date“ aus?

Oh, jetzt bringen Sie mich zum Erröten (lacht). Aus meiner Sicht ist es da wie bei allen Filmen: Es geht darum, berührt zu werden, um das Gefühl im Bauch. Ich bin nah am Wasser gebaut. Wenn mich ein Kurzfilm zum Weinen bringt, liebe ich ihn – aber wenn er mich zum Lachen bringt ebenso. Diese beiden Dinge sind für mich bei einem Kurzfilm entscheidend und machen ihn zu einem guten Date. Es braucht Emotion. Und Lachen und Weinen sind eine Schnellspur zu unseren Emotionen.

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