Nicht nur die expressiven Gemälde von Leon Löwentraut (23) umgibt ein gewisser Glamour. Auch den seit Jahren gehypten Künstler selbst: Die deutschsprachige Ausgabe des Magazins „Forbes“ wählte ihn jüngst in die Liste der 30 wichtigsten Personen unter 30, Kunstsammler und Fans treten sich bei den Vernissagen seiner Ausstellungen auf die Füße.

Die neue Ausstellung in der Galerie Gerhardt Braun in Palma de Mallorca ist nun drei Monate zu sehen und soll dann mit einer fulminanten Finissage enden. Ein MZ-Telefongespräch mit Löwentraut über große Pläne und (nicht mehr ganz so) große Auftritte.

Der Vernissage-Abend in Palma war ein Fest, trotzdem haben Sie im Vergleich zu 2018 einen Gang runtergeschaltet. Warum?

Ich hatte immer große Auftritte, mal mit Helikopter, mal mit Kutsche oder mit Oldtimern. Damit hat man mich identifiziert. Aber die Erde dreht sich weiter, die Zeiten ändern sich. Ich werde älter und wollte bei dieser Ausstellung deutlich zeigen, dass es nicht nur um die große Inszenierung geht, sondern dass der Fokus bei mir auf der Kunst liegt. Trotzdem ist die Performance nicht unwichtig: Die Gäste warten immer noch vor der Ausstellung und sind sehr gespannt. Diese Emotionen gehören für mich zum Gesamtkonzept, genauso wie meine Bilder. Ich will die Menschen weiterhin begeistern.

Sind Sie nach dem Besuch in Palma wieder gut in Düsseldorf gelandet?

Ja, jetzt lasse ich es erst mal ruhiger angehen: viel schlafen, gesund leben, alles was dazugehört, um die Vernissage Revue passieren zu lassen. Denn das ist schon immer eine Reizüberflutung. Eine tolle Erfahrung, aber auch sehr anstrengend. Da muss man erst mal wieder runterkommen.

"Ich denke eigentlich nie über Kunst nach, sondern über das Leben."

Haben Sie eine spezielle Strategie, um nach einem so intensiven Abend abzuschalten?

Ich habe loyale Freunde und eine tolle Familie. Und ich bin dann einfach froh, wenn ich zu Hause bin und mich auf die Couch pflanzen, von morgens bis abends Netflix gucken und mir eine Pizza bestellen kann. Da bin ich ein ganz normaler Junge, so wie alle anderen auch.

Das Warten auf die Eröffnung, die sich wegen Corona immer weiter verzögert hat, war sicher kein Spaß ...

Den Titel „Unstoppable“ habe ich ganz bewusst gewählt. Denn die Ausstellung musste zwar mehrfach verschoben werden, aber die Kunst ist trotz der Pandemie nicht aufzuhalten. Ich verfolge meine Träume immer weiter. Die pure Freiheit, die ich in meinen Bildern ausdrücke, möchte ich den Menschen näherbringen – auch in der Hoffnung, dass ich sie ermutige, weiter an sich zu glauben.

Wie hat sich die Pandemie direkt auf Ihre Kunst ausgewirkt?

Ich hatte viel Zeit, um mich mit mir selbst zu beschäftigen und neue Techniken auszuprobieren. Deshalb habe ich auch noch vier Unikate und weitere Kohlezeichnungen neu in die Ausstellung integriert: um zu zeigen, was sich bei mir im letzten Jahr alles getan hat.

Leon Löwentraut signiert ein Bild in der Galerie Gerhardt Braun in Palma de Mallorca. Uwe Erensmann (c) @uepress

Was ist bei den neuesten Werken anders?

Wenn man die neuen Bilder mit denen vergleicht, die von Anfang an dort hingen, erkennt man zum Beispiel, dass ich mich in der Rakeltechnik weiterentwickelt habe und mit Gummirollen ganz neue Strukturen schaffe. Ich gehe noch viel freier an die Bilder heran und schaffe mehr freie Flächen. Dann gibt es auch sehr aquarelllastige Flächen, wo die Farbe einfach herunterläuft, wodurch diese Gelassenheit und Leichtigkeit in meinen Bildern rüberkommt. Das ist für mich nicht so leicht zu erklären. Wenn ich in diesem Rausch bin, in diesem kreativen Malprozess, dann mache ich einfach, es strömt aus mir heraus. Ich denke eigentlich nie über Kunst nach, sondern über das Leben.

Wie ist die begehbare Installation mit Graffiti und Spraydosen entstanden, die in letzter Minute Teil der Ausstellung wurde?

Mit dieser Performancekunst wollte ich ausdrücken, dass meine Kunst in sehr aufgeräumten Räumlichkeiten wirkt, aber auch wenn ich ganz frei eine spontane Aktion mache. Und das wieder mit einer neuen Technik: mit Graffiti-Dosen, weil ich früher auch mal gesprayt habe. Irgendwie hatte ich richtig Bock drauf, das jetzt so zu machen und habe einfach losgelegt. Einen Tag vor der Vernissage war ich drei Stunden zugange, habe gesprayt und dabei so was von geschwitzt – es war wirklich cool.

Was reizt Sie an der Beschäftigung mit schlichten Kohlezeichnungen, die neben den farbenfrohen Bildern zu sehen sind?

Die Kohlezeichnungen sind etwas Besonderes, denn ein Unikat kann man immer wieder übermalen. Bei einer Kohlezeichnung ist es so: Wenn der Strich gesetzt ist, dann ist er gesetzt. Man kann ihn nicht verbessern oder wegradieren. Der Strich ist das Markenzeichen eines jeden Künstlers, das ist wie ein Fingerabdruck. Man hat gemerkt, dass die Leute durch die Zeichnungen noch einmal mehr Respekt vor meinem Werk bekommen haben.

Wo sollte unbedingt noch ein Bild von Leon Löwentraut hängen?

Ich möchte definitiv in den größten Museen dieser Welt hängen. Mein Traum sind Ausstellungen im MoMa, Guggenheim und Tate. Aber obwohl ich mir große Ziele setze, möchte ich realistisch bleiben. Mit meiner Ausstellung „Leonismo“ in der Biblioteca Nazionale Marciana in Venedig ist schon ein Traum in Erfüllung gegangen. Sie wird auch noch in anderen großen Museen Station machen, von denen ich bis vor Kurzem nicht hätte träumen können, wie im Kunstforum in Wien, im Bayerischen Nationalmuseum in München oder in der École du Louvre in Paris.