Man könnte meinen, die Tage der traditionellen Galerien seien gezählt: Pop-up-Ausstellungsprojekte, die neue Räume für zeitgenössische Kunst erschließen, liegen derzeit schwer im Trend. Der 30-jährige Mallorquiner Marc Bibiloni, der zuvor fünf Jahre bei Gerhardt Braun gearbeitet hat, und sein Partner Miquel Campins gehen noch einen Schritt weiter.

Ihr Neuzugang für die Kunstszene der Insel, genannt „La Bibi Gallery“, trägt das Nomaden-Gen von Anfang an als festen Bestandteil in der DNA. „Ich denke seit Jahren, dass die Welt der Galerien einen Wandel braucht“, sagt Bibiloni zur MZ. „Alle machen überall exakt das Gleiche. Aber wenn wir mit zeitgenössischer Kunst weiter Emotionen wecken möchten, müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen – besonders für jüngere Generationen.“

Hauptquartier in Establiments

Folglich ist das, was am 6. August in einer ehemaligen Stofffabrik in Establiments bei Palma eröffnet hat, auch keine klassische Galerie, sondern lediglich das „Hauptquartier“ des fünfköpfigen Teams. „Der physische Raum einer Galerie interessiert mich nicht für die Konzeption einer Ausstellung“, erklärt Bibiloni. „Dadurch ist der Künstler den Beschränkungen des Ortes unterworfen und muss sich anpassen. Das bremst seine Kreativität.“

Stattdessen soll der Schaffensprozess in einer ephemeral exhibition gipfeln, also einer flüchtigen Ausstellung in einer der Hauptstädte der Welt, vorrangig in Europa. Dabei haben die Künstler sogar bei der Lokalität innerhalb der Stadt ein Mitbestimmungsrecht – der Mallorquiner Rafel Bestard wünschte sich für seine Gemälde etwa explizit eine leere Kirche in Paris.

Dazu soll jede Schau von Beginn an auch in digitaler Form existieren. Die physischen Ausstellungen werden jeweils nur eine Woche lang zu sehen sein. „Natürlich steckt wahnsinnig viel Arbeit dahinter, und ich bekomme immer zu hören: Warum so viel Aufwand für so wenig Zeit?“, sagt der Galerist. „Aber es geht eben gerade um diese Magie des Flüchtigen.“

Ausstellung auf Mallorca im April 2022

Als erstes Projekt steht im September eine Schau des ukrainischen Bildhauers und Malers Aljoscha in Madrid auf der Agenda. Vom 14. bis 21. April 2022 wird es eine Ausstellung auf der Insel geben. Der ghanaische Künstler Serge Attukwei Clottey hat sich Mallorca ganz bewusst ausgesucht: „Sein Werk hat eine starke Verbindung zum Thema Handel, genau wie die Insel als Umschlagplatz im Mittelmeer“, erklärt Bibiloni. „Wir waren begeistert, weil das für uns natürlich ein Heimspiel wird.“

Freilich soll auch der helle und ansprechende Raum in Establiments nicht nur als Büroraum genutzt werden: Die Künstlerin Marria Pratts aus Barcelona verbrachte hier eine einmonatige Residenz und schuf fünf Werke, die nun zur Feier der Eröffnung einen Monat lang zu sehen sind. Auch ist dort stets eine kleine Auswahl von Arbeiten der Künstler vorhanden, die die Galerie vertritt. Ein Besuch ist auf Wunsch jederzeit mit Termin möglich.

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Ebenfalls lohnenswert ist, den innovativen Online-Auftritt der Galerie zu entdecken: Mehrere Monate lang arbeitete das Team an professionellen kurzen Videos, die den Betrachter in die kreativen Universen der Künstler eintauchen lassen und erklären, worum es bei ihren Werken geht. Auch virtuelle 360°-Rundgänge durch die Ateliers gehören dazu: „Die sind sonst für die meisten Menschen nicht so leicht zugänglich“, sagt Bibiloni. „Aber in der Welt, in der wir heute leben, suchen wir genau nach dieser Art von intimen Einblicken.“

La Bibi Gallery, C/. de Pomar, 4, Nave 3, Establiments, Besuch mit Termin unter labibigallery.com