Es gibt Menschen, die auf eine sehr gute Art speziell sind. Und Gaizka Taro (34) gehört zweifellos dazu. Der in Montuïri geborene Fotograf wirkt schüchtern, aber wenn er über seine Arbeit spricht, eröffnen sich faszinierende Welten: Jahrelang führte er das Leben eines Vampirs, schlief tagsüber und fotografierte in mondlosen Nächten die Landschaft der Insel und das Firmament darüber. Ärgerlich, wenn man fünf Stunden am perfekten Bild feilt und genau im Moment höchster Konzentration vom Tageslicht unterbrochen wird: „Auch wenn ich in dieser Zeit die schönsten Sonnenaufgänge sehen durfte, war ich wütend auf die Sonne, als ich nach Hause fuhr“, erzählt Taro.

Viele halten seine Nachtaufnahmen fälschlicherweise für Fotomontagen, tatsächlich fuhr er fünf bis zehn Mal zum selben Ort, um das ideale Foto zu bekommen. Dabei entstanden im Laufe der Zeit Serien wie „Mallorca Night Landscapes“ oder „Burned Trees Estellencs“ nach dem großen Brand in Andratx: „Die toten Bäume, ihre Skelette vereinen sich mit dem Unendlichen des Universums“, sagt Taro über diese Bilder.

Zwar mit Digitalkamera, aber nicht minder effektvoll: eine von Taros Nachtfotografien. Gaizka Taro

Als er 2011 mit Nachtfotografie begann, sei das noch etwas Außergewöhnliches gewesen – heute liege sie im Trend. Zwar stellt der Fotograf diese Arbeiten immer noch aus, wie aktuell bis 15. Januar im Restaurant Atiar Plaça in Sa Pobla. Aber im Grunde hat er das Kapitel abgeschlossen und sich längst neuen Herausforderungen zugewandt.

Der schwierige Weg ist das Ziel

Ich mache immer Dinge, die sonst niemand tut. Denn ich mag es, sie selbst entdecken zu müssen“, sagt Taro. „Wenn man keine Referenzen hat, von denen man lernen kann, ist der Kreativprozess unverfälschter: Man wird niemals kopieren, sondern immer kreieren.“ Aus demselben Grund spielt er das kuriose Instrument singende Säge: Er strebe danach, zu lernen und sich völlig selbstständig zu entwickeln. „Das ist der schwierigere Weg, aber zugleich der befriedigendere.“

Bei der Nische, die er inzwischen in der Fotografie gefunden hat, gibt es derzeit auf Mallorca so gut wie niemanden, der ihm Konkurrenz macht oder als Vorbild dienen könnte – Taro arbeitet mit alten Großformatkameras. Fast immer nutzt er dazu zwei Modelle, die mit derselben Technik funktionieren: eine kleinere, die er seit etwa 15 Jahren besitzt, und eine ganz große, die wohl zwischen 1890 und 1920 das Licht der Welt erblickte und ihn seit acht Jahren begleitet. „Sie lassen mich nie im Stich, obwohl sie rund 130 Jahre alt sind“, sagt er liebevoll. Ein Sammelsurium an weiteren analogen und digitalen Kameras hortet er in einer Vitrine.

Ein Selbstporträt mit der Großformatkamera. Gaizka Taro

Porträts mit besonderer Intensität

Die heute gängige Negativgröße misst 24 x 35 mm, Taro hingegen arbeitet mit 240 x 300 mm. Die so entstandenen Fotos zeigen Menschen der Gegenwart in der Optik des frühen 20. Jahrhunderts. Je größer das Format, desto größer der Detailreichtum und die Tiefenwirkung: Porträts verfügen so neben dem Retro-Charme auch über eine ganz besondere Intensität.

Sie kosten Taro rund zehn Minuten Vorbereitung, brauchen dann aber nur einen Schuss. „Digitale Fotografie verursacht Stress. Am Ende hat man 300 Bilder, aus denen man das am wenigsten schlechte aussuchen muss“, sagt Taro. Bei analoger Fotografie schieße man zuerst mental viele Bilder, bis man genau im richtigen Moment auf den Auslöser drücke.

Taros Porträts mit der Großformatkamera wirken wie Aufnahmen aus einer anderen Zeit. Gaizka Taro

Den Fotografen reizt neben dem künstlerischen Aspekt auch die technische Seite. Er ist Sohn eines Basken und einer Japanerin, das Interesse für Fotografie sei ihm quasi in die Wiege gelegt worden – Kameras besäßen in Japan einen hohen Stellenwert. Taro studierte zunächst Wirtschaftsingenieurwesen, und dieses Wissen macht er sich heute noch zunutze: Als er die kleinere der beiden Großformatkameras kaufte, fehlten dem guten Stück der Balgen und Teile des Kameragehäuses. Taro ersetzte sie selbst. Auch die große Kamera war anfangs nicht funktionstüchtig und fristete ihr Dasein als Deko-Objekt, bis Taro sie wieder flottmachte.

Workshops und Events in Cas Retratista

Heute gibt er sein theoretisches und praktisches Wissen weiter. Im Dezember 2017 eröffnete er Cas Retratista, eine Mischung aus Studio für Porträtfotografie mit Großformatkameras, Galerie und Kulturraum. Taro bietet dort regelmäßig Fotografie-Workshops zu verschiedenen Themen für Menschen mit und ohne Vorkenntnisse an. Außerdem veranstaltet er Events aller Art von Konzerten über Poesie-Abende bis hin zu Theateraufführungen. Ab dem 20. Dezember zeigt der Fotograf dort eine Ausstellung mit neueren Porträts.

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Wer noch ein originelles Geschenk sucht, kann Taro in Montuïri für eine Porträt-Session aufsuchen (Kosten: 50 Euro pro Sitzung). Am 14. Dezember hat er zudem den ersten Stock der Bar Molta Barra in Palma in ein Fotolabor verwandelt. Ob er diese Aktion wiederholen und regelmäßig anbieten wird, hängt von der Resonanz ab: Interessierte, die sich mit der Großformatkamera porträtieren lassen und den Prozess der Entwicklung miterleben wollen (in der Molta Barra kostet die Aufnahme 30 Euro, jeder Abzug 5 Euro), können den Fotografen für eine Reservierung kontaktieren. Man sollte die Chance nutzen, bevor die alten Kameras womöglich „cool“ werden – denn dann widmet sich Taro bestimmt dem nächsten ungewöhnlichen Projekt.

Cas Retratista, Carrer des Pujol, 10, Montuïri, keine festen Öffnungszeiten, Anmeldung unter Tel./WhatsApp: +34 620-57 33 29 oder casretratista@gmail.com, aktuelle Infos zu Events bei Facebook und Instagram.