Aina Bestard ist keine Frau des Wortes. Wenn die mallorquinische Illustratorin (Palma, 1981) über ihre Arbeit spricht, gestikuliert sie lebhaft mit den Händen, und man spürt, dass sie gerade lieber rasch skizzieren als erklären würde, was sie meint. Die 41-Jährige, die in Barcelona lebt und aus einer Künstlerfamilie stammt, arbeitete früher als Designerin. Fragt man sie, wie sie nun, da sie seit Jahren mit ihren Büchern international gefragt ist und Preise abräumt, immer wieder Ideen für neue spielerische Techniken aus dem Hut zaubert, sagt sie unverblümt: „Ich komme aus der Welt des Designs und wurde darauf trainiert, Neues zu entwickeln und an ein Produkt anzupassen.“

Perfekt funktionierte das bei ihrer erfolgreichen Reihe „¿Qué se esconde ...?“ (Was versteckt sich da ...?“), bei der Kinder mit dreifarbigen „Zauberlupen“ die Geheimnisse des Waldes, des Meeres oder des menschlichen Körpers entdecken können. Eigentlich hatte Bestard im Geiste schon mit dieser Serie abgeschlossen, sagt sie im MZ-Gespräch. Doch dann kam es anders: Im Oktober 2021 erschien ihr neues Werk „Què s’amaga al cel de nit?“ (Was versteckt sich da am Nachthimmel?).

Die mallorquinische Illustratorin Aina Bestard. AINA BESTARD

Besondere Effekte auf Papier

„Ich schaue mir oft alte Stiche und Illustrationen an und lasse mich davon inspirieren. Das ist ein Tick von mir“, erzählt Bestard. „Aber ich glaube, es ist mehr so, dass die Dinge mich finden, als umgekehrt.“ So stolperte sie im Internet auf den 1603 erschienenen Himmelsatlas „Uranometria“ des deutschen Astronomen Johann Bayer. Sie bekam Lust, das Thema zu behandeln, wusste aber nicht aus welchem Blickwinkel. Die buchstäbliche Erleuchtung kam dann bei einem abendlichen Spaziergang: „Es war dieser typische Moment, wo es schon fast dunkel ist. Ich sah das Fenster eines Hauses, und als sie drinnen das Licht anmachten, konnte man plötzlich die Ornamente auf den weißen Vorhängen erkennen.“

Ein solcher Effekt sollte sich in Bestards nächstem Buch auf Papier widerspiegeln. Der Trick: Man klappt auf einer Seite die Läden eines Fensters auf. Erhellt man die Rückseite des Papiers dann mit einer Lichtquelle, zum Beispiel mit einer Taschenlampe, zeichnet sich darauf eine Art Wassermarke mit einem Tier ab. Wo zuerst nur das Firmament zu sehen war, kann man nun Darstellungen von Sternbildern wie dem Großen Bären, dem Pfau, dem Adler oder dem Delphin erkennen.

Blick in ein Zimmer in Mexiko: Eine liebevoll illustrierte Seite aus dem neuen Buch von Aina Bestard. Zahorí Books

Und da der Nachthimmel an jedem Ort der Erde etwas anders aussieht, zeichnete Bestard die Zimmer in verschiedenen Ländern. Hier offenbart sich die ganze Brillanz des detailverliebten Werks: „Dieses Buch war eigentlich ein Vorwand, weil mich Folklore und Volkskunst aus den Ländern der Welt so fasziniert“, erklärt Bestard. So floss der jeweilige Stil in die Gestaltung der Räume ein, die obendrein gespickt sind mit vielen persönlichen Gegenständen aus dem Umfeld der Illustratorin: Reisesouvenirs aus Japan, Zimmerdekoration aus Mexiko oder Elemente aus einem Haus, das ihre Tante sich in Polen kaufte.

Auch die Widmung ist persönlich: Sie gebührt den Sommernächten im mallorquinischen Ort Llucalcari, wo Bestard in ihrer Kindheit oft stundenlang den Sternenhimmel bewunderte. „Als ich dort lag, wurde mir etwas schwindlig und ich fühlte mich ganz klein. Aber ich hatte meine ersten existenziellen Gespräche: Was gibt es noch dort draußen?“, erzählt sie.

Den Forschergeist der Kinder wecken

Als roter Faden durch ihre Bücher zieht sich, dass sie den Forschergeist der Kinder erwecken will: ihren Horizont erweitern, sie zum kritischen Denken bewegen und dazu, die tiefere Bedeutung der Dinge zu ergründen. Dabei betont Bestard, keine moralischen Botschaften vermitteln zu wollen. Aber wer eine andere ihrer neuesten Publikationen in die Hand nimmt, kommt nicht umhin, die Erde in ihrer jetzigen Gestalt noch mehr als zuvor wertzuschätzen und sich der Vergänglichkeit des Menschen bewusst zu werden: In „Paisajes perdidos de la tierra“ (deutsche Ausgabe: „Wie alles begann“) illustriert Bestard die Erdgeschichte bis zum Auftauchen der Hominiden und zeichnet Landschaften, die kein Mensch je gesehen hat.

Illustrierte Erdgeschichte: "Paisajes perdidos de la tierra" (dt. "Wie alles begann) Zahorí Books

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Inhaltlich stand das Museu d’Història Natural de Barcelona diesem Projekt zur Seite, als stilistische Vorbilder dienten Bestard wissenschaftliche Illustrationen aus dem 18. Jahrhundert. „Das Buch brachte mich dazu, bei der Bildsprache ganz neue Richtungen einzuschlagen“, sagt Bestard. Der Nachfolger ist bereits in Arbeit: Derzeit feilt sie an den „Paisajes desconocidos del sistema solar“ (Unbekannte Landschaften im Sonnensystem).