Besorgt und nachdenklich klingt Aljoscha im MZ-Telefongespräch. Der international renommierte 47-jährige Künstler, der in der Ukraine geboren wurde und seit 2003 in Düsseldorf lebt, bereitet sich aktuell auf eine Friedensaktion in seinem Heimatland vor. Auf Mallorca wird derweil La Bibi Gallery im Rahmen des Art Palma Brunch ab dem 25. März eine Ausstellung von Aljoscha im Sant Francesc Hotel präsentieren. Seine transparenten, biofuturistischen Objekte aus Kunststoff durchdringen den Raum und haben neben der ästhetischen auch eine ethische Komponente: den Respekt vor anderen Lebensformen.

Installation des ukrainischen Künstlers Aljoscha. Aljoscha

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Sie können nicht persönlich zur Eröffnung Ihrer Ausstellung beim Art Palma Brunch erscheinen, da Sie zusammen mit Ihrer Frau in künstlerischer Mission in die Ukraine reisen wollen. Was planen Sie genau?

Es sind Interventionen. Keine Happenings oder Performances, für die man Tickets kauft. Interventionen sind etwas ganz Wildes. Was in der Ukraine in dieser irrsinnigen Situation entstehen könnte, wissen wir noch nicht. Es gibt grobe Ideen: Viele Freunde, Bekannte oder Verwandte schicken mir Videos und Audiodateien aus Kellern, während gebombt wird. Da dachten wir, dass Kunstwerke in Kellern mit sitzenden und abwartenden Menschen vielleicht etwas Hoffnung spenden. Es geht um Menschlichkeit und Freundlichkeit.

Kurz vor Ausbruch des Krieges haben Sie in Kiew schon eine Anti-Kriegs-Intervention gestartet: Nackt und mit ihren biofuturistischen Objekten in den Händen standen Sie vor der „Mutter-Heimat-Statue“...

Man geht offen an solche Sachen heran und weiß vorher nicht, was daraus entstehen kann. Diese Kriegsrhetorik auf beiden Seiten war für mich schon damals unerträglich. Die Mutter-Heimat-Statue wurde als Siegesmonument gegen Nazi-Deutschland gebaut. Diese Figur verkörperte für mich die Kriegsideologie, dass die Menschen Opfer bringen müssen. Als Künstler hofft man, dass auch kleinste Taten Großes bewirken können. Das ist natürlich Wunschdenken. Als ich nackt und ungeschützt vor diesem gepanzerten Monument stand, dachte ich: Vielleicht gibt es einen Schmetterlingseffekt und diese Geste könnte den Irrsinn stoppen. Aber als mich einen Tag danach Freunde und Verwandte anriefen, dass sie unter Beschuss stehen, war ich traurig und entsetzt.

Das Whitney Museum in New York sponsert Ihr neues Friedensprojekt. Aber Sie selbst nehmen große persönliche Risiken in Kauf.

Ich bin ein lebendiges Wesen und habe schon Angst, ja. Aber man fühlt irgendwie, dass man als Künstler etwas unternehmen muss. Viele andere sprechen leider nicht über Pazifismus, sondern darüber, wie sie das Böse bekämpfen wollen. Manche meiner Freunde haben Waffen in die Hände genommen. Das ist unglaublich und in meinen Augen nicht richtig. Die Leitung des Whitney Museums hat mir ein Begleitschreiben ausgestellt. Man muss etwas vorzeigen, damit man nicht für einen russischen Spion gehalten wird und beweisen, dass man in friedlicher Mission unterwegs ist. Keine Ahnung, ob es hilft, aber ich bin sehr dankbar für die unbürokratische Unterstützung.

Der optimistische Titel Ihrer Ausstellung in Palma lautet „Wir leben in der besten aller Zeiten. Wir beginnen, das Paradies zu erschaffen“. Können Sie das vor dem Hintergrund des Krieges noch unterschreiben?

Es klingt natürlich mittlerweile grotesk und etwas abgefahren. Aber ich stehe immer noch dazu. Ich glaube sogar, dass dieses kleine Statement, diese Prophezeiung, immer noch die ultimative Gültigkeit für die Menschheit hat. Grundsätzlich werde ich immer an das Gute im Menschen glauben. Wir müssen nur irgendwie mit der Umverteilung von Ressourcen klarkommen. Aber unsere Ethik entwickelt sich in positivem Sinne.

Inwiefern vermitteln Ihre organischen Objekte diese lebensbejahende Botschaft?

Ich befasse mich mit den wichtigsten Prinzipien von Biologie und Glückseligkeit. Wir wollen als Menschen nicht wahrhaben, dass Mutationen und Abweichungen der Lebensmotor sind. Selbst in unserem Körper gibt es nie zwei Zellen, die gleich sind. Aber Mutation klingt für uns nach etwas Bösartigem. Wir wollen keine Diversität, sondern den Status quo, sogenannte Normalität. Für mich sind Mutationen ein Grundprinzip meiner Kunst. Ich versuche dadurch, möglichst fremdartige Kompositionen und neuartige Welten zu erschaffen. Das macht uns psychologisch gesehen glücklich, denn wir wollen immer etwas Neues, Unbekanntes sehen. Genau das ist auch das Schönste am Leben: Wenn wir etwas überhaupt nicht verstehen.

Das Projekt war im September in Madrid zu sehen und wurde speziell für diesen Ort konzipiert. Wie passt es nun nach Palma?

Meine Installationen bestehen aus individuellen Skulpturen. Diese Dinge oder Wesen wirken so fremd, dass sie nicht in Konkurrenz zum historischen Gebäude stehen. Sie unterstreichen ihre eigene Einzigartigkeit und die des Raumes. Es ist immer eine schöne Gegenüberstellung. In diesem Fall wird ein Freund nach Palma reisen und im Sant Francesc Hotel mit meiner Hilfe per Video aufbauen. Aus Einzelelementen wird so ein neuartiger Organismus mit anderem Charakter entstehen.