Amador Magraner wollte nie Kartoffeln anbauen. Aber immer schon gern die Erde umgraben. Seit den 1990ern geht der Künstler aus Pollença mit seiner Werkgruppe „Germinacions“ dieser Passion nach, indem er anthropomorph geformte Erdlöcher aushebt, sie dann mit Polyethylen füllt und dadurch leicht beunruhigende, menschenähnliche Figuren erschafft. Die neueste Saat, die er pflanzte, hat dabei größere Dimensionen: Magraner verwandelte seine Finca am Fuß des Puig de Maria in ein neues Zentrum für Kunst und Natur, genannt "Coster", das am 11. August seine Pforten geöffnet hat.
Die Initiative sei auf „natürlichem Wege“ entstanden, erzählt der Künstler. Bei trempó und Wein sei der Gedanke gekeimt: Diese Finca hat Potenzial. „In Zukunft soll das hier ein Nest werden, in dem verschiedene Projekte ausgebrütet werden“, sagt Magraner bei der Vorstellungsrunde am Eröffnungstag. Skulpturen, aber auch Literatur, experimentelle Musik, Tanz oder Performances sowie Künstlerresidenzen sollen hier auf fruchtbaren Boden fallen. Im Laufe der Zeit sollen immer wieder neue Kunstwerke hinzukommen. „Wichtig ist dabei aber stets der Bezug zur Natur und zu diesem Ort“, betont Magraner.
Malerische Kulisse
Die Umgebung rückt sich freilich ganz von selbst ins Rampenlicht: Von den Terrassen aus hat man einen schönen Blick auf Pollença und die dahinterliegenden Ausläufer der Tramuntana. Die malerische Nahkulisse mit Feigen-, Oliven- und Johannisbrotbäumen tut ihr Übriges. Mit Vorabtermin sind Besucher eingeladen, mit Broschüren ausgestattet frei das Gelände zu erkunden.
Der kleine Rundgang führt durch das von Fernando Gómez de la Cuesta kuratierte Projekt mit dem Titel „Raig“ – Katalanisch für eine Flüssigkeit, die ausströmt. Was sich hier wie ein Wasserlauf seine Form sucht, um mit der Umgebung zu verschmelzen, sind derzeit fünf Werke. Zu einer Gruppe von Magraners „Germinacions“, die den Ort bereits zuvor bevölkert hatte, gesellen sich die Arbeiten von drei Künstlerinnen.
Ein geheimes Wasserreservoir
Die erste dieser Arbeiten verbirgt sich in der Trockensteinmauer unterhalb des Anwesens. Ein höhlenartiger Raum innerhalb des Felsens mit einem Wasserrevoir beherbergt „Ufana“ von der Künstlerin Stella Rahola Matutes (Barcelona, 1980). Die Installation, bei der rätselhafte Glasgebilde aus der dunklen Flüssigkeit aufzutauchen scheinen, erforscht die Transformation von Materie. „Sie feiert auch das Leben als etwas, das aus Licht und Schatten besteht“, sagt Rahola. Dazu sind von Glas erzeugte Töne des Klangexperiments „Beautiful Failures“ zu hören, das die Künstlerin zusammen mit Studierenden durchführte.
Oberhalb der Finca verteilen sich auf den Terrassen Werke von zwei renommierten Preisträgerinnen des Premio Nacional de Artes Visuales: Eva Lootz (Wien, 1940) und Susana Solano (Barcelona, 1946). Letztere steuerte zwei Werke bei. „Conversió“ nutzt erneut eine Trockensteinmauer und schmiegt sich förmlich daran. Die konkave Edelstahlskulptur spiegelt die Landschaft und die Bewegung der Wolken, sie verändert die Wahrnehmung des Betrachters und sich selbst mit dem Licht des Tages.
Weniger subtil ist die zweite Arbeit, „Baalbek II“: Sie stammt von 2008, hat aber in den Augen der Künstlerin genau hier ihren Ort der Bestimmung gefunden. Das undefinierbare Objekt wirkt wie ein Artefakt einer fremden Zivilisation. Etwas unheimlich, sperrig, anziehend und abstoßend zugleich, geradezu aufdringlich präsent und real.
Reflexion und poetische Metaphern
Das passt zum Konzept von „Coster“ als ein Ort der Reflexion über den Stellenwert von Nähe, dem Physischen und Berührbaren. Darüber, wie man, angetrieben von Emotionen, Ideen eine Form verleihen kann – als Gegenentwurf zu der durch Medien geschaffenen Distanz.
Die wohl poetischste Metapher für Achtsamkeit, Verwurzelung mit der Erde und Entschleunigung schafft das speziell für die Finca kreierte Werk „La cama de Penélope“ von Eva Lootz, das dieser schon lange vorgeschwebt hatte. „Ausgangspunkt ist eine Episode aus der Odyssee“, erklärt die Künstlerin. Wie bei Penelope und Odysseus ersetzte sie ein Bein eines Bettes durch einen Olivenbaum. Die Schönheit des Organischen verwächst hier symbiotisch mit der aus Stein geformten Schlafstätte. Wie das Zentrum selbst soll auch das Kunstwerk wachsen und gedeihen.
Coster Art i Natura, Termin unter Tel.: 628 04 54 20, Camí del Puig de Maria, Pollença, Parkplätze neben der Finca sind vorhanden.