Virtuose fotobasierte Kunst: Berliner Galerie Kuckei + Kuckei zeigt in Palma de Mallorca Werke von Lilly Lulay

Die deutschen Galeristen haben im Herbst 2022 einen Showroom auf der Insel eröffnet. Reinschauen in die neue Ausstellung lohnt sich

Lilly Lulay mit „De/ Composed Narratives“ (li.) und Werken der Serie „Early Digital Tech“.

Lilly Lulay mit „De/ Composed Narratives“ (li.) und Werken der Serie „Early Digital Tech“. / Nele Bendgens

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Einen Katzensprung von der Markthalle entfernt, punktet Palmas Trendviertel Santa Catalina einmal mit einem anderen Neuzugang als der nächsten Szene-Bar: Die 1993 gegründete, von zwei Brüdern geführte Berliner Galerie Kuckei + Kuckei betreibt hier seit vergangenem September einen Showroom. „Wir dachten uns: Nach 30 Jahren kann man sich einen weiteren Standort gönnen“, sagt Ben Kuckei.

Die Idee, sich auf Mallorca niederzulassen, kam allerdings von der leidenschaftlichen Sammlerin Iris Schmied, die seit zwei Jahren auf der Insel lebt und im neuen Raum die Leitung übernommen hat. „Ich bin seit 25 Jahren Fan der Kuckeis. 80 Prozent meiner Kunst stammt aus dieser Galerie“, schwärmt sie.

Ein wenig wie in Berlin Mitte

Die Brüder hatten eigentlich ein gemeinsames, temporäres Projekt mit Schmied geplant, ließen sich aber schnell von ihrer Begeisterung anstecken: Sie flogen nach Palma, besichtigten innerhalb von 24 Stunden die Räumlichkeiten, das nahe gelegene Es Baluard sowie die Galerien der Stadt – und waren sofort überzeugt vom Gesamtpaket. „Es erinnert hier fast schon an Berlin Mitte, wo es sehr international ist“, so Ben Kuckei. Zur Klientel zählen unter anderem Sammler aus Deutschland, die sich häufig auf Mallorca aufhalten.

Von links nach rechts: Iris Schmied, Hannes Kuckei und Ben Kuckei vor dem Ableger der Galerie.

Von links nach rechts: Iris Schmied, Hannes Kuckei und Ben Kuckei vor dem Ableger der Galerie. / Nele Bendgens

Großstädtisch-zeitgemäß präsentiert sich der Showroom, schlicht und ohne Schnickschnack: Nichts lenkt von der Kunst ab. „Wir zeigen das Galerieprogramm, das wir in Berlin entwickelt haben: Künstler, mit denen wir schon lange zusammenarbeiten und die alle bereits institutionelle Ausstellungen hatten“, sagt Hannes Kuckei. Zumeist handelt es sich um konzeptuelle Ansätze. „Uns war auch immer wichtig, Fotografie nicht von der Kunst zu separieren, sondern jedes Medium gleichwertig zu behandeln“, betont Ben Kuckei.

Ausstellung von Lilly Lulay

Eröffnet wurde der Raum mit einer Gruppenausstellung, um das Spektrum der Galerie zu zeigen; jetzt sind zunächst Einzelausstellungen geplant. Nach Miguel Rothschild ist nun eine brandneue Schau mit Werken von Lilly Lulay (1985, Frankfurt am Main) zu sehen. In Berlin hätte man eher auf eine ganz neue Werkgruppe der international anerkannten und vielfach ausgezeichneten Künstlerin gesetzt. Die Ausstellung in Palma ist hingegen retrospektiv angelegt und breiter aufgefächert.

In den Raum gezogen wird man durch Lulays neuestes Werk, eine „moving collage“ mit dem Titel „Madrid“: Sie stammt aus einer Serie von Videoporträts, die jeweils Bilder einer bestimmten Stadt bündeln – von Menschen, die dort lebten oder zu Besuch waren. Lulay setzt die lose übereinander gehefteten Fotoausschnitte in Bewegung; verschiedene Sichtweisen, Zeiten und Fototechniken verschmelzen.

Mentale Landschaften und Zeitreisende

Das Grundinteresse der Künstlerin – wie wir Fotografie in unserem Alltag verwenden – äußert sich bei ihr in einer Fülle von Ausdrucksformen. Die 2007 begonnene, kleinformatige Collagen-Serie „Mindscapes“ führt sie bis heute fort. Private Fotografien, das „Rohmaterial“, seien für Außenstehende meistens langweilig, erklärt Lulay: „Sie funktionieren nicht, weil das Abgebildete so spannend ist, sondern weil sie wie Schlüssel für die Erinnerungen der betroffenen Personen sind.“ Diese „mentalen Landschaften“ hält sie fest.

Bewegte und "stille" Collagen von Lilly Lulay.

Bewegte und "stille" Collagen von Lilly Lulay. / Nele Bendgens

Bei der Serie „Zeitreisende“, von der eine Auswahl im Nebenraum präsentiert ist, verwendete Lulay gefundene Porträts von Menschen, die bewusst posierten. Sie schnitt die Personen aus und ersetzte sie durch farbige Pixel, stellvertretend für die digitale Zeit. „Fotografie ist eine Möglichkeit, in die Vergangenheit zu reisen. Gleichzeitig begeben sich diese Menschen durch ihre Bildkörper in die Jetzt-Zeit und in die Zukunft“, sagt die Künstlerin.

Gestickte Retro-Geräte

Ist ihre Intervention hier minimal, so rückte sie bei der Reihe „Hearsay Evidence“ Fotografien von Galerie-Bibliotheken intensiv mit Laser zu Leibe und schnitt damit filigrane Texturen in die Oberfläche. Bei dem großformatigen Werk „De/ Composed Narratives“ kommen erneut gefundene Fotoschnipsel zum Einsatz. Das Ergebnis wirkt abstrakt, von Weitem ein wenig wie ein Drip Painting. Erst wenn man näher herankommt, merkt man, dass es voll Information steckt: Umrisse von Menschen und Objekten zeichnen sich ab.

Besonders physisch kommen die Werke der Serie „Early Digital Tech, Artifacts from The Age of Acceleration“ daher: Handgestickte Darstellungen von Retro-Geräten wie bulligen Webcams oder Atari-Joysticks. „Stickerei ist eine der ältesten Bildtechniken, und sie funktioniert eigentlich wie Pixel: Das Bild ist aus einzelnen Bildpunkten aufgebaut“, erklärt Lulay die Verbindung zur Fotografie. Die Werke machen bewusst, dass zu verschiedenen Zeiten die Beherrschung verschiedener Techniken gesellschaftlich unabdingbar war – und wie schnell Technik wieder überholt ist.

Kuckei + Kuckei, Carrer de Pou, 33, Palma, Do.–Sa. 12–18 Uhr, Infos: kuckei-kuckei.de, Instagram: @kuckeiandkuckei, @lillylulay. Die Ausstellung von Lilly Lulay ist noch bis zum 25. März zu sehen.

Abonnieren, um zu lesen