Von Karl Hofer

MZ-Reporter und Ex-Cheffotograf der Neuen Zürcher Zeitung

Agatha Christie leistete viel Vorarbeit: Sie pflegte in ihren

Kriminalromanen den Gärtner gerne in den Kreis der Hochverdächtigen aufzunehmen. Reinhard Mey machte ihn mit seinem berühmten Lied dann vollends zum Mörder, natürlich nur als Paro-die. Denn diese Berufsleute sind - das weiß natürlich auch der deutsche Liedermacher - zumeist sehr friedfertige, mit der Natur, Gott und der Welt in Einklang lebende Mitmenschen.

So ist das auch bei Ángel Honorio Estrada Carlosama, einem beeindruckenden Mann aus Ecuador, der sich aus den Gartenarbeitern Mallorcas mit einem überraschenden und in dieser Form wohl einmaligen Angebot abhebt: Er offeriert ausländischen Fincabesitzern umfassende Gartenpflege - und dazu auf Wunsch Spanischunterricht. Diese Doppelfunktion ist nicht nur Zufall, wie die bisherige ­Lebensgeschichte des heute 47 Jahre alten Südamerikaners aufzeigt. Ángel Honorio kam in der Provinz Carchi in den ecuadorianischen Anden zur Welt und wuchs zusammen mit drei Schwestern in einfachsten Verhältnissen auf. Der Vater war Landwirt, die Mutter nähte zur Aufbesserung des Haushaltbudgets Kleider. Der aufgeweckte Junge fiel in der Schule durch gute Leistungen auf, was ihm später ein Sprachstudium an der Universidad Central in der Hauptstadt Quito ermöglichte.

Es hätte bis zum Abschluss vier Jahre gedauert. Als dem jungen Mann nach sehr gutem Zwischendiplom nach drei Jahren eine Lehrerstelle angeboten wurde, griff er zu, um den Eltern finanziell nicht weiterhin zur Last zu fallen.

Ohne Selbstmitleid

Von da weg arbeitete er viele Jahre als Sprachlehrer in seiner Heimat. Und so wäre es wohl ­geblieben, hätten sich die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Ecuador nicht dramatisch verschlechtert. Ab 1995 lösten sich in einem Jahrzehnt sieben Präsidenten nacheinander ab, drei von ihnen mussten nach Tumulten in der Bevölkerung gehen. Die politisch unstabile Lage, die Korruption von Politikern und Familienclans sowie kriegsähnliche Wirren ließen viele Ausländer und Einheimische das Land verlassen, Touristen wurden und werden noch heute vor dem Besuch der an Kolumbien grenzenden Provinz Carchi gewarnt.

ýDas alles bewirkte", fasst Ángel ohne Pathos zusammen, ýdass die Schülerzahlen an unserer Schule stark zurückgingen und das notwendige Geld für einen geordneten Schulbetrieb mit der Zeit fehlte. So wurden eines Tages elf Lehrer, ich eingeschlossen, freigestellt."

Für Ángel, verheiratet und mit einem Sohn, war das eine Katastrophe. Er entschloss sich schweren Herzens dazu, allein auszuwandern und in einem anderen Land den Lebensunterhalt für sich und seine zurückbleibende Familie zu verdienen. Dass er schließlich auf Mallorca an Land ging, ermöglichte ein befreundeter Arzt, der seit 35 Jahren auf der Insel lebt und den Formalitätenkrieg bewältigen half. Nach der Ankunft suchte Ángel sofort eine Tätigkeit. Da ihm nirgends Kopfarbeit angeboten wurde, wechselte er ohne Selbstmitleid zur Handarbeit und war von da weg drei volle Jahre auf dem Bau tätig.

Dann zwei Glücksfälle: Er konnte Frau und Sohn auf die Insel nachkommen lassen, dazu fand er über einen Landsmann eine Tätigkeit als Hilfsgärtner auf der Finca eines Deutschen. Der Südamerikaner kniete sich mit beispielhaftem Einsatz in die neue Aufgabe hinein. Allerlei Kenntnisse in der Bodenbearbeitung hatte er in seiner Jugend von seinem Vater erhalten. In einem mit Pflanzen handelnden Großunternehmen hier auf Mallorca fragte er zusätzlich den Angestellten jede Woche buchstäblich Löcher in den Bauch, studierte abends Fachliteratur, lernte in der praktischen Arbeit täglich dazu und wurde nach und nach zu einem Fachmann im Schneiden von Bäumen, im Pflanzen und Säen.

Vor sechs Jahren dann ein erster Schritt in die heutige Doppelfunktion: Ein Fincabesitzer, der um seine frühere Lehrertätigkeit wusste, fragte ihn, ob er nicht neben der Gartenwartung auch Spanischstunden geben könnte. Ángel Honorio tat es mit Freuden und offensichtlich so gut, dass andere Fincabesitzer, die davon hörten, ebenfalls zugriffen. Seither tritt der Mann aus der Sierra Ecuadors in verschiedenen Villen auf der Insel regelmäßig mit einem Gärtner- und einem Lehrertenue im Gepäck zur Arbeit an.

Der in Bunyola eine wunderschöne Finca besitzende deutsche Ingenieur Karl-Peter Schmid beschäftigt den Gärtner-Sprachlehrer bereits seit fünf Jahren und erzählt über die gemachten Erfahrungen: ýIch lebe mit meiner Gattin Katja und dem heute neun Jahre alten Sohn Max seit sechs Jahren auf der wunderschönen Insel, baue und richte Häuser ein und verkaufe sie schlüsselfertig. Dass wir Ángel vor fünf Jahren kennenlernten, war ein Glücksfall. Der Mann erledigt die Gartenarbeit einwandfrei und mit erstaunlicher Fachkenntnis. Dazu ist er in jeder Beziehung zuverlässig. Er genießt unser volles Vertrauen, hat einen Schlüssel des Hauses und schaut nach dem Rechten, wenn wir manchmal ein paar Tage abwesend sind. Zudem übernimmt seine Gattin ­Luisa die Hausreinigung, was uns ebenfalls sehr entgegenkommt."

Eigenes Lehrprogramm

Und der Sprachunterricht? Ingenieur Schmid: ýMeine Frau und ich sind mit Vorkenntnissen der spanischen Sprache auf die Insel gekommen und können Ángel als Sprachlehrer nur empfehlen. Ich staune immer wieder, mit welch spielerisch-motivierender Art er die Lektionen gestaltet. Er hat sich für zehn verschiedene Lehrstufen eigene Lehrprogramme erarbeitet. Sein Unterricht ist deshalb gut strukturiert. Unser Sohn Max, der eine englische Schule besucht, erhält von Ángel jede Woche eine zusätzliche Spanischlektion, die ihm Spaß macht und von der er viel profitiert."

Als weiteres Standbein hat sich der Südamerikaner an der Calle San Campos in der Nähe der Plaça d´Espanya in Palma ein Studio eingerichtet, in dem er vor allem Deutsch sprechende ­Personen Spanisch lehrt. Zu seinen Schülern gehören Personen verschiedenster Altersstufen und Berufsrichtungen. Beispielsweise eine ehemalige Deutsch- und Englischlehrerin, ein leitender Angestellter von Kühn & Partner sowie ein Schweizer Kaufmann. Die meisten von ihnen sind durch Weiterempfehlung auf Ángel gestoßen. Wie auch Petra Motz, die in einer Anwaltskanzlei in Palma die deutschen Klienten betreut, bei Ángel ihre spanischen Sprachkenntnisse auffrischt und erweitert und sich über den unkomplizierten, lockeren und trotzdem sehr gezielten Unterricht freut.

Einen Nachfolger in der einen oder andern beruflichen Tätigkeit wird es in der Familie des Südamerikaners allerdings nicht geben. Ángel sagt lachend: ýMein jetzt 13 Jahre alter Sohn Felipe hat sich für eine Polizeiausbildung entschieden."

Ángel ist unter den Telefonnummern 690- 66 13 02 (Spanisch) oder 647-98 89 63 (Deutsch) zu erreichen.